Be nice or leave – die alte, neue G&T Bar
Der Longdrink-Hotspot in Berlins Mitte war drei Jahre lang ein provisorisches, aber gemütliches Wohnzimmer. Nun ist die G&T Bar an einen fixen Ort gezogen. Peter Eichhorn hat sich umgesehen, ob und was sich geändert hat.
„Auf dieser Erde ist, wie die Franzosen zu sagen pflegen, nichts dauerhaft – nur das Provisorium“, wusste bereits der Schriftsteller Henry Miller. In Deutschland galt dieser Satz lange Zeit für das Örtchen Bonn als provisorische Bundeshauptstadt. Immerhin 50 Jahre hielt das Provisorium am Rhein, bevor die Bundespolitik an die Spree wechselte und von Kölsch auf Pils umstieg. Oder auf Gin & Tonic.
50 Jahre dauerte das Provisorium G&T Bar dann doch nicht, aber wenn man bedenkt, dass das Wacholder und Tonicwasser-Projekt nur auf den Zeitraum eines Jahres limitiert sein sollte, dann sind die drei Jahre, die der kleine und feine Longdrink-Hotspot dann doch währte, beachtlich.
Ein wenig Wehmut stellt sich schon ein, wenn man an das versteckte Hinterzimmer denkt. Hinten im Hof, vorbei am Rocco & Sanny und an Pizza Mario. Hinein in die winzige Bar mit dem gedämpften Licht in British Racing Green-Färbung, mit dem Tisch in der diskreten Nische und den etwas wackeligen Barhockern entlang des Tresens. Obwohl gelegen im touristischen Epizentrum zwischen Friedrichstadtpalast und Oranienburger Straße, blieb die Atmosphäre stets entspannt, vertraut und von angenehmem Stammpublikum bevölkert. Das freundliche Barteam vermochte selbst die fortgeschrittenen Gin-Kenner stets aufs Neue mit einem brandneuen, rarem Wacholder-Destillat aus dem hintersten Winkel der Welt zu überraschen. Stets mit dabei das treue Maskottchen der Bar – Igel Flink.
I like to move it
Nun endete das Provisorium. Aber nur, um nahtlos an einem anderen Ort, nicht weit entfernt, wieder aufzuerstehen. Natürlich mit der Igel-Figur im Backboard. Und einer ganzen Menge Gin. Die G&T Bar bleibt Teil der Amano-Gruppe und ist nun in die nigelnagelneuen Räumlichkeiten des Zoe Hotels eingezogen, unmittelbar am Hackeschen Markt.
Der Charakter der neuen Bar ist jedoch ein gänzlich anderer. Die geheimnisvolle und versteckte Speak-Easy-Spelunke ist Vergangenheit. Eine breite Fensterfront zur Straße (wenn auch in diesem Fall eher die Formulierung „Blick auf die Straßenbahn-Wendeschleife“ zutrifft) rückt den Raum in das öffentliche Blickfeld der Passanten, die auf die hoffentlich formschönen Hinterteile auf den Tresenhockern starren dürfen. Die Tür ist noch etwas schwergängig und die Klingel wird eher übersehen (und in einer Hotelbar nicht wirklich erwartet), daher begeben sich manche nach vergeblichem Rütteln oft auf die Suche nach einem anderen Entree.
Schon 30 Fans
Der schwere Tresenblock ist lang und die Farben schwarz und gold bestimmen die Atmosphäre mit einem eleganten Ambiente. Obermaterial und Maserung des Tresens erinnern angenehm an das Buck and Breck. Schöne historische Kugellampen und –leuchter sorgen für die vordergründige Beleuchtung. Die Zahl der Lampen, Spots und Lichteffekte ist sehr hoch dosiert, wodurch die Bar doch eher designtechnisch inszeniert wirkt als stimmungsvoll illuminiert.
Und es gibt reichlich Fans, also Ventilatoren. Es müssen über 30 kleine, goldfarbene Propeller sein, die sich über die gesamte Decke erstrecken und tatsächlich funktionieren. Wer hätte das gedacht? Grinsend zelebriert der wundervolle Lars Larsen, Urgestein der alten G&T und Träger der bewährten Helmut-Schmidt-Gedächtnismütze, den Schalter und betrachtet wohlwollend die Gesichter der erstaunten Gäste, die bei der neuen Geräuschkulisse einen Hornissenschwarm im Anflug wähnen.
Schnell einen Schluck auf den Schreck. Das darf ein Gin & Tonic sein, muss aber nicht. Ein stattliches Sortiment an klassischen und raren Gins darf mit einer gut selektierten Tonic-Auswahl vermählt werden. Wer kann die Finger schon davon lassen, wenn so rare Destillate wie Mikkeller Botanical Gin, Hernö, oder Icelandic Gin locken – oder der empfehlenswerte und optisch doch so schlichte Letherbee Gin.
Be nice or leave
Wer jedoch die Cocktails außer Acht lässt, begeht einen großen Fehler. Die Cocktail-Karte ist umfangreicher als in der alten Location und zudem sehr sorgfältig komponiert. Selbstverständlich liegt auch hier das Hauptaugenmerk auf Gin, aber für jeden Drink wurde der ideale Gin ausgewählt und auch in der Karte genannt. Ein Only Gin im French 75, ein Bombay Sapphire im Last Word oder ein Rutte Dry Gin im Thomas Cook & Son. Die Preise für die Drinks liegen im Bereich von 11 bis 15 Euro. Klassiker und Eigenkreationen sind vertreten, die Spirituosenauswahl endet nicht beim Gin. Die Rezepte sind fein abgestimmt, die Zubereitung erfolgt präzise und ist schön anzusehen.
Es ist ein schöner Ort. Anders als die alte Bar, aber ebenso mit Charakter, guten Drinks und einem charmanten Team. Die Aufforderung an die Gäste steht hinter dem Tresen auf der Tafel: Be nice or leave. Nett sein lohnt.
Allmählich lohnt sich aber auch wieder eine Bartour rings um den Hackeschen Markt. So viele ordentliche Cocktail-Adressen und alle in Kriechweite. Gleich gegenüber verströmt die Bijou Bar ihren kolonialen Charakter, The Liberate und die Coven Bar bieten feine Drinks, die Alto Bar festigt ihren Kultstatus mit wechselnden, kuriosen Eingangsschildern und mit der rivabar findet sich der bewährte Klassiker im Kiez auch nur einen Steinwurf entfernt. Gefährlich!
Credits
Foto: G&T Bar via Jens Bösenberg.
The Peach
Rauchen erlaubt? Sch… Berlin! Ich will meine Getränke und mein Essen schmecken – nicht die ausgeatmete, verpestete Stinkluft anderer Menschen.