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Das No Idea ist ein grandiones Bar-Restaurant-Konzept in Zürich

No Idea in Zürich: Innovationsrausch zwischen Bar und Pastry

Eine Bar ohne klassischen Bartender und Backboard, dafür ein Labor. Drinks, die mit dem gleichzeitig angebotenen Fine Dining assoziiert sind, sowie aussergewöhnliche Aromenkombinationen bietet die noch junge Bar „No Idea“ in Zürich. Ein progressives Konzept, das überragend umgesetzt wird. Jenseits von der Trubeligkeit am Seeufer ist eine Brutstätte der Trinkkultur zu bestaunen, die in Service, Atmosphäre und Qualität eine stilistische Ergänzung darstellt, die der ohnehin starken Performance der Zürcher Barkultur eine höhere Ebene hinzufügt. Ein Besuchsbefehl!

Es war unzweifelhaft meine Barentdeckung der letzten Jahre – das No Idea in Zürich. Zumal ohne Bartender. An den Ausläufern des wohlstandsverschlafenen Zürichberges und nur wenige Abzweigungen entfernt vom quirligen Treiben an den Ufern des Zürichsees, haben sich Andrew Sutton und seine Frau Jasmine Gill auf ein Wagnis eingelassen.

Eine Bar zu betreiben, wie sie die Stadt an der Limmat noch nicht gesehen hat. Die auch in pulsierenden, ständig Neues gebärenden Metropolen in Asien, USA und Europa reüssieren könnte. Könnte! Wenn man nicht konservativ ist, das Unmögliche zulässt, Widersprüche sexy findet, Normales in Außergewöhnliches transformiert, Geschmack und Sinne eines erworbenen Synästhesie täuschen möchte. Also Farben riechen, Töne sehen oder Speisen trinken kann. Klingt kompliziert, ist es vielleicht auch, aber im No Idea macht es Spaß und wirkt dabei so leicht und einfach.

Das Interieur ist eine Kombination aus großzügigem, lichtem Raumgefühl, cremefarbenen, funktionalen Möbeln sowie Marmor aus Italien
Das Interieur ist eine Kombination aus großzügigem, lichtem Raumgefühl, cremefarbenen, funktionalen Möbeln sowie Marmor aus Italien
Die Karte ist auf das Wesentliche konzentriert, preislich ist das No Idea für Zürcher Verhältnisse überraschend moderat
Die Karte ist auf das Wesentliche konzentriert, preislich ist das No Idea für Zürcher Verhältnisse überraschend moderat

Lernen beim Dessert-Genie auf Bali

Andrew Sutton ist in Zürich aufgewachsen, an die Stadt kulturell gebunden und lässt sich durch seine Affinität zu London immer wieder den Geist schärfen. Nach einigen Lehrjahren in Zürich, wo er zuletzt als Pastry-Chef (dt. Konditormeister) gewirkt hat, ging er zielstrebig für ein paar Jahre nach London, um seine Talente als Chocolatier und seine Kenntnisse über Fermentation, Herstellung von Pralinen und Fine Dining in seiner ganzen Komplexität vertieft hat. Nach einem Intermezzo mit einer Pop-up-Bar, die sich auf Desserts und Cocktails konzentriert hatte, folgte er der Einladung des mehrfach zu den besten Pastry-Chefs weltweit ausgezeichneten amerikanischen Dessert-Genie Will Goldfarb nach Bali, um dessen Restaurant und Bar „Room4Dessert“ mit aufzubauen.

Schließlich war die Zeit reif, um die erworbenen Fähigkeiten und progressiven Ideen in Zürich, in vertrauter Umgebung umzusetzen. Warum ausgerechnet Zürich, das doch in einem eher konservativen Ruf steht? „Das stimmt sicherlich nicht für die Barkultur, da ist Zürich seit langem internationale Spitze und kann bestimmt mit anderen europäischen Hauptstädten mithalten. Aber wir hatten das Gefühl, dass unser Konzept in Zürich mehr gefehlt hat, als in Singapur oder London. Wir wollten hier Teil der ersten Generation sein, die sich an solche Bar-Styles heranwagt. Vielleicht auch voran gehen, als erste die Grenzen ausloten“, erzählt Sutton. Alles andere als no Idea.

No Idea

Dufourstrasse 43
8008 Zürich

Kein Bartender, keine Bar

Der Name der Bar ist einer amüsanten Erinnerung an seine Jugend geschildert, die er nach Beendigung der Schule als seine „No-Idea-Phase“ beschreibt. Was soll das Leben in Zukunft bringen? Nach anfänglicher Verlegenheit in der Gastronomie war dann allerdings schnell klar, dass aus „ideenlos“ eine Berufung und ein konsistenter Plan wurde.

Sutton geht seinen ganz eigenen Weg, hat keine wirklichen Role-Models und ist von vielen Dingen ein wenig beeinflusst, die dann in seinem Kopf zu einem Ganzen zusammen fließen. „Ich bin einfach kein Bartender, daher machen wir hier auch keine klassischen Cocktails. Ich bin auch nicht Teil der Community, führe eher so etwas wie ein Schattendasein. Ich habe Riesenrespekt, was die heutigen Bartender alles wissen, was sie können, ihre Techniken – das genieße ich dann gerne als Gast.“ Sutton und seine Frau Jasmine, die sich um die Bereiche Management und Design kümmert, sind leidenschaftliche Martini-Liebhaber. In Zürich wird die Lust darauf von der Widder Bar oder dem Old Crow gestillt. Absoluter Favorit sei aber die Dukes Bar in London. „Von der Atmosphäre, die Hospitality, Service und Qualität, weltweit die beste Art einen Martini zu trinken.“

Einen verschneiten Nadelwald trinken

Die beste Art, ohne ein klassischer Bartender zu sein, ausgefallene Rezepte zu servieren, wird nun im No Idea realisiert. Das Interieur ist nach Entwürfen von Andrew und Jasmine entstanden. Hell-dunkle Hölzer, ein großzügiges, lichtes Raumgefühl, cremefarbene und funktionale Möbel, Marmor aus Italien sowie eine offene Bar ohne Backboard. Alles in Europa bei kleinen Produzenten zusammen gesucht. Nukleus ist ein „Labor“ im Backstagebereich. Hier werden Sirups gekocht, Aromen extrahiert, Proben angefertigt, infusioniert, mazeriert und die komplizierten Techniken aus der modernen Küche eingesetzt, die in die Bar Einzug gehalten, aber nicht immer zielführend und fachgerecht eingesetzt werden.

Der Service unterzieht den Gast zunächst einer Art Anamnese. Fragt nach Vorlieben, Abendgestaltung, Bekanntem und Unbekanntem und erklärt dann die Philosophie und das Angebot des Hauses. „Wir kreieren Storys und Emotionen in Zusammenarbeit mit den Gästen, wobei unsere Cocktailphilosophie den Ideen des Fine Dining, das wir anbieten, folgt. Das ist der Anspruch, den wir jederzeit haben.“

Überragend umgesetzt wurde das bei unserem Besuch mit einem „Alpine Martini“, der durch hausgemachten Wermut mit Tannennadeln den Weg weist. Er simuliert in liquider Form das „knackig-frische Gefühl eines Spaziergang durch einen verschneiten Nadelwald“. Im Sommer – und es funktioniert! Aus Asien mitgebracht, wurde anschließend ein „Kaffir Lime Leaf“ die trinkbare Interpretation eines Thai Curry. Textur, Tiefe und Aroma nähren sich aus Porters Tropical Old Tom Gin, infusioniert mit Kaffir, Limettenblättern, Kokosnuss-Zitronengras Cordial und einigen Tropfen Chili Öl.

No Idea auch bald in Buchforn

Die Karte ist naturgemäß schmal und auf das Wesentliche konzentriert, preislich zeigt sich das No Idea überraschend moderat, selbst für Zürcher Verhältnisse. Die alle paar Monate wechselnde Karte wird nach erreichen eines ansprechendes Volumens in der Zukunft in Form eines Buches publiziert werden und auch das Verfahren bei der Entstehung der Kreationen beleuchten. No Idea behind the scenes.

„Für die Zukunft haben wir geplant, als Host für verschiedene renommierte Gäste aus Bar und Küche zu fungieren. Mit Chef’s Tables wollen wir das Portfolio erweitern und unseren Gästen das Fine Dining in Verbindung mit Cocktails näher bringen. Sie sollen komplett neue Erfahrungen bei uns sammeln.“

Daran besteht kein Zweifel. Nicht verpassen!

Credits

Foto: No Idea

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