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Die große Frage: Beck’s und die neuen Sorten

Seit gut einem Monat sind die neuen „Taste the World“-Biere aus der Bremer Riesenbrauerei Beck’s flächendeckend im Handel. Was haben sie gebracht?

Nach den ersten bösen Stürmen durch die Craft-Blogger haben wir uns Zeit genommen, die Produkte und ihre Welt einmal ausgiebig zu betrachten. Ein Analyse mit schwierigem Ergebnis.

Die Meldung vor einem guten Vierteljahr, Beck’s würde in Kürze eine neue Range an Produkten auf den Markt bringen, sorgte innerhalb weniger Tage in der deutschsprachigen Bierszene für erhitzte Gemüter. Ausgerechnet der Big Player unter den internationalen Groß-Pilsenern wollte also plötzlich kreativ werden und auf dem Craft-Parkett mitmischen? Sofort wurden kritische Stimmen laut, die über Wochen den Bierkosmos bereicherten. Auch die Vorab-Analyse von MIXOLOGY-Herausgeber Helmut Adam gehörte noch einen Monat nach ihrer Veröffentlichung zu den am meisten gelesenen Artikeln auf MIXOLOGY ONLINE. Das Interesse war gegeben, ob positiv oder negativ. Oder, um es mit einer alten Weisheit der PR-Welt zu sagen: All news is good news.

Von der Pressemitteilung in alle Regale

Seit Mitte April sind die drei neuen Beck’s-Abfüllungen Amber Lager, 1873 Pils und vor allem das an die junge Craft-Ecke gemahnende Pale Ale auf dem Markt. Mit dem ganzen Kräftevolumen eines globalen Konzerns in viele Gastronomien und ins Regal fast jedes Einzelhändlers transportiert. Zeit für uns, den Stand der Dinge zu analysieren.

Um einem Vorwurf direkt den Wind aus den wahrscheinlich grünen Segeln zu nehmen: wir wollen nicht den in Craft Beer-Zirkeln so oft begangenen Fehler machen, den pauschal vorverurteilenden Craft vs. Industrie-Gegensatz zu bemühen und den Vorstoß von Beck’s zu verteufeln. Bereits mehrere Konzerne — allen voran Radeberger mit Braufactum oder Bitburger mit CraftWerk — haben mit Sondersuden oder Sub-Labels gezeigt, dass gute Biere nicht zwangsläufig von vollbärtigen, ehemaligen Werbekaufleuten gebraut werden müssen, die das Loft-Büro und ihr Erspartes gegen das Sudhaus eingetauscht haben.

Die große Frage

Nun, da die Biere seit einiger Zeit vorhanden und erhältlich sind, zeigt sich die eigentlich große Frage. Wo will Beck’s mit den neuen Sorten hin, wen will man von der Weser aus erreichen? Um diese Frage beantworten zu können, muss man sich das Marketing-Gebaren etwas näher ansehen.

Mittlerweile fährt die „Taste the World“-Range auf allen erdenklichen Werbegleisen. Neben der klassischen Fernsehwerbung setzt man im Mutterkonzern nun jedoch auch auf hochverdichtetes Werbevolumen auf allen gängigen Social Media-Kanälen. Hier verkörpern und illustrieren hippe, stereotype Charaktere – britischer Surfer, deutscher Filmemacher, australischer Musiker — worum es bei den Bieren gehen soll: um Offenheit, Weltgewandtheit, Genuss und Freiheit. Soweit alles Attribute, die schon lange zur Markenwelt von Beck’s gehören. Was die Biere selbst angeht, so äußerte sich der deutsche Marketingchef Henner Höper kürzlich salopp: „Wir brauen Biere, die hochwertig und besonders sind, aber den Geschmack möglichst vieler Bierliebhaber treffen.“ Wagemut klingt anders. Und so macht die mit gängiger Lifestyle-Politur gepushte Kampagne zunächst eine klare Botschaft deutlich: die neuen Beck’s-Biere sollen gar nicht erst den Kenner interessieren, der Marsch geht klar in Richtung Mainstream — und das mit aller Wucht und Macht eines Konzerns. Dazu der eindeutige Tenor, man sehe sich nicht als Teil der Craft-Bewegung.

Die andere Seite

Gleichzeitig verwundert es, dass Beck’s sich im Vorfeld der Markteinführung mit Verkostungsproben ausgerechnet an genau jene gerichtet zu haben scheint, von denen man sich nun wirklich keinerlei Gnade erhoffen durfte. Die einflussreichen Bierblogger, die Brau-Nerds, während größere Medien aus dem kulinarischen Bereich oft keine Proben bekamen. Vielleicht meldeten sich die Blogger auch einfach als erste, um ihre Position zu untermauern.

Die Repliken jener Szene-Granden ließen jedenfalls nicht lange auf sich warten. In zuverlässig aufgebrachter Manier sahen jene Blogger das hopfige Abendland bedroht und ballerten zurück, immer wieder aus der prinzipiell überkommenen David-gegen-Goliath-Perspektive. Auch das Verhalten jener Blogger und Liebhaber darf infrage gestellt werden, weswegen wir hier nicht aus den einschlägigen Beiträgen zitieren werden.

Verwirrend war an diesem Vorgehen durch Beck’s vor allem die Mischung aus 08/15-Marketing-Bombast bei gleichzeitigem Versuch, die Subkultur für sich zu gewinnen. Hochglanzwerbung, durchproduziertes Flaschendesign und explizite Abgrenzung zum Craft-Begriff dort — Hopfensorten und Stammwürze als Info auf dem Etikett hier. Solche Infos interessieren üblicherweise keine einfachen Tresentrinker. Wohin soll es also mit den dunkelgrünen Flaschen gehen? Was sagen die Biere?

Die Biere bleiben stumm

Ohne zu sehr ins Detail gehen zu wollen: die Biere leisten keinen Beitrag. Einen Beitrag? Wozu? Weder zur oben gestellten Frage, noch zur derzeitigen rasanten Entwicklung auf dem deutschsprachigen Bier-Territorium. Zwar sind die Sorten allesamt sauber und fehlerfrei eingebraut und dürften in Ihrer vorliegenden Form auch bei vielen gewohnten Beck’s-Freunden auf Anklang stoßen. Sie sind alles andere als schlecht. Allein, dahinter versteckt sich leider zu wenig.

Am ehesten scheint das Amber Lager noch auf zeitgemäßem Level zu arbeiten. Aber das 1873 Pils und das Pale Ale unterstreichen vor allem eins. Hier geht es eben nicht darum, Bierkenner abzuholen, sondern darum, jene Begriffe, die seit einiger Zeit aus dem Underground immer stärker an die Oberfläche drängen, für den einfachen Konsumenten zugänglich zu machen. Man scheint sich im Hause Beck’s von vornherein klar gewesen zu sein, von den eingefleischten Bierkennern ohnehin nur Verachtung zu erfahren. Die beiden angeblich zu 100% mit Aromahopfen hergestellten Biere kommen leider ohne wirkliche Identität daher, ohne Charakter — und damit auch ohne eine veritable Rechtfertigung ihres Preises. Ein Ale, das eher wie ein weiteres Lager wirkt und den Cascade-Hopfen elegant verbirgt, statt ihn stolz in die Nase zu tragen.

Mehr als einen Euro für eine 0,33-Flasche Bier auch im Einzelhandel zu bezahlen, ist für immer mehr Menschen heutzutage eine Selbstverständlichkeit, wenn die Qualität stimmt. Für alle anderen gibt es jene verbreiteten Mega-Pilsener, die mit weit weniger zu Buche schlagen. Und genau dort lauert die große Gefahr für den ehemals so mutig angekündigten Beck’s-Vorstoß: die Biere scheinen komplett zwischen den Bier-Stühlen zu sitzen weil sie die auf dem Label kund getane Stilistik nicht interpretieren, sondern nur unter größter Vorsicht bedienen.

Die Frage. Sie bleibt!

Kein Craft-Nerd wird die aufwendig mattschwarz etikettierten Flaschen überhaupt eines Blickes würdigen. Aber wird es dagegen eingefleischte Beck’s-Fans geben, die nach ein oder zwei Probier-Anläufen einen nachhaltig positiven Eindruck von der neuen, teureren Range erhalten? Es steht zu befürchten, dass dem nicht so sein wird. Und auch jene aufgeklärte Schicht gut unterrichteter kulinarischer Genießer, die für neue Bier-Erfahrungen offen sein könnte, geht eher ins Fachgeschäft und schaut dort nach kleinen, möglicherweise regionalen Suden.

Somit endet diese Analyse auch nicht mit einer These, sondern mit einer Frage. Es ist die Frage danach, wen man bei Beck’s erreichen will. Fakt ist: die Mechanismen der Craft Beer-Szene lassen diese Biere nicht zu, ganz abgesehen von der Qualität der Sude. Dazu ist die Szene zu hermetisch. Fakt ist aber auch, dass man es in Bremen versäumt hat, die neuen Abfüllungen dafür  zu nutzen. Etwa, um jenen Konsumenten, die offen, aber zu fern vom Untergrund sind, einen Zugang zu verschaffen. Dafür hätten die Biere allerdings mutiger und distinktiver sein müssen. Denn so könnten viele unerfahrene Verbraucher den Eindruck erhalten, man zahle vor allem für das neue Produktdesign und weniger für einen innovativen Inhalt. Und das kann niemand wollen. Kein Craftie. Und kein Großbrauer. Die neuen Biere von Beck’s werden es nicht einfach haben, gerade weil sie es uns zu einfach machen. Und deshalb lassen sie eher Fragen als Antworten zurück.

Credits

Foto: Muräne via Shutterstock

Comments (2)

  • schlimmerdurst

    Für mich ist klar, was Beck’s bezweckt: Noch schnell auf den fahrenden Zug aufspringen und den einen oder anderen Beckstrinker, der vielleicht andere Biersorten ausprobieren will, mit ihren schlaffen Brühen davon überzeugen, dass Pale Ale doch nichts so tolles ist, um ihn wieder in den Schoß der Hauptmarke zu bringen. Sie wollen einfach gar kein Pale Ale verkaufen, sondern weiterhin viel von ihrem Pils.

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