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Bier, Bars & Brauer #6

Ein Pale Ale in Dosen geht in die Berliner Luft, die Brauerei Michelstadt hat einen neuen Besitzer, besseres Bier braucht Förderung aus Steuergeldern und das einzig Wahre war’s bald gewesen, wenn nicht was passiert – viel Up & Down in dieser Ausgabe von Bier, Bars und Brauer.

Ein wenig Mitleid muss man mit den Michelstädtern schon haben: 300 Jahre war die Brauerei Dörr, so der damalige Name, in Familienhand, nun ist trotz des  vielversprechenden Craft-Brauprojekts BrauKunstKeller in gerade mal zwei Jahren der (Sud-)Ofen aus. Oder vielleicht doch nicht? Auch bei Warsteiner sieht es düster aus, da man es seit Jahren versäumt hat, Akzente auf dem Biermarkt zu setzen. Grund zur Freude bieten allein die Luftsprünge von Brlo.

BRLO: Über den Wolken…

Bisher war man am deutschen Himmel Craft Beer-technisch in etwa so frei wie ein Vogel ohne Flügel. Das soll sich nun ändern, denn auf den Flügen von Air Berlin dürfen Fluggäste in Zukunft das Brlo Pale Ale aus der eigens zu diesem Zweck entworfenen, schwarzen Dose genießen. Brlo, deren Name übrigens aus dem Alt-Slawischen kommt, Ursprung des Wortes “Berlin” ist und in etwa “Sumpf” bedeutet, sind inzwischen aus der Berliner Craft Beer-Szene nicht mehr wegzudenken.

Die Gründer Katharina Kurz und Christian Laase, verstärkt durch Braumeister Michael Lembke, machen auf Events und in Künstlerkreisen von sich reden, Brlo hat sich in nur knapp anderthalb Jahren zu einem der erfolgversprechendsten Bierprojekte der Hauptstadt gemausert. Momentan bauen die Macher gerade an einer eigenen Brauerei, die von BrauKon konstruiert wird. Das Pale Ale stellt, gemeinsam mit dem Hellen, das Einstiegsbier der Brauerei dar. Es ist eine fruchtig-frische Trinkerfahrung mit 6% Vol. und den Hopfensorten Citra, Cascade, Centennial, Saphir und Williamette. Soviel Aromahopfenkraft dürfte für frischen Wind im Dröhnen der Düsen sorgen.

Gemeinschaftssud von Sierra Nevada & Kehrwieder

Das ist doch old-school … und gerade gut so! Denn wenn die Tradition, auf die sich Oliver Wesseloh von der Kreativbrauerei Kehrwieder und Scott Jennings von Sierra Nevada beziehen, die eines krass gehopften Double India Pale Ales ist, dann ist Traditionsbewusstsein gern gesehen. Zur Einweihung der jungfräulichen Brauanlage bei Kehrwieder im Oktober letzten Jahres entschlossen sich die beiden Braumeister, die sich noch aus Studienzeiten in Berlin kennen, ihre gemeinsame Liebe zu Johnny Cash, VW Bullis und natürlich echten Hopfenknallern in einen Gemeinschaftssud fließen zu lassen.

Herausgekommen ist das Old Skool, ein Double IPA mit kräftigen 8,5 % Vol., 100 Bittereinheiten und dem Aroma klassischer Westküsten-Aromahopfen wie Amarillo, Simcoe, Columbis und Chinook. Nachdem Sierra Nevada bereits vor einem Jahr mit dem Brauhaus Riegele für das “Oktoberfest”-Märzen kollaboriert hatte, darf Kehrwieder sich nun der ersten Sierra-Nevada-Kollaboration auf deutschem Boden rühmen. Weitere werden hoffentlich folgen.

Der Tragödie letzter Akt – Michelstädter Brauerei verkauft

Nun ist es amtlich: Nach der Insolvenz der Marke BrauKunstKeller verkauft Eduard Rosin, zeitweiliger Eigner der Craft-Brauerei gemeinsam mit Alexander Himburg, nun die Michelstädter Brauerei (vormals Brauerei Dörr), in der die BrauKunstKeller-Biere bis vor Kurzem produziert wurden. Ob damit das Ende des Braustandortes besiegelt ist, steht jedoch zurzeit noch nicht fest. Der neue Besitzer ist die Pfungstädter Brauerei, die mit der Übernahme ihr Absatzgebiet sichern will, berichtet die FAZ. Die drei verbleibenden Michelstädter sollen die 125 Mitarbeiter von Pfungstädter verstärken. Als wirkliche Konkurrenz dürfte Michelstädter Bier jedoch auch zuvor höchstens auf lokaler Ebene gegolten haben, gab es dort doch einen Jahresausstoß von ca. 2.000 Hektolitern pro Jahr, während Pfungstädter als größte Privatbrauerei Hessens mit 300.000 Hektolitern in einer ganz anderen Liga spielt.

Bund der Steuerzahler gegen besseres Bier?

Na gut, als Steuergelder sind 253.000 Euro kleine Fische, gerade im Vergleich zu über sechs Millionen Euro für die Subventionierung elektrischer Luxuskarossen. Dennoch sprach sich der Bund der Steuerzahler gegen die Förderung als Verschwendung von Steuergeldern aus, so berichtete die Berliner Zeitung.

Ziel des Projektes, an dem ein deutsches und ein schwedisches Unternehmen beteiligt sind, ist die Reduzierung von Metallen im Bier, welches dadurch nicht nur schmackhafter und klarer, sondern auch haltbarer werden soll. Der Bund der Steuerzahler meint, dies sei Angelegenheit der Produzenten, nicht der Steuerzahler. Zusätzlich ist zu bedenken, dass eine solche Maßnahme wahrscheinlich vor allem Großbrauereien zugute kommt, die besonders auf geschmackliche Berechenbarkeit und intensive Filtration setzen. Denen sollte es am Geld für diese Forschung aber eigentlich nicht mangeln.

Das einzig Wahre – letzte Chance

Auch 2015 ging es für Warsteiner bergab: Um 7,4 Prozent schrumpfte der Ausstoß der Privatbrauerei auf nicht mal mehr die Hälfte der Zahlen aus den goldenen 1990er Jahren (damals sechs Millionen Hektoliter Jahresausstoß). Der frühere Manager von Red Bull und Capri Sonne, Martin Hötzel, sollte es richten, so berichtet die Wirtschaftswoche, doch sein erstes Jahr bei Warsteiner ist kein Gutes. Wo der Biermarkt stagniert, der Bierkonsum 2014 und 2015 wieder leicht stieg, steigt Warsteiner weiter ab.

Auch die Gegenmaßnahmen erscheinen nicht sonderlich innovativ. Sowohl bei den Biermischgetränken als auch den Alkoholfreien war man zu spät am Start. Aus der Großbrauerei, die als erste die Bitterkeit im Bier für mehr Massentauglichkeit senkte, wirkte das Warsteiner Herb unehrlich, und auch das jüngst erschienene Braumeister Edition, welche sich der Craft-Beer-Welt anbiedert, kommt locker zwei Jahre, nachdem Radeberger, Bitburger, Paulaner und andere ihre Craft-Schachfiguren aufgestellt haben. Das Redesign der Marke allein wird wohl nicht ausreichen. Echte Innovation wird gebraucht, soll Warsteiner nicht zu einer Regionalmarke verkommen

Credits

Foto: Flaschen via Shutterstock. Postproduktion: Tim Klöcker.

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