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Belsazar

„Wir haben nie Bullshit erzählt.“ – Sebastian Brack und Maximilian Wagner im Interview

Die deutsche Wermut-Marke Belsazar ist nach ihrem Verkauf zu 100% Teil der Diageo-Familie. Warum das keine so große Überraschung ist, erklären die Gründer Sebastian Brack und Maximilian Wagner im Interview. Schließlich sei der Spirituosen-Riese mit seinem Ableger Distill Ventures von Anfang an mit im Boot gesessen. Dieses jedenfalls soll auch weiterhin von derselben Mannschaft auf Kurs gehalten werden.
Belsazar-Co-Founder Sebastian Brack sitzt entspannt zum Gespräch im MIXOLOGY-Büro, sein Partner und Mitbegründer Maximilian Wagner kommt am Telefon hinzu. Denn es gibt schließlich etwas zu besprechen. 
Lieber Sebastian, lieber Maximilian, der Verkauf von Belsazar an Diageo war definitiv die Nachricht der letzten Wochen. Eine mögliche Übernahme stand stets im Raum, da der Diageo-Ableger Distill Ventures ja bei Belsazar Vermouth mit involviert war. Wie hat sich die Sache konkret entwickelt und begründet?
Sebastian Brack: Genau, Distill Ventures war von Anfang an dabei. Und wir haben auch immer gesagt, dass das kein Geheimnis ist. Letztlich waren wir vor allem davon überrascht, wie schnell das jetzt am Ende doch ging. Ich denke, man hat bei Diageo einfach das zum jetzigen Zeitpunkt vorhandene Potential gesehen.
Was genau meinst Du damit?
Sebastian Brack: Belsazar Vermouth ist mittlerweile in einigen Märkten etabliert und präsent, hat sich gut entwickelt. Gleichzeitig hat Diageo bislang natürlich beim Thema Aperitif eine Lücke im Portfolio. So kam von Diageo die Anfrage nach dem Motto: „Die Entwicklung der Marke ist sehr positiv, sie ist auch sehr nachhaltig – warum sollen wir das nun nicht zusammen machen?“ Da war also kein Zwang, kein Drängen, eher die Frage nach Zusammenarbeit. Das ist ja schlussendlich das Ziel, wenn man mit Distill Ventures zusammenarbeitet: Dass man eines Tages in eines der größten Vertriebsnetzwerke der Branche einsteigen kann. Das ist ja ein ganz erheblicher Aspekt, ob man sich nun „craft“ nennt oder nicht…
… eine eigentlich tote Vokabel …
Sebastian Brack: Ja! Und wir sind jetzt eben Teil dieser besagten Strukturen. Das heißt nicht, dass sich an unserem Tagesgeschäft jetzt irgendwas ändern wird. Wir machen das zum ersten Mal, die machen das – in dem Segment –  auch zum ersten Mal. Das heißt, wir sind vor allem gespannt, wohin die Reise jetzt geht. Das Schöne ist daran: Es gibt ja keine klar definierten Regeln, wie so etwas nach der Übernahme abläuft. Wir haben damals Trial & Error gemacht, und werden es wahrscheinlich auch jetzt tun (lächelt).
Die offizielle Pressemitteilung sagt, dass Ihr beide weiter „an der Entwicklung“ der Marke mitarbeiten werdet, Ihr sagt, es bleibt für Euch prinzipiell alles beim Alten. Welche der beiden Aussagen stimmt eher?
Sebastian Brack: Tatsächlich alles nach dem Motto „Same, Same“ – wir machen für Belsazar genau das Gleiche, was wir bislang gemacht haben: produzieren, verkaufen, die Marke auf Messen repräsentieren und – vor allem! – mit den gleichen Leuten zusammenarbeiten, mit denen wir das Produkt schon vorher gemacht haben. Ich spreche deshalb eher von einer Integration als von einer Übernahme. Natürlich, Diageo hat 100% übernommen, das hätte ich an deren Stelle aber auch genauso gemacht. Aber: Sie sagen auch Integration, das ist eigentlich der zentrale Punkt.

»ANDERE HERSTELLER HABEN SICH VOLLKOMMEN SCHRÄGE STORYS AUSGEDACHT. WIR NICHT.« 

Wir sind ja noch keine große Marke. Das muss man, glaube ich, immer mal wieder betonen. Wir haben von Anfang an darauf gesetzt, in den hochwertigen Bars präsent zu sein, und da, denke ich, auch viel richtig gemacht. Die Leute, die wir erreichen wollten, haben das Produkt verstanden. Das hätte ja auch ganz anders laufen können. Du kannst ein gutes Produkt haben und nett zu den Leuten sein – und am Ende arbeiten sie doch nicht mit deinem Produkt. Vor vier Jahren hat in Deutschland noch niemand auf Wermut gesetzt, wir sehen jetzt langsam, dass das losgeht. Ist natürlich immer gut, bei einer Sache der Erste zu sein. Dennoch sind wir, um zum Ausgangspunkt zurückzukommen, eben noch immer vergleichsweise klein. Wir stehen in unserer eigenen Wahrnehmung jetzt bei ungefähr einem Drittel der Möglichkeiten. Wir sind jetzt in sieben, acht Märkten erhältlich. Von der neuen Kooperation versprechen sich beide Seiten, das nächste Drittel zu erreichen, die Idee von Belsazar Vermouth weiterzudenken und die Marke präsenter zu machen. Das ist auch mit einem großen Netzwerk kein Selbstläufer: Du musst dich trotzdem persönlich dahinterklemmen, mit den Leuten vor Ort in Kontakt treten, sonst geht das nicht, da hilft auch keine Infrastruktur. Das, dieser persönliche Kontakt, ist gerade deswegen so wichtig, weil man sich ja immer wieder in fremden Kulturen bewegt, die das Produkt anders wahrnehmen. Wenn wir beispielsweise jetzt mit einem deutschen Wermut versuchen, in Italien oder Spanien Fuß zu fassen, ist das natürlich auch immer ein kleines bisschen Provokation. Und was das letzte Drittel angeht: Das ist und bleibt dann ja bei aller Planung irgendwie immer ein bisschen „Glaskugel“.
Maximilian Wagner: Vor allem gibt es ja aber auch ganz natürliche Limitationen! Wein, gerade in spezifischen Qualitäten, ist nicht immer in Hülle und Fülle verfügbar. Wir können nicht von heute auf morgen verdrei- oder vervierfachen. Wenn also jemand denkt, dass wir aufgrund der neuen Situation die Produktion auf gewaltige Mengen ausweiten – das geht überhaupt gar nicht.

Sebastian Brack Belsazar Diageo

Belsazar-Mitgründer Sebastian Brack


Aus Sicht von Bartendern, die das Produkt täglich ihren Gästen servieren, ist nach dem Verkauf natürlich die Frage nach den künftigen Rahmenbedingungen zentral. Ihr beide, Max und Sebastian, seid weiterhin an Bord. Bleiben denn die Produkte die gleichen, bleibt der Produktionsstandort, die Partnerschaften mit den Winzern und mit Schladerer?
Maximilian Wagner: Ich denke, das Wesentliche ist zu verstehen: Was haben wir vor. Diageo hat meiner Meinung nach sehr gut verstanden, dass die Übernahme einer Marke eben gerade nicht bedeuten darf, eine Marke zu entwurzeln und aus dem Kontext zu reißen. Dass die Parameter bleiben, war integraler Bestandteil der Verhandlungen. Also, dass wir weiterhin gemeinsam mit Philipp Schladerer und auch vor Ort bei ihm im Schwarzwald mit unserem Team produzieren. Der Plan sieht ganz klar organisches Wachstum auf Basis von Erfahrung vor. Denn der vielleicht größte Unique Selling Point, den Belsazar Vermouth hat, ist eigentlich die Qualität, die gerade auch vom Wein kommt. Warum sollten wir also genau daran etwas ändern? Wir haben seit vier Jahren daran gearbeitet, in der Region und zu den dortigen Winzern ein enges Vertrauensverhältnis aufzubauen. Das gilt es zu nutzen, aber auch zu bewahren – wir sind an langfristigen Beziehungen interessiert und daran, dass auch unsere Partner die Gelegenheit haben, mit uns zu wachsen.
Sebastian Brack: Diese Verfügbarkeiten sind eben auch teil der organischen Entwicklung der Marke. Wir würden etwa den Rosé gern auf „Bio“ umstellen und sind auch schon nah dran. Nur: Wenn es die Rohstoffe nicht gibt, wird das nichts. Ich glaube, z.B. dieses Jahr gab es nicht einen Liter Biowein, den man auf dem freien Markt kaufen konnte. Die Winzer haben das, was sie erzeugt haben, behalten und damit gearbeitet, einfach weil die Mengen nicht gewaltig waren.

»WIR HABEN ZUM VERKAUF VON BELSAZAR BISLANG KEIN NEGATIVES FEEDBACK MITBEKOMMEN.«

Stichwort Wachstum: Gibt es für die mittelfristige Planung eine Fokussierung, d.h. spezielle Märkte, die in naher Zukunft klar für Belsazar Vermouth auf der Agenda stehen?
Sebastian Brack: Nein, nicht in der Form. Unsere beiden bislang stärksten Märkte sind Deutschland und Großbritannien. Daneben haben wir natürlich Erfahrungswerte aus anderen Ländern wie Dänemark, Schweden, den Niederlanden. Für die Zukunft gilt es jetzt eben, sich dort jeweils zu zeigen, mit den Menschen dort zu sprechen, auch mit den Vertriebsmitarbeitern in den jeweiligen Ländern zu sprechen, die die Umgebung und die Bedürfnisse kennen. Es ist also nicht so, dass es jetzt einen Schlachtplan gibt, der sagt: Da müssen wir in dieser oder jener bestimmten Zeit hin.
Maximilan Wagner: Es geht darum, dass man jetzt behutsam die nächsten Kapitel angeht, aber Schritt für Schritt.
Habt Ihr beiden in der kurzen Zeit seit Bekanntwerden des Verkaufs negatives Feedback mitbekommen, sei es direkt oder indirekt?
Maximilian Wagner: Nein.
Sebastian Brack: Ich glaube, weil wir eigentlich immer mit offenen Karten gespielt haben, ist die Sache jetzt keine so große Sensation. Es gab viel Feedback, klar. Aber tatsächlich kein negatives. Es ist doch so: Die Menschen, die uns und unsere Produkte kennen und schätzen, werden hoffentlich verstehen, dass die künftigen Entwicklungen eben kein Ausverkauf sein werden, sondern so, wie wir sie eben beschrieben haben. Und jene, die uns sowieso nicht mögen, die werden vielleicht nun die Gelegenheit nutzen, da auf uns anzulegen (lacht).
Maximilan Wagner: Vielleicht kommt da aber auch deshalb nichts Böses von außerhalb, weil wir eben nie mit einer schrägen Story an die Öffentlichkeit gegangen sind. Wir haben nie Sachen gesagt wie „Ja, wir haben da so ‘ne alte Rezeptur hinter ‘nem Mauerstein hervorgekramt und machen jetzt was ganz Besonderes.“ Wir haben keinen Bullshit erzählt. Ich glaube, was die Leute an der Marke von Anfang an mochten, war, dass wir einfach immer klar gesagt haben: Es ist, was es ist. Ohne Quatsch dazu. Gerade darum haben wir unsere bisherige Partnerschaft mit Distill Ventures eben auch nie verhehlt.
Letzte Frage: Wird das Kernportfolio von Belsazar so bestehen bleiben? Oder stehen zumindest dort die Zeichen auf Erweiterung, vielleicht auch im Hinblick darauf, dass Eure Wermuts als Teil von Diageos „Reserve Brands“ schon beim nächsten Finale der World Class im Rückbuffet stehen könnten?
Sebastian Brack: Das wäre natürlich toll, wenn wir da mit unserer kleinen Marke plötzlich stehen könnten. Obwohl man sich ebenfalls eingestehen muss, dass man natürlich auch innerhalb eines Portfolios ein wenig um Aufmerksamkeit konkurriert, da sind ja auch andere Brand-Owner, die im Zentrum stehen wollen, etwa Ketel One oder Bulleit.
Aber, um auf die Frage zurückzukommen: ja! Es werden zwei Qualitäten kommen. Einerseits legen wir die Riesling-Edition mit Weinen von Dr. Loosen noch einmal auf, allerdings sind die verwendeten Weine diesmal etwas anders. Und zu Weihnachten möchten wir gern die „Red“-Abfüllung mit Kaffee kombinieren und dort einen besonderen Anknüpfungspunkt bieten. Aufgrund des Feedbacks unserer Kunden, vor allem der Bartender, arbeiten wir aktuell ohnehin noch an feinen Nuancen der Rezeptur – da bietet sich natürlich das Experimentieren mit Kaffee an. Und da wir mit unserer Akzentuierung auf die Weine tatsächlich nur einmal im Jahr produzieren und anpassen können, ist mit März, April genau die richtige Saison dafür. Also genau jetzt!
Sebastian, Maximilian, wir danken Euch herzlich für das Gespräch!

Credits

Foto: Belsazar

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