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Neue Hoheit Wien

Gestatten, Neue Hoheit: Im Wiener Dachgarten wächst Obstbrand

Die erste Bar der Hongkonger Hotelgruppe Rosewood im deutschsprachigen Raum krempelt eine Wiener Bank um. Herr über die spektakuläre Einrichtung ist ein Vater des „Bamberger Barwunders“: Moritz Niederstrasser. Der liebt es ultra-lokal. Roland Graf hat sich über den Dächern von Wien umgesehen.

Nach den Pandemie-gebeutelten Zeiten war es getrost die „Neueröffnung des Jahres“, als die alte Zentrale der „Ersten österreichischen Sparkassa“ als „Rosewood Vienna“ wiedergeboren wurde. Zuletzt regierten auf der Dachterrasse Bar-Pop ups (u.a. des „Kleinod“), danach beherrschte die lange Umbauphase diese noble Ecke Wiens. Durchgebrochen wurde vom Petersplatz in Richtung Tuchlauben, weshalb sich auch der Eingang zur neuen Brasserie „Neue Hoheit“, über der die gleichnamige Bar thront, gleich neben dem Nobelitaliener Fabios befindet.

Die Klientel der 71 Gästezimmer und 28 Suiten wird diese Abkürzung in Richtung „Goldenes Quartier“ zu schätzen wissen. Doch die Bar im 6. Stock steht auch ohne Reservierung allen Besuchern offen. Sie ist Teil des erst fünften Hotels der Hongkonger Rosewood-Gruppe, die sich für die kommenden Jahre viel vorgenommen hat. 30 Neueröffnungen sind geplant, darunter bereits 2023 am Kardinal Faulhaber-Platz in München und mit dem Schloss Fuschl ein weiteres Hotel in Österreich. Wichtiger als dieser „gossip“ aus dem umkämpften Feld der Tophotellerie ist aber ein anderes Faktum: Die Bars der Gruppe – etwa das „DarkSide“ in Hongkong oder das Londoner „Scarfes“ – haben internationalen Ruf.

Der „Ready Made“ kommt mit Mispelschnaps, Marille und Champagner
Der „Ready Made“ kommt mit Mispelschnaps, Marille und Champagner
Der„Figaro Collins“ demonstriert namentlich die relative Nähe der Neuen Hoheit zur Wiener Staatsoper
Der„Figaro Collins“ demonstriert namentlich die relative Nähe der Neuen Hoheit zur Wiener Staatsoper

Brenn-Landkarte als Cocktailmenü

Das will man auch in Wien so halten, wo man im siebenten Stock für 42 Sitzplätze sechs Tage die Woche offenhält. Und es keineswegs mit den weltweit gefragten Klassikern versucht. Ein Mispel-Schnaps mit Marille und Champagner (alias „Ready Made“ – 16 Euro) verkauft sich zweifellos etwas schwieriger als der verwandte Old Cuban.

Doch Moritz Niederstrasser, der Chef de Bar, reicht auch kein Cocktail-Menu, sondern eine Österreich-Karte. Besser gesagt, eine gedruckte Lehreinheit in Sachen alpiner Destillate. Als Innovator startete Niederstrasser bereits in Bamberg mit dem „Plattenladen“ eine Entwicklung, die bis heute fortwirkt und in MIXOLOGY 4/2022 bestens beschrieben wurde. Auch die Reihe „Die Bar die es nicht gibt“ samt Filmdoku und die „Monkey 47“-Touren mit Aki Klubescheidt haben ihn zu einem der bekannteren deutschen Bartender-Gesichtern gemacht.

Tatsächlich war so auch sein Dream-Team für die Bar schnell gefunden. Dazu zählt Danijel Jelovac, der aus dem Hamburger „Fontenay“ Luxushotel-Erfahrung mitbringt, und der ehemalige „Brenners Parkhotel“-Bartender Gregor Eisele.

Neue Hoheit

Tuchlauben 4
1010 Wien

täglich ab 12 Uhr

Zugehen auf das Wiener Gemüt

Doch nun also Wien. Niederstrasser ist auch Musiker und in diesem Fall lautet das Genre wohl „Ambient“. Alles ist darauf angelegt, dass sich der Gast nicht als Durchreisender, sondern wie daheim fühlt. Das beginnt beim Einchecken, das in der Kaffeehaus-Atmosphäre des ersten Stocks stattfindet. Eine Lobby im klassischen Sinne gibt es im Rosewood Vienna nicht. Selbst die Taxifahrer, mit denen man arbeitet, wenn der hauseigene Limo-Service unterwegs sein sollte, werden auf Stil und Sauberkeit gecheckt. Hier denkt man die Dinge gerne fertig. Und reagiert auch, falls die Uhren teilweise anders ticken.

Einen ersten Lernpunkt der Eröffnungswochen stellte es etwa dar, „dass der Wiener Gast gerne steht“. Vom generellen Konzept einer „seated“-Bar rückt man daher fallweise ab, wenn an den Wochenenden Stimmung und Lautstärke sich nicht ganz an das gediegene Level hält, das die Einrichtung vorgibt. „Gemeinsam geht es darum, jeden Abend Atmosphäre zu kreieren im täglich wechselnden sozialen Mischungsverhältnis des Raums“, formuliert es Niederstrasser so akkurat, wie sein Stecktuch gefältelt ist.

Doch der relativ große Spielraum, den man dem Team der Neuen Hoheit“gewährt, lässt auch dieses „Zugehen auf das Wiener Gemüt“ (© Moritz Niederstrasser) zu. In Sachen Drinks hat man dies ohnehin von Anfang an so geplant. Denn die neun Signature Cocktails stellen Brenner (z.B. Rochelt, Guglhof, Reisetbauer) aus den Bundesländern in den Fokus.

Wasserservice mit einem Schuß

Kulturelle Aneignung im Shaker wird das dennoch keine, denn die Partnerschaften ziehen sich weit über die Drink-Landkarte hinaus. Das Wasser-Service erfolgt mit einem Spritzer Essig von Alois Gölles zur besonderen Erfrischung, natürlich darf der Gast zwischen Apfel, Himbeere und Tomate als Flavouring wählen. Für die Mini-Bar und zum Mitnehmen gibt es vier „Bottled Cocktails“, die mit Josef Farthofer, einem Mitglied des „Freimeisterkollektiv“, erstellt wurden.

Auch abseits des Flüssigen stellt die Zusammenarbeit mit lokalen Manufakturen einen klaren USP in Wien dar. Die Barkarte selbst, gehüllt in Leder vom Maßschuhmacher Scheer, stellt dafür ein Beispiel dar. Der Inhalt des Cocktail-Glases ebenfalls. Kakaogeist von „Cao/Cao“ etwa findet man sonst selten in Häusern dieser Größenordnung, doch der von Niederstrasser entdeckte Wiener Twist gibt dem Espresso Martini seine spezielle Note. Der heißt hier Two Beans und vereint Kaffee und Kakao zu einem aromatischen Duett. Ähnlich beliebt ist auch der Green Sea (18 Euro), der mit Himbeere die Steiermark repräsentiert.

Die Neue Hoheit ist auch explizit für Nicht-Hotelgäste zugänglich
Die Neue Hoheit ist auch explizit für Nicht-Hotelgäste zugänglich

Der „Secret Garden“ als Inspiration

Statt der Paloma wird es eben salzig-säurig mit der Valley Rose (18 Euro), für die Quitte von Valentin Latschen das Fundament legt. Diese Ausflüge in die verflüssigte Botanik erhalten auch einen neuen Sinn, wenn man auf die Terrasse der Neue Hoheit tritt. Der versteckte Garten im sechsten Stock stellt ein komplett unerwartetes Element dar, das zwischen britischem Gewächshaus und kulinarischem „Hideaway“ zum ungläubigen Augenreiben führt.

Dass hier im ersten Betriebssommer Plätze begehrt sein werden, darf als so sicher gelten wie das Mischverhältnis des Weißen Spritzers. Den man hier übrigens Hoheit-gemäß als Fourmajesty (14 Euro) in einer Edelvariante serviert. Im Sommer 2023 wird es dann aber schon eine neue „Landkarte“ der Austro-Destillate geben.

Denn Moritz hat da schon wieder eine neue Manufaktur ausgespäht …

Credits

Foto: Rosewood

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