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Whiskyherbst 2015

Es muss nicht immer das große, malzige Stirnrunzeln sein: Der Besuch beim Berliner Whiskyherbst veranlasst unsere Autorin nicht nur zu einem Nachbericht. Die Messe in der Hauptstadt zeigt, dass es möglich ist, sich dem Thema Whisky fundiert und seriös, aber ohne verkniffenen Ernst zu nähern. Juliane Reichert mit ein Loblied.
Erstmalig hielt der Whiskyherbst im Jahre 2000 Einzug in Berlin. Frank Ewald, Werner Hertwig und Ursula Kierzek waren damals gemeinsam auf der Frankfurter Interwhisky und wussten auf die Frage, weshalb es Vergleichbares in Berlin nicht gäbe, keine Erklärung. Und auch nach dem 16. Whiskyherbst gäbe es darauf keine vernünftige Antwort.

 Im Gegenteil – es gibt viele Gründe für noch viele weitere Jahre. Um die 3000 Fachbesucher und an Whisky Interessierte trieb es in diesem Jahr an die Stände der rund 30 Aussteller, deren Zahl in diesem Jahr ihre Höchstzahl erreicht hat. Und es geht den Veranstaltern nicht darum, Besucherzahlen in die Höhe zu treiben: „Klasse statt Masse“, so lautet Kierzeks Credo. All den Klassen jedoch genug Raum zum Schmecken zu geben, dafür ist auf dem Gelände der Malzfabrik gesorgt. An vier verschiedenen Plätzen finden die Tastings statt, eine Halle sorgt für die regenfeste Variante für all jene Stände, denen der Innenhof samt Backsteinkulisse bei sonnigem Wetter großzügig Raum bietet. Das Wetter war zum Großteil schön und man könnte nun berichten, dass die Blutwurstbrote lecker waren, der Whisky auch, Dirk Becker informativ und die Stimmung gut.

Zwischen Quarter Cask und Cairdeas

Das ist alles richtig, aber zu berichten irgendwie auch langweilig. Vielleicht kann ein Bericht manchmal aber auch ein Plädoyer sein. Ein Plädoyer für ein schlichtweg schönes Fest. Denn tatsächlich hat auf dem Whiskyherbst derjenige nichts verloren, der nach gerstehaltigen Grenzerfahrungen sucht; nicht der, der auf Ausschreitung aus ist und auch nicht, wer die Schottland-Reise sparen wollte und nun am Südkreuz nach Substitution sucht. Denn das wäre eine ziemliche Enttäuschung.

Grenzwertig ist nicht einmal Kierzeks Geduld, mit der sie am Samstag auch noch kurz vor Schluss schwankende Schottenröcke bedient, die aber auch gar nicht ausschreiten und lediglich ausgeschenkt bekommen wollen. „Also einen Laphroaig Quarter Cask können’se echt überall trinken, jetzt probier’n’se halt mal was neues!“ – „Hans, haste noch?“ – Hans wühlt in seinem Lederbeutelchen und schiebt Kierzek seine letzten Münzen durch die Lahproaigs. „Suchen’se sich wat schönet aus.“ Den Namen der Abfüllung kann Hans nicht verstehen, weil die Dudelsäcke ihren letzten Marsch beschreiten und auch die Ohrmuscheln ins Schwanken bringen, während die Visage in schottischen Mash Tuns zu schwelgen anhebt.

Und vielleicht ist genau das einer der vielen Gründe, warum der Berliner Whiskyherbst seine Daseinsberechtigung bis heute nicht verloren hat. Es ist eng. Der Dudelsack dämpft die Dosis noch vorhandener Nerven. Und Dirk Becker sagt das Selbe wie sonst auch meistens. Und das ist auch gar nicht so schlecht. Weil nicht jeder, der gerne Whisky trinkt, direkt zur Interwhisky fährt. Weil nicht jeder, der Laphroaigs Zehnjährigen mag, sich auf direktem Weg in Horst Lünings Whiskyforum die Festival-Abfüllung von 2013 zu ersteigern überlegt. Und weil eine „Rum-Weltreise“ auch nach Jahren noch über Bolivien, Guatemala, Kuba und Venezuela führt. In Edinburgh führen die Dudelsäcke aus dem Hollyrood Park selbst bis in die Altstadt, wieso also nicht auch auf den Whiskyherbst in der Malzfabrik?

Im Glencairn vereint: Cashmere, Kilt und Killers-Shirt

Whisky war noch nie ein Getränk der Bourgeoisie, gleichwohl Man(n) sich heute im getäfelten Herrenzimmer bei Caol Ila und Cohiba gern so fühlt. Bekanntermaßen kostet Whisky nunmal etwas. Das aber nicht, um dem Besuch auf möglichst geschmackvolle Weise zu beweisen, dass in den Bauch gebührlich investiert wurde. Sondern weil er ein paar Augenblicke und eine Menge Arbeit kostet. Wer nicht weiß, wofür, stellt sich nicht bei Regenwetter ins Torfmoor und hackt darauf ein, denn das macht auch sogar mit modernen Maschinen keinem Menschen Spaß. Mit Prestige-Narzissen und Profil-Neurotikern lässt sich wundervoll Geld verdienen: sie unterhalten Gerstenmarkt und Geschlechterforschung gleichermaßen. Und irgendwie macht die Gentlemanie ja auch Spaß. Aber es sind Trios wie Ewald, Hertwig und Kierzek, die dafür sorgen, dass Whisky genau dort landet, wo er soll – auf Zungen, denen es einfach schmeckt.

Und ob diese Zunge Cashmere, Kilt oder ein Killers-Shirt drunter trägt, ist dabei ziemlich egal. Was ein Kiln ist, wissen sie trotzdem alle. Wessen Herz nämlich nicht wirklich und wahrhaft für Whisky schlägt, der holt sich eher einen Ikea-Hot Dog von nebenan, als den Malz-Aufstrich „aus dem Sagen-Harz“ zu probieren. Der drückt sich nicht an Thomas Skowroneks „Anam n h-Alba“-Stand herum, um zu überschlagen, wie viele Familienurlaube man ausfallen lassen müsste, um direkt ein eigenes Einzelfass zu erstehen. Und man ließe den schwäbischen „Finch“-Stand nicht unbeschmiert zurück — Whisky aus Schwaben! Und der Berliner schätzt es trotzdem. Das muss man sich erst einmal auf der Zunge zergehen lassen.

Offen sein für Neues sein und einfach so bleiben

Und wenn eine Veranstaltung über die Jahre so gut läuft, gibt es auch keinen Grund, sie zu verändern. Außer etwa, den Gästen wird es auf dem Innenhof des Rathauses, sowie später auch auf dem Gelände der Freiheit 15, und man entschließt sich, neue Herausforderungen anzunehmen – wie etwa die Malzfabrik. Nicht etwa, weil man sich zerstreiten würde, wie das sich über Jahre aufrecht haltende Gemunkel nahe legt. „Wir haben uns nicht getrennt, gestritten oder sonst etwas. Wir arbeiten sehr gut zusammen. Dieses Gerücht kam auch bei mir an,“ räumt Kierzek selbiges beiseite. Vielleicht darf es das also einfach auch einmal geben. Ein funktionierendes, vielfach gefeiertes Fest, das Fach- und Frön-Klientel gleichermaßen vereint und damit stattfinden lässt, was selten gelingt: gemeinsames Genießen, bei dem Trinken, Tönespucken und Torkeln gleichermaßen erlaubt sind.

Credits

Foto: Herbstwald & Whisky via Shutterstock. Postproduktion: Tim Klöcker.

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