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Dicke Bs: Bötzow, Berlin, Brooklyn

Ateliers und Galerien, eine Rollstuhlfabrik, Think Tanks und Inkubatoren, Restaurants und Currywurstwagen, Wohn- und Gewerberäume, ein Pool, eine Cocktailbar – und auch eine Mikrobrauerei. Aus dem ehemaligen Brauereigelände an der Prenzlauer Allee wird wieder eines. Vielleicht in einer transatlantischen Mélange von Brooklyn bis Berlin?

„Wann alle diese Pläne umgesetzt sind, steht noch nicht fest – nur eins: Es wird pünktlich sein!“ verkündet die Homepage von Bötzow Berlin, der Gesellschaft hinter der Wiederbelebung des Geländes, mit einem Augenzwinkern. Seit Bürgermeister Wowereit vor einem Jahr die neuesten Bebauungspläne an der Seite des Initiators Hans Georg Näder enthüllte, erwartet aber wohl eh kein flughafenvergrämter Berliner eine wirklich termingerechte Fertigstellung.
Was lange gärt
Eigentlich ist es angesichts bereits langjährig erfolgreicher Projekte wie der Kulturbrauerei erstaunlich, dass dieses zentral gelegene Gelände so lange brach lag, doch vielleicht ist es gerade die Nähe von Bötzow zu dem Prenzlberger Partyhort an der Ecke Schönhauser Allee/Danziger Straße, der hier zögern ließ. Mittlerweile aber erwachen Denkmäler der Berliner Brauereigeschichte in der ganzen Stadt zu neuem Leben: Die Alte Mälzerei in Pankow beherbergt moderne Eigentumswohnungen, der Pfefferberg, nur wenige Meter vom Bötzow-Gelände entfernt, macht Theater und braut auch wieder, die Alte Malzfabrik dient als Veranstaltungsort für Bierfestivals und -events.
Nach 20 Jahren mit wenig oder keiner Aktivität wird seit 2010 nun also auch auf dem Windmühlenberg an innovativen Konzepten gewerkelt. Gut so, bedenkt man, dass die Alternative unter dem früheren Besitzer Kriegbaum Unternehmensgruppe und später der Metro lange Zeit „Shopping Center“ hieß. Das wäre für ein Areal, welches einst mit über 210.000 Hektolitern die größte Privatbrauerei Norddeutschlands beherbergte, und in dessen Biergarten Karl Liebknecht und Genossen anno 1919 ihren Revolutionsausschuss gründeten, doch sehr zynisch gewesen.
Brooklyner Bier aus Berlin in der gehobenen Gastronomie?
Über die Cocktailbar Le Croco Bleu, deren Name sich auf die Anektdote zweier angeblich während des 2. Weltkriegs hier versteckten Krokodile (womöglich im erwähnten Schwimmbecken?) aus dem Berliner Zoo bezieht, berichteten wir bereits. Zunehmend verdichteten sich jedoch auch die Gerüchte, dass eine amerikanische Craft Brewery ins kulinarische Portfolio aufgenommen werden soll. Zunächst wurde wild spekuliert, gerade die Californier von Stone Brewing, deren Interesse am deutschen Markt bekannt war, wurden hier oft genannt.
Doch schließlich dominierte ein anderer Name die Berichterstattungen: Die Brooklyn Brewery aus dem Herzen New Yorks wurde als heißer Kandidat gehandelt.
Ob der in den Medien oft wiedergekäute Begriff der Mikrobrauerei hier noch zutrifft, ist fraglich. Zwar kann davon ausgegangen werden, dass vor Ort in kleinen Mengen gebraut wird, jedoch ist die Brooklyn Brewery mit über 100.000 Hektolitern Bier per annum bei Weitem kein Zwerg mehr. In ein hochwertiges Speisen- und Getränkekonzept hingegen dürfte sie sich grandios einfügen, schließlich ist Braumeister Garrett Oliver, die weltreisende Galionsfigur der Brauerei, einer der Vorreiter im Bereich Bier & Food Pairing. Der Autor von „The Brewmaster’s Table“ tritt regelmäßig in Wettbewerben gegen die Übermacht der Weinverfechter an und arbeitet mit Sternerestaurants an der gesamten Ostküste zusammen, um Bier einen besseren Ruf als Essensbegleiter zu verschaffen… und wer einmal sein Sorachi Ace (ein belgisches Saison mit japanischem Hopfen) zu Lachstartare, Sushi oder Sashimi probiert hat, dessen Magen dürfte vor Vorfreude bereits Luftsprünge machen.
Vorfreude, die vielleicht etwas verfrüht kommt, denn die entsprechenden Gebäudekomplexe befinden sich noch am Beginn der Bauarbeiten. Vor 2019 ist mit konkreten Plänen nicht zu rechnen, und Gespräche werden mit verschiedenen Brauereien geführt. Dennoch würde sich eine Achse “Brooklyn-Berlin-Bötzow” wunderbar in die aufsteigende Craft-Beer-Szene der Hauptstadt einfügen:
Die New Yorker sind nicht für wilde, unternehmerische Kapriolen bekannt. Außerhalb Brooklyns haben sie bisher nur eine weitere Brauerei eröffnet – in Schweden, ihrem zweitgrößten Absatzmarkt. Das Interesse für Berlin spricht dafür, dass man die deutsche Bierszene gespannt beobachtet und ihr eine nachhaltige Entwicklung zutraut. Was es dazu braucht, ist die Bereitschaft der Berliner, facettenreiches Bier als Teil der gehobenen Gastronomie zu verstehen.
 
Errata:
“In einer früheren Version des Artikels hieß es, die Zusammenarbeit von Bötzow und Brooklyn wäre unter Dach und Fach. Diese Aussage basierte auf teils unvollständig kommunizierten Fakten und einer dem Autor gegenüber bestätigten Fehlinformation. Die aktuelle Version stellt die Sachlage korrekt dar. Wir werden die Entwicklung auf dem Bötzow-Gelände weiter verfolgen

Credits

Foto: Promo

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