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Ernst Wallner Schakal Brenner

Der Brenner spricht: Ernst Wallner

Der mit dem Schakal tanzt: Ernst Wallner hat sich als Quereinsteiger mit seiner Golser Dorfbrennerei einen Namen gemacht. Warum sein Einstieg in die Welt der Brände aber eher an einen dicken Gallier erinnert, erzählt der Österreicher in einer neuen Folge unserer Serie „Der Brenner spricht“.
Es mag Wiener Bartender geben, die von Ernst Wallner noch nichts gehört haben. Das liegt nicht daran, dass der Golser das Feld quasi vom östlichen Rand her aufrollt. Doch statt exzessive Verkaufsreden zu halten oder sich bei Messen die Füße in den Bauch zu stehen, geht der 34-Jährige lieber in seine Brennerei – und arbeitet an Neuheiten wie dem „Lemon Moonshine“. Dabei bedienen vor allem seine Bio-Destillate eine gefragte Nische. Warum er mit seinen Bränden dennoch lieber kleinere Schritte macht, erklärt der Mann aus dem Seewinkel ganz bescheiden mit einem Blick in die Familiengeschichte. Die Erinnerung an die Zeit, als Brennkessel noch Vornamen hatten, macht ihn heute noch demütig und dankbar zugleich.
MIXOLOGY ONLINE: „Dorfbrennerei“ klingt recht ehrwürdig, so alt ist Dein Unternehmen aber noch nicht, oder?
Ernst Wallner: Der Name entstand durch die Verkettung mehrerer Umstände. Zwischen den Jahren 2006 und 2008 war ich viel reisender Techniker, die Destillation betrieb ich mehr oder weniger nur als Hobby. Da schon damals den Leuten meine Brände schmeckten, motivierten sie mich aber, daraus mehr zu machen. Ich brauchte also eine Homepage. Da der Name Wallner für Destillate noch zu unbekannt war und außerdem die Domain wallner.at vergriffen war, musste ein anderer Name her. Wie es der Zufall wollte, führte mich einer meiner letzten Auslandsjobs nach Deutschland in ein kleines verschlafenes Dorf. Hier gab es nicht viel, lediglich ein Wirtshaus mit dem Namen „Dorfschenke“. Jeden Abend während meiner Zeit dort war die Schenke aber voll und die Leute haben sich sichtlich wohl gefühlt. Die Überlegung war dann einfach: Meine Brennerei ist mitten im Dorf und auch ich will einen Ort, wo sich meine Gäste wohlfühlen. Daraus folgte der Name Dorfbrennerei.

»Ich konnte schon als Sechsjähriger das Geistrohr richtig montieren.«

MIXOLOGY ONLINE: Wie kam es zur Faszination der Fruchtbrennerei?
Ernst Wallner: Um die Frage zu beantworten, muss ich ein wenig ausholen. Meine Familie betrieb seit jeher eine kleine gemischte Landwirtschaft mit Ackerbau und Weinbau im Nebenerwerb. Doch durch den frühen Tod meines Vaters (ich war damals 18 Monate alt) und das frühe Ableben meiner beiden Großväter gab es einen Generationsstillstand auf der männlichen Seite. Und was das heißt, brauche ich nicht näher erläutern. Unsere Landwirtschaft war damals, vor 36 Jahren, ca. zwei Hektar groß. Mit so einer Größe kann man alleine nicht existieren. Mein Vater, der aus dem Südburgenland kam und im Garten viele Obstbäume vorfand, hatte mit meiner Mutter die grenzgeniale Idee gehabt, einen Brennkessel anzuschaffen. Beide hatten vom Brennen damals keine Ahnung. Doch in der Not lernt man schnell, und schon bald waren wir ein Insidertipp für Lohndestillation. Meine Mutter hat damals Tag und Nacht destilliert. Dieser Kessel war aus heutiger Sicht für meine Familie existenzentscheidend!
Ich hatte eine tolle Kindheit. Ich konnte mich frei entwickeln und entfalten. Der Brennkessel – „Werner 1“ – und Papas Werkzeugkiste wurden meine besten Freunde. Ich fand schon damals das Destillieren faszinierend, so nach dem Motto „Feuer, Wasser, Zauberei“. Gleichzeitig war ich viel in der Natur und lernte mir viele Fähigkeiten an, welche mir bis heute nützen. Ich glaube, mir ging es wie Obelix, der in den Braukessel fiel als Kind, nur wurde ich wurde vom Brennereivirus infiziert. Ich konnte schon als Sechsjähriger das Geistrohr richtig montieren und zeigte fünfzigjährigen Männern, wie das Brennen funktioniert. Unterm Strich gesagt: Brennen ist für mich nicht nur ein solides Handwerk oder die Kunst, Tolles zu schaffen. Es ist für mich viel mehr, nämlich der Respekt und die Dankbarkeit gegenüber der Sache selbst, das zu machen, was mir Spaß macht, was es mir gibt und was ich mit anderen teilen kann!
MIXOLOGY ONLINE: Und wann war für Dich klar, dass es „bio“ sein müsste? Ist das beim Brennen nicht zweitrangig?
Ernst Wallner: Ich bin aus Sicht meiner beruflichen Laufbahn Quereinsteiger. Eigentlich war ich ja Techniker, Werkstoffingenieur, und hatte vom Start an noch keine landwirtschaftliche Ausbildung. Ich habe seit 2006 angefangen, meine Landwirtschaft, Obstbau und Weinbau zu revitalisieren und pflanzte eine Vielzahl an Obstbäumen und Obstgehölzen. In den Anfängen stand ich mit dem Obstlehrbuch vorm Baum. Die Überlegung zu bio war und ist nie geschäftlicher Natur. Der eigentliche Grund: Ich will mich beim „Spritzen“ (Pflanzenschutz) nicht selbst vergiften! Zur Frage, ob bio beim Brennen nicht zweitrangig ist: Ja und nein. Die Qualität der Früchte ist für das fertige Produkt entscheidend. Nur weil der Apfel optisch schön ist, ist das kein Garant für ein tolles Destillat. Ich habe in meinem Produkt-Portfolio ja auch konventionelle Destillate. Durch genaue Produktionsaufzeichnungen des Produktkreislaufes kann ich neben bio auch solche Produkte anbieten. Manche Rohstoffe sind bio–zertifiziert ja nicht erhältlich. Hier ist der entscheidende Punkt für meine Lieferanten der gänzliche Verzicht auf synthetische Spritzmittel. Denn was solche Mittel anrichten, brauche ich nicht näher erläutern.

»Den klassischen Wallner-Kunden gibt es nicht.«

MIXOLOGY ONLINE: Im großen Maßstab wird im Burgenland eher im Süden destilliert, Du sitzt mitten in einem der größten Weinorte – wie reagieren die Winzer auf einen Brenner?
Ernst Wallner: Wer mich kennt, weiß, ich bin ein Querdenker! Man muss seine Stärken und Schwächen kennen und das Beste daraus machen. Aus diesem Grund war für mich klar, hier gehört eine Brennerei her. Die Dorfbrennerei ist für die Golser sowie deren Gäste eine tolle Bereicherung. Ich habe zu vielen Winzern über die Jahre ein freundschaftliches Verhältnis aufgebaut und bin selbst Weinbauverein-Mitglied. Man lernt von einander und hilft sich gegenseitig.
MIXOLOGY ONLINE: Wer ist der klassische Wallner-Kunde?
Ernst Wallner: Den klassischen Wallner-Kunden gibt es nicht! Meine Kunden sind quer auf alle Alters- und Einkommensschichten verteilt. Natürlich haben meine Produkte ihren Preis. Dennoch habe ich es seit über 12 Jahren geschafft, Destillate mit einem tollen Preis–Leistungs-Verhältnis zu produzieren. Das schätzen und lieben meine Kunden.
MIXOLOGY ONLINE: Erreicht man über die Gastronomie die Leute überhaupt noch mit außergewöhnlichen Bränden?
Ernst Wallner: Gerade in der Gastronomie ist das Streben nach Neuem und Außergewöhnlichen größer als je zuvor. Es wird Lifestyle zelebriert und dieser voll ausgelebt. Wer hier erfolgreich ist, schafft es auch in die Wohnzimmerbars dieser Welt.

»Man kann sehr schnell wachsen, aber noch viel schneller fallen…«

MIXOLOGY ONLINE: Export ist ein Thema bei Dir – immerhin liegt Ungarn sehr nahe – oder trinken die Österreicher alles weg?
Ernst Wallner: Mein oberstes Credo heißt: Qualität geht vor. Meine Destillate sind handwerklich hergestellte Naturprodukte. Die kommen nicht aus der Wasserleitung, ihre Herstellung braucht Zeit und viel Geduld. Man kann sehr schnell wachsen, aber noch viel schneller fallen. Deshalb sind alle meine Schritte wohl überlegt. Wallner-Destillate gibt es schon seit einigen Jahren in England (London), mit Mitte 2018 wird es sie auch in einigen deutschen Großstädten geben. Ungarn und die Slowakei sind nahe liegend, jedoch ist hier die Markteinführung erst mit Herbst 2019 geplant.
Ernst Wallner
MIXOLOGY ONLINE: Dein neues Steckenpferd scheinen die internationalen Spirituosen zu sein. Nach dem Neptun Gin jetzt der Pannonische Rum. Folgt das einer Nachfrage oder reizte Dich das einfach?
Ernst Wallner: Beides! Mir ist es gelungen, binnen zwei Jahren drei eigenständige Produkte mit einem nach obenhin offenen Marktwert zu erschaffen. Ich setze mich mit jedem meiner Produkte intensiv auseinander. Man kann sagen, ich lerne von jedem meiner Produkte. Mit dem Wissen erschaffe ich Destillate, die nicht nur kurzzeitig einem Trend folgen, sondern sich langfristig am Markt etablieren. Am Beispiel „Neptun Gin“: Hier war nicht die Frage, wie mache ich Gin. Die wichtigere Frage war: Was soll er können? Mir war das Wichtigste, dass er schon beim ersten Schluck das Verlangen nach „mehr“ auslösen muss. Er soll neben dem puren Gin-Genuss auch als Teamplayer erfrischen und zu einer Vielzahl der handelsüblichen Tonics passen. Die Kombination sollte drei Hauptgeschmacksrichtungen abdecken können, so dass du mit Neptun Gin die Wahl hast, ob du das Gin & Tonic fruchtig, herb oder lieblich willst. Ich kenne mittlerweile eine Reihe von tollen „Pur-Gins“. Pur sind sie sensationell. Gib ihnen jedoch ein paar Tropfen Tonic hinzu, und dein Trinkgenuss wird zur harten Arbeit. Beim Neptun Gin ist es das krasse Gegenteil.

»Der Schakal ist ein außergewöhnlicher Whisky.«

MIXOLOGY ONLINE: Wie ist die Zusammenarbeit mit den Bars, jetzt abseits von Deinem Hausdrink „Panncoke“?
Ernst Wallner: Es hat schon Tradition, dass jährlich die Bar-Teams meiner Kunden zu mir in die Brennerei auf Besuch kommen. In gemütlicher Atmosphäre gibt es einen gegenseitigen Wissensaustausch und man lernt voneinander.
MIXOLOGY ONLINE: Kommt als nächstes der Golser Whisky, oder was würde Dich noch reizen?
Ernst Wallner: Insider wissen, das ich schon seit 2009 Whisky mache. Der heißt „Schakal“ und wird in Kleinststückzahlen produziert. Der „Schakal“ ist ein außergewöhnlicher Whisky, welcher im Maulbeerfass nach drei Jahren seine Reife erlangt, als Rohstoffe dienen ausschließlich Mais (65%) und Gerste (35%), die auf den pannonischen Feldern gedeihen. Der Whisky ist süß und dennoch würzig mild. Damit noch mehr Leute in den Genuss des „Schakal“ kommen, werde ich auch hier die Produktion steigern.
MIXOLOGY ONLINE: Und wenn Du nur ein Destillat erzeugen dürftest, was wäre das?
Ernst Wallner: Das ist, wie wenn man mich fragen würde, welches meiner drei Kinder ich weggeben soll. Wenn ich einer solchen Zensur unterliege, würde ich sofort aufhören, legal Alkohol zu produzieren!
MIXOLOGY ONLINE: Von welchen Bränden gibt es Deiner Meinung nach zu viel am Markt?
Ernst Wallner: Sicher nicht von meinen! Gute Brände werden rasch getrunken, und ich muss bei meinen Bränden ständig für Nachschub sorgen (lacht).

MIXOLOGY ONLINE: Lieber Ernst, vielen Dank für das Interview.

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Weitere Interviews aus der Serie „Die Brenner:innen sprechen“:

Lorenz Humbel – Spezialitätenbrennerei Humbel

Katharina Zott – Destillerie Zott

Josef Farthofer – Destillerie Farthofer

Robert Birnecker – Koval

Florian und Johannes Kuenz – Kuenz Naturbrennerei

Jasmin Haider-Stadler – Destillerie Haider

Florian Faude – Faude feine Brände

Hermann Rogner – Destillerie Rogner

Ernst Wallner – Dorfbrennerei Ernst Wallner

Hans Reisetbauer – Reisetbauer Qualitätsbrennerei

Harald Keckeis – Destillerie Keckeis

Hans Erismann – Brennerei Destillerie Erismann

Gerald Schroff – Michelberger X Preussische Spirituosen Manufaktur

Felix Kaltenthaler – Destille Kaltenthaler, Kernstein

Reto Meier – Distillery Studer

Credits

Foto: Dorfbrennerei.at

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