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Wolf's farmacy münchen

Wolf’s Farmacy und die Soda-Fontäne

Soda Fountain Bars waren soziale Orte in alten, amerikanischen Drugstores. Das Wolf’s Farmacy in München hat sich diesen Mythos zum Vorbild genommen.Die nach „Zum Wolf“ und „Little Wolf“ dritte Bar von Corinna und Wolfgang Götz setzt auf Egg-Cream Sodas, Limonaden und einen Bourbon-Schwerpunkt. Her mit der Getränkekarte!

Mit Bars ist es manchmal wie in der Mode – regelmäßig wird sich in der historischen Fundgrube bedient. Wo jedoch die Mode längst ein „anything goes“ zulässt, gerät in der Barwelt manches nach wie vor schnell dogmatisch: Nicht selten wirken Speakeasy und andere historische Konzepte auf den Gast wie der Campanile-Nachbau im „Venetian Hotel“ in Las Vegas: Was auf den ersten Blick noch als sakrale Architektur beeindruckt, entpuppt sich bald als nerviges Zeitmaschinen-Cosplay, in dem oberlehrerhafte Steampunk-Bedienstete einen vom Feiern und Fotografieren abhalten wollen. Eine wirklich zeitlose Bar kann und muss dagegen auch ohne museale Note überzeugen.

München und seine neue Quelle: das Wolf’s Farmacy

Das neue Allday-Konzept „Wolf’s Farmacy“ im Münchener Gärtnerplatzviertel, derzeit im Preopening-Modus, könnte sich auch mit seiner klaren geschichtlichen Anleihe zu solch einer entwickeln. Hier setzt man auf eine gastronomische Idee, die um 1880 in den Vereinigten Staaten aufkam und um den Zweiten Weltkrieg herum ihren Höhepunkt erreichte. Die Rede ist von „Soda Fountain Bars“ – einer Einrichtung, die man häufig in amerikanischen Drugstores fand, in welcher mit Sodasprudel versetzte Milchshakes, Limonaden und – zumindest vor der Prohibition – auch Kokain und Opiate gereicht wurden.

Man kann sich denken, dass solche Orte auch als soziale Zentren fungierten, in denen der Bart gestutzt, Aspirin gekauft und Zeitung gelesen wurde. Diesen Flair eines heterotypen und atmosphärischen Begegnungsortes, in dem Getränke, Generika und Geschichten ober- wie unterhalb des Tresens gehandelt werden, hat das Team um Corinna und Wolfgang Goetz optisch überzeugend umgesetzt. Angenehmes Grün an den Wänden, ausgesuchte Requisiten aus den 1940er Jahren, immer authentisch, nie kitschig – das weckt Interesse am kulinarischen Konzept. Her mit der Getränkekarte!

Hochwertiger Readymix in Wolf’s Farmacy

Hier finden sich neben den genannten Hausmacherlimonaden auf Sirupbasis (z.B: Brombeere, Ingwer und Ahorn) auch die typischen Egg-Cream Sodas, die weder mit Ei noch mit Sahne, dafür mit Eis, Sirup und – wer hätte das gedacht – mit Soda zu tun haben.

Wem dies auf Dauer zu eintönig wird, kann natürlich zum Alkohol greifen. Hier versteht sich Wolf’s Farmacy indes nicht als klassische Cocktailbar, sondern eher als hochwertiges Readymix-Konzept. Heißt: Hier werden Drinks nicht frisch zubereitet, sondern als ausgewählte Vorabfüllungen angeboten, die in traditionellen Holzfässern an der Barrückwand gelagert werden. Mit Vieux Carré, Rusty Nail, Remember the Maine und anderen Klassikern hat man auch hier Wert auf historische Stringenz gelegt. Anfangs noch etwas kräftig, werden die Drinks durch die Lagerung harmonischer – der Bourbon-Schwerpunkt (hier hauptsächlich Knob Creek und Maker’s Mark), für den Wolfgang Götz ja mittlerweile in München bekannt ist, bleibt jedoch durchweg erkennbar. Nebenher finden auch elegantere Versionen mit Cognac und Wermut ihren Weg in die Fässer (by the way: Die Barrel-Drinks lassen sich auch hervorragend mit Champagner aufgießen).

Der Barbier von München

Bis zum endgültigen Opening im März verspricht der erfahrene Wolf’s Farmacy-Barchef John Hofmann, die vorhandenen Mixturen und Sirups noch weiter zu veredeln. Kleiner Tipp: Mit einer größeren Auswahl an Wermut und Whiskey ließe sich die Geschmackslandschaft tatsächlich weiter variieren. Und ob die auf das Ambiente zugeschnittene Bluesmusik tatsächlich für die bestmögliche Stimmung sorgt, und nicht etwa ein beherzter Stilbruch aus Hiphop oder Elektronika besser geeignet wäre, muss abgewartet werden.

Ein Detail jedoch macht bereits jetzt gute Laune, und ist recht günstig obendrein: Wie in einem echten Drugstore schaut jeden Samstag ein echter Barbier nach dem Rechten und sorgt im Hintergrund des Lokals für akkurat gestutzte Bärte und Frisuren. Und der mitgebrachte Anhang, der sich weder für Bartöl noch für Bourbon interessiert, kann am Tresen unbehelligt einen ausgezeichneten Milchshake genießen.

Credits

Foto: Shutterstock

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