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BIER, BARS & BRAUER #7

Bier oder nicht Bier? In dieser Ausgabe von Bier, Bars & Brauer spielt der Gerstensaft tatsächlich (fast) nur die Nebenrolle. Stattdessen gibt es Gastronomie satt, eine ganz besondere Marke sowie ein fränkisches Fachgeschäft, das den Rest der Republik erobern will. Mit Bier, natürlich.

Das offensichtliche Thema wäre das Reinheitsgebot und sein 500. Geburtstag. Natürlich wird auch das eine Rolle spielen, gewohnt skeptisch, wenn der Marketingsprech der Großbrauereien und des Brauer-Bundes einsetzt. Doch auch abseits der großen Feier bleibt die Bierwelt nicht stehen. Daher geht es zuerst in den Norden der Republik.

Sinfonie der Sinne – Störtebeker in der Elbphilharmonie

Was dem Berliner der Flughafen Schönefeld, ist dem Hamburger seine „Elphi“: Seit 2007 wird an dem 110 Meter hohen Konzertgebäude nun schon gebaut, 789 Mio. Steuereuronen soll es kosten – und zehn Jahre nach Baubeginn zu Anfang 2017 nun auch endlich der Öffentlichkeit zugänglich sein. Damit der Erstbesuch auch gelingt, gibt es dazu frische Biere von Störtebeker, denn die Brauerei, welche Teil der Kontor N Vermögensverwaltungs GmbH ist und 2010 aus einer Entflechtung der Nordmann-Gruppe hervorging, hat sich mit der east group Hamburg einen spannenden Partner ins Elbeboot geholt.

Gemeinsam will man nun die Gastronomie der Elbphilharmonie modern nordisch prägen, auf drei Etagen mit jeweils unterschiedlichen Gastro-Konzepten und spektakulärem Blick auf die Hamburger Landungsbrücken. Bereits mit der Eröffnung des Plaza, also im November 2016, soll Störtebeker von zahlreichen Hähnen fließen, darunter sicherlich auch das seit Februar erhältliche Baltik-Lager, ein unfiltriertes und eher süßmalzbetontes, kupferfarbenes Bier.

Bier-Gastromanie

Passend zur Einbindung einer mit knapp 90.000 Hektolitern eher kleinen Brauerei aus dem Norden in ein Prestigeobjekt wie die Elbphilharmonie soll ein Trend angesprochen werden, der in diesem Jahr in Deutschland erste Blüten treibt: die neue Megalomanie in der Biergastronomie.

War es früher Touristenkrachern wie dem Hofbräuhaus oder zentral in der Altstadt süddeutscher Städte gelegenen Braugasthäusern vorbehalten, mehr oder weniger gutes Bier an Hunderten Bänken und Sitzen auszuschenken, so macht die Biergastronomie nun scheinbar endlich den Schritt in die Moderne.

Das Maisel-Projekt Liebesbier in Bayreuth machte den Anfang, nun wagen auch andere den Schritt zur groß angelegten Gastronomie.

Gespannt wartet man auf die voraussichtlich Mitte des Jahres stattfindende Eröffnung des Stone Brewing World Bistro & Gardens in Berlin, sollte darüber hinaus jedoch nicht vergessen, dass auch das Brauhaus Mitte am Alexanderplatz derzeit auf ca. 1200 Plätze ausgebaut wird und, analog zum Liebesbier, die Rohstoffe im Bier thematisch in das Ambiente einzubauen gedenkt. Auch die Zeiten, als man nur Brauhaus Hell und Brauhaus Dunkel bestellen konnte, sind vorbei, wie sich an den anderen Gastronomien von Betreiber Oliver Lemke, eben den Brauhäusern Lemke,  erkennen lässt. Wir sind gespannt, ob der deutsche Biertrinker diese mutigen Konzepte belohnt oder schmäht.

Die etwas andere Biermarke

Pünktlich zum Jubiläum des Reinheitsgebotes, welches am 23. April 500 Jahre alt wird, gibt es eine Sonderedition vom Bundesfinanzministerium. Was, da wird gebraut? Weit gefehlt, es handelt sich natürlich um eine Briefmarke. Die 30 x 39 mm messende Sondermarke ist seit dem 7. April erhältlich und hat einen Wert von 0,45 Euro. Ob das gute Stück, welches sehr klassisch in den Bierfarben – oben weiß für Schaum, unten gold für Bier – gehalten ist, wirklich einen „künstlerischen Höhepunkt des Jahres“ darstellt, wie es der Präsident des Deutschen Brauer-Bundes, Hans-Georg Eils, verlautbaren ließ, muss jeder für sich selbst entscheiden.

Doppelt so viele Bierotheken!

Bisher zählte das Bierfachgeschäft-Franchise Bierothek, ins Leben gerufen von St. Erhard-Gründer Christian Klemenz, drei Filialen, und zwar in Bamberg, Nürnberg und Erlangen. Nun, zwei Jahre nach der Eröffnung der ersten Bierothek, wird ernst gemacht: Mit Fürth, Frankfurt/Main und Erfurt kommen im Verlauf von nur drei Monaten drei neue Filialen hinzu. Damit bewegt man sich zaghaft nach Norden und verlässt erstmals das fränkische Stammgebiet. Die Zielsetzung hingegen ist keineswegs zögerlich: Marktführer im Bereich Bierfachgeschäft will man sein, bereits 2013 lobte Klemenz eine Präsenz in jeder größeren, deutschen Stadt als Ziel für das Konzept aus.

Selbiges steht für ein helles, aufgeräumtes Interieur, klaren Linien und ein Angebot, das sowohl lokale Traditionsbrauereien als auch moderne Crafties in die leicht angeschrägten Regale bringt.

1516 Sondersud zum Reinheitsgebot von Weihenstephan

In der nächsten Ausgabe wird er bereits vorbei sein, der heiß ersehnte 500. Geburtstag der (womöglich) ältesten noch gültigen – aber nicht unverändert gültigen – Lebensmittelverordnung der Welt. Aus diesem Anlass wird nicht nur Bundeskanzlerin Angela Merkel am 22. April in Ingolstadt den deutschen Gerstensaft bei einer Veranstaltung des Deutschen Brauer-Bundes hochleben lassen, auch zahlreiche Sondersude fanden bereits im Vorfeld ihren Weg an die Gaumen. Jüngster Vertreter ist das Weihenstephaner 1516 Kellerbier.

Dabei handelt es sich um ein unfiltriertes Märzen mit leichter Säure und angenehmem Bitterstich. Gleichwohl das 1516 beileibe kein schlechtes Bier ist, will man meinen, die einzige Konzession, die heutige Traditionsbrauer an die Biere der damaligen Zeit zu machen bereit sind, sei, auf die Filtration zu verzichten. Dass die kontrollierte Zugabe zuvor gezielt extrahierter und gezüchteter Hefestämme damals völlig unbekannt und das resultierende Bier durch Spontangärung oft ein wenig säuerlich war, wird bei all den naturtrüben Sondersuden, vorgeblich gebraut wie anno dazumal, freilich verschwiegen. Auch die Aufschrift „garantierte Reinheit“ auf dem Kronkorken des 1516 ist hoffentlich als augenzwinkernder Kommentar auf die natürliche Trübung des Bieres zu werten.

Credits

Foto: Flaschen via Shutterstock. Postproduktion: Tim Klöcker.

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