TOP

VOLLE CRAFT ZURÜCK – MAINE VERBIETET BARREL AGING UND INFUSIONEN

Sehr zum Nachteil der Bar-Szene orientiert sich der östlichste Bundesstaat der USA, als einziger offiziell zweisprachig, an gestrigen Gesetzen aus der Zeit der Post-Prohibition.Und verbietet etwa Infusionen oder Fasslagerung.Der US-Bundesstaat Maine war schon immer anders. Im Fall der Antisklavenbewegung war das gut. Im Falle aktueller Gesetzesinterpretationen weniger.

Es sind keine neuen Gesetze, die den Portlander Barbesitzer Andrew Volk daran hindern, seine Cocktails so zuzubereiten, wie sie ihm gefallen. So, wie er sich das bei seiner Eröffnung seiner Bar Portland Hunt & Alpine Club vor drei Jahren gedacht hatte. Es sind ganz alte.

Maine sei damals nicht gerade bekannt für sein aufregendes Barleben gewesen, so Andrew. Für kleinere Brauer sei der kleine Bundesstaat immer ein guter Ort gewesen, aber mit Destillaten und Cocktails habe es eigentlich erst begonnen, nachdem seine Bar eröffnet hat. Erst mit der Zeit fingen die Leute dann an, sich für sogenannte „Craft Cocktails“ zu interessieren. Ist aber nicht jeder Cocktail irgendwie „craft“, so man keinen Pina Colada aus dem Supermarkt ausgießt? Doch. Mit der Betonung auf das Handgemachte am Drink wird allerdings nochmals eine Aussage über die besondere Behandlung einzelner Zutaten des Cocktails gemacht. So können Spirituosen beispielsweise mit Fett, Kräutern oder Früchten versetzt, oder auch in ausgewählten Fässern nachgelagert werden. Könnten!

Konfusion um Infusion

Hätte das Bureau of Alcoholic Beverages and Lottery Operations (BABLO) des Department of Administrative and Financial Services Maine da nicht jüngst ein Memo durch die Gastro-Garde geschickt.  Sie trägt den Titel „Infusion“ und beginnt mit folgendem Satz

„There seems to be confusion in the marketplace relative to infusion and what constitutes an acceptable use of beer, wine and spirits in the preparation, mixing and blending of alcoholic beverages, fruits, herbs, and other nonalcoholic beverages to make “infusions’ which are served on premise as cocktails.“

Allerdings! Andrew nennt es ein „needlessly complicated system“, welches im Falle der Mainer Behörden mit einer „willfull ignorance of current standard business practices when it comes to preparing and mixing drinks“ einhergeht. Das klingt nach dem dunkelsten Albtraum eines jeden Barbesitzers.

BABLO versus Bartender

Nun aber nochmals von vorn. Maine ist einer von 18 US-Staaten, in denen die Verteilung von alkoholischen Getränken staatlich geregelt ist. Dieses Monopol entstand mit der Aufhebung der Prohibition, als jeder Staat selbst zu entscheiden hatte, welche Gesetze zur Verteilung von Alkohol fallen und welche erlassen werden sollen. Diese historischen Scharniere von legislativen Neuformulierungen können Befreiungsschläge sein. Oder eben Fußketten.

In Maine ist jedenfalls das BABLO verantwortlich für die Verteilung von alkoholischen Getränken an lizensierte Händler und die ordnungsgemäße Umsetzung staatlich erhobener Gesetze. Wie die meisten Gesetze hat auch dieses System seine Vor- und Nachteile. Für die Seite der Bartender sind es vor allem Nachteile. Andrew bekommt für Großbestellungen nicht einmal Preisnachlass und bezahlt so genauso viel für Alkohol wie jeder Schnapsladen-Kunde auch. Der Schnapsladen-Inhaber allerdings kann sich über staatlich gesetzte Preise freuen und muss keine Angst vor Preisinflationen seitens konkurrierender Onlineshops und Rabattaktionen haben. Das wäre der Traum für jeden Spirituosenladen in der Berliner Stadtmitte – wo Kunden sich beraten lassen, das Wunschprodukt einem Preisvergleich im Netz unterziehen und dann bei der günstigsten Adresse bestellen.

Nicht so in Maine. Hier entscheidet das BABLO ohne jedwede Beratung seitens der Industrie, wie Vorschriften zu interpretieren sind, wo Spielraum gelassen und wo strikt kontrolliert wird. Die Regeln selbst stellt das Tax and Trade Bureau (TTB) und der Internal Revenue Service (IRS) auf. Nun sind jene Statuten ob der Weiterverarbeitung von Spirituosen nicht neu, allerdings wurden sie nicht eindeutig kommuniziert und auf ebenso vieldeutige Weise kontrolliert. Erst die neue Welle von Bars, die sich mit „Craft Drinks“ auseinandersetzen, brachte das BABLO-Personal dazu, nochmals genauer hinzusehen. Dies ohne Ratgeber aus der Branche, ohne Interpretationsspielraum oder Seitenblicke, wie andere Staaten mit jenen Fragen umgehen.  Für Andrews Geschmack eine völlig übertriebene Dienstbeflissenheit. Nun, es ist immer schwierig, wenn jemand, der alleinig Ahnung von (der Umsetzung von) Gesetzen hat, selbige für eine Branche auslegt, deren Praktiken ihm fremd sind.  Das wäre, als würde ein EDV-Sachbearbeiter einem Cocktail-Journalisten eine Datenbank mit den wichtigsten Spirituosen und ihren Dispositionen im Drink erstellen müssen. Bitte nicht.

Nach der Prohibition ist mittendrin

Zurück zum besagten, durch BABLO versandten Memo. Selbstverständlich ist dieses übersät von Paragraphen, Abkürzungen und Verweisen, von denen man nicht weiß, ob es überhaupt eine Person gibt, die all dies verstehen kann, ohne einen Arbeitskreis mit vier anderen Verwaltungsleitungen zu bilden. Aber lassen wir das. Der Punkt ist nämlich folgender:

„The rectifying, blending, or mixing of spirits in advance of sale or service is prohibited. A licensee may not blend or make a “house blend” of spirituous only product by combining multiple spirits in advance or in anticipation of expected sales.“

Das ist ein zwar Jammer, würde den meisten Bars jedoch nicht das Genick brechen – gibt es in der Regel genügend industriell produzierte Blends, mit denen sich eine Bar ausstatten ließe. Dennoch bleibt fraglich, ob es in Maine keine wichtigeren Dinge zu beschließen gibt, als dass Bartender keinen Jameson mit einem Laphroaig zusammen kippen dürfen. Es wird aber noch besser: „The use of distilled spirits with fruits, herbs, agricultural products and other nonalcoholic ingredients to make “infusions” which are served as cocktails will be permitted for immediate consumption only. The bottling of spirits, aging of spirits in barrels, heating spirits and refilling liquor bottles is still expressly prohibited.“

Und das geht nun doch in Richtung Genickbruch, zumindest einer Fraktur. Keine Früchte, keine Kräuter und auch sonst nichts im Drink, wenn er auf irgendeine Weise damit angesetzt, gelagert oder abgefüllt wird. Da kann man über eine Gurkenscheibe im Gin Tonic ja fast dankbar sein!

Adieu, Negronifass

Für Andrew und seinen Portland Hunt & Alpine Club hat das einige Konsequenzen; vieles wurde schon geändert, manches wird noch immer ausgehandelt. Ein Beispiel, bei dem ihm noch immer das Herz blutet, ist der Negroni. Vor einigen Jahren war es noch erlaubt – oder besser gesagt, „at least not forbidden“ – 20 Liter Negroni in ein gebrauchtes Bourbon-Fass eines befreundeten Brennmeisters zu füllen, und ihn darin für 5-6 Wochen reifen zu lassen. Diesen habe er seinen Gästen dann oftmals neben einem ungereiften Negroni serviert, um die Unterschiede besser schmackhaft zu machen. Den Gästen habe das gefallen – BABLO verbietet es nun ausdrücklich.

Trotzdem bekommen nur eine Handvoll Leute mit, was in Maine gerade passiert, so Andrew. Mit anderen Bartendern versucht er, mehr Öffentlichkeit und Bewusstsein für die nun eingeschränkten Praktiken des Bartenders zu erreichen und arbeitet mit Anwälten sowie Gesetzgebern, um diese ein-, ja zurückzufordern. Dem fassgereiften Negroni wäre das zu wünschen!

Credits

Foto: Maine & Fass & Schild via Shutterstock. Postproduktion: Tim Klöcker.

Kommentieren