TOP
Nick Strangeway London Essence

„Man sollte die Hintergründe kennen, bevor man sie im Drink verbaut.“

Für die Filler Selection der London Essence Company war Nick Strangeway federführend in der Entwicklung. Im Interview erzählt das Bar-Urgestein, wie es zu der Kooperation kam, was einem ein gutes Tonic lehren kann und worauf Bartender seiner Generation achten.
Oftmals werden Bartender nach ihren qualifizierten Ratschlägen zur Produktentwicklung gefragt, leider weniger oft erreicht das Produkt selbst dann auch das vom Bartender in der Entwicklungsphase anvisierte Prädikat. Das sollte sich ändern, befand die London Essence Company, die bei der Herstellung ihrer neu auf den Markt gebrachten Filler Selection Branchenkenner und Bartender-Urgestein Nick Strangeway mit ins Boot hievte.

Hello, my Name is Dr. Nick Strangeway – introducing London Essence

Herausgekommen ist eine breite Produktpalette an unterschiedlichen Tonic Waters, abgestimmt auf den jeweiligen Gin, sowie ein Ginger Ale, das in Erinnerung bleibt. So sind vor allem die feinperlige Karbonisierung und die leichte Botanical-Note zu verspüren. Kein Zucker, dafür Fructose und Stevia machen das Tonic zu einer wahren Innovation. Wir trafen Nick Strangeway am Rande seines Workshops in Berlin zum Gespräch.
MIXOLOGY ONLINE: Worin lag Ihre Motivation, mit der London Essence Company zusammen zu arbeiten und ein neues Tonic zu entwerfen?
Nick Strangeway: Es waren einfach die Mitarbeiter des Unternehmens, die mir direkt das richtige Gefühl gaben. Da war Hingabe zum Produkt zu spüren und – so absurd es klingt – sie haben mir zugehört. Oftmals fragen dich die großen Hersteller nach einer Meinung, hören dir aber gar nicht zu. Hier war das anders. Wir ergänzten uns im Entstehungsprozess, es gab Rückfragen, so dass ich schlussendlich auch wirklich guten Gewissens hinter dem Produkt stehen kann.
MIXOLOGY ONLINE: Deuten Sie an, dass es in der Zusammenarbeit zwischen Barschaffenden und der Spirituosenwelt heute ein getrübtes Spannungsfeld voll fehlerhafter Kommunikation gibt?
Nick Strangeway: Tatsächlich funktioniert es ja schon besser als je zuvor. Jedoch denke ich, dass dem Bartender nicht immer das nötige Gehör verschafft wird, wenn man ihn schon fragt. Ich wurde in den Produktionsprozess mit einbezogen, und wenn ich hier und da angemerkt habe, dass Dinge meiner Meinung nach nicht funktionieren, hat man sich meiner angenommen, das Feedback verwertet und bei dem nächsten, modifizierten Sample wieder um meine Ansicht gebeten. Ein wechselseitiger und sehr fruchtbarer Entstehungsprozess also.

„Wie beim Gin gibt es auch beim Tonic elementare Unterschiede.“

MIXOLOGY ONLINE: Warum dann direkt mehrere Filler, statt sich einem einzelnen Produkt vollends zu widmen? Denken Sie nicht, dass der Filler-Markt insofern schon überschwemmt ist, als dass der Konsument am Ende die teils marginalen Unterschiede zwischen den einzelnen Produkten noch versteht?
Nick Strangeway: Ich sage immer: „Wenn man heute als Gast nicht den Gin & Tonic findet, den man liebt, dann wird man diesen auch nie finden“. Es ist unsere Aufgabe, Bartender hinter Bar insofern zu schulen, als dass sie dem Gast die Unterschiede aufzeigen können. Natürlich ist das irgendwo verwirrend für den Gast. Vor 15 Jahren konnte man vielleicht aus 30 guten Gins auswählen und froh sein, wenn man sechs davon in der Bar antraf, heute findet man alleine 30 Gins in einer Bar vor. Oftmals ist dem Gast dann auch gar nicht klar, dass es – ähnlich wie beim Gin – auch beim Tonic elementare Unterschiede geben kann. Hier muss der Bartender Aufklärungsarbeit leisten.
MIXOLOGY ONLINE: Vor 15 Jahren gab es ja eine ähnliche Unruhe auf dem Vodka-Markt, als mehr und mehr Produkte kamen und man einige gar nicht mehr abgrenzen konnte. Aber das ist eine Entwicklung, die passiert, und sie passiert früher oder später bei jeder Spirituose …
Nick Strangeway: Und noch mal: Der Gast kann beim Tonic doch auch viel einfacher entscheiden, was er mag und was nicht. Während er für den Gin alleine 30 bis 40 Euro ausgeben muss, sind es beim Tonic lediglich 1,50 bis 2€. Und die kann man doch eher investieren, um seine Präferenzen auszumachen. So lehrt einen nicht nur der Bartender, sondern man lernt bei einem Gin & Tonic selbst noch zu Hause seine Vorlieben kennen.

„Einen Tobacco Old Fashioned würde ich so heute nicht mehr machen.”

MIXOLOGY ONLINE: Oftmals wird Gin ja als Trend beschrieben. Jared Brown verneinte dies einst ziemlich vehement. Glauben Sie, es geht immer weiter und bleibt auf diesem Level, oder zieht die Welle dann doch langsam vorüber?
Nick Strangeway: Nein, das glaube ich nicht. Aus ganz bestimmten Gründen nämlich. Zum einen läuft es doch nach wie vor sehr gut im Gin-Segment, also wird auch Qualität gehalten und neue Player erscheinen am Markt.
MIXOLOGY ONLINE: Diese Motivation aber kann doch gerade auch dazu führen, dass viele auf den Zug aufspringen, sich mit dem Produkt nicht auseinandersetzen und wahllos Ingredienzien zusammenrühren, die im schlimmsten Fall gesundheitsschädigend sind. Das ist ja auch bei selbst hergestelltem Tonic der Fall.
Nick Strangeway: Was Gesundheitsrisiken angeht, ist das sicherlich eine Gefahr. Lass es 2001 gewesen sein, da habe ich auch noch einen Tobacco Old Fashioned gemacht. Jetzt, da ich die Folgen und Auswirkungen kenne, würde ich es natürlich nicht mehr tun. Ich glaube auch, das ist ein Reifeprozess, den man durchmacht. Unterhalten Sie sich mal mit Leuten wie Don Lee oder generell Bartendern in meinem Alter. Wir haben Dinge kommen und gehen sehen und hinterfragen die Motivation von den Jungen, etwas Neues auszuprobieren, nur weil es gerade neu ist. Ich will auch niemand davon abhalten, innovativ zu sein. Nur sollte man bei all dem nicht vergessen, dass man erst die chemischen Hintergründe mit den potentiellen Gefahren kennen sollte, bevor man sie im Drink verbaut.


MIXOLOGY ONLINE: Zurück zum Filler. Welches Publikum wollen Sie mit der London Essence Range erreichen?
Nick Strangeway: Das ist sowohl ein Produkt für die Branche, spezifisch für die Premium und Ultra Premium Bars, als eben auch für den Einzelhandel als solchen. Oftmals geht der versierte Kunde ja in einen Fachhandel, probiert dort ein neues Produkt aus und möchte dieses dann auch beim nächsten Barbesuch vorfinden. Wir müssen also beide Wege gehen. Wir sollten das aber vor allem auch auf die Spirituose abstimmen. Zu dem einen Gin passt dieses, zu dem anderen Gin ein anderes Tonic besser. Da ist es doch gerade toll, dass es so viel Auswahl gibt. Es wäre sonst verdammt langweilig auf dem Markt.

„Dinge für etwas auszugeben, was sie nicht sind, ist eine Katastrophe.“

MIXOLOGY ONLINE: Zum Schluss noch folgende Frage: Sie erwähnten während des Vortrages immer wieder die Verwendung von natürlichen Essenzen im Tonic. Mir erzählte mal ein Bartenderin von dem einschneidenden Erlebnis, dass ein Gast echten Ananassaft nicht für echt hielt, weil er an künstliche Aromen gewöhnt war. Fällt uns das heutzutage wirklich so schwer?
Nick Strangeway: Man kann zwar ein natürliches Zitronenaroma erhalten, dies muss aber nicht von der Zitrone stammen. Entweder man baut chemische Moleküle nach, um den Geschmack zu imitieren, setzt unterschiedliche natürliche Aromen derart zusammen, dass sie jenes der Zitrone wiedergeben – oder eben extrahiert es von der Zitrone. Das sind drei Möglichkeiten und oftmals sind sie schwer auseinander zu halten. Das hat aber auch mit Gesetzen zu tun. Wenn beim Labeling Dinge für etwas ausgegeben werden, was sie nicht sind, dann ist das eine Katastrophe. Wer würde denn gezielt eine Zitronenlimonade kaufen, wenn er sich der Tatsache bewusst wäre, dass dort keine Zitrone enthalten ist? Diese Augenwischerei und Kundentäuschung kann man nur verhindern, wenn man Produktbezeichnungen genauer überprüft und das Prädikat eben nur denjenigen Produkten verliehen wird, die die wirklichen Inhaltsstoffe auch führen. So und nicht anders.
MIXOLOGY ONLINE: Nick Strangeway, vielen Dank für das Interview.

Credits

Foto: London Essence

Kommentieren