Wie sich die NoName Bar in Baden-Baden einen Namen macht
Eigentlich hätte es die „NoName-Bar & Trinkstube“ gar nicht geben sollen. Nicht nur, weil ihr umtriebiger Besitzer Domenico Termine eher zufällig zu ihr kam, sondern vor allem, weil die Coronapandemie sie ihm anschließend fast wieder genommen hätte. Nun erstrahlt der Neuzugang in Baden-Baden jedoch in vollem Glanz. Wir haben uns vor Ort umgesehen.
In Conakry, der Hauptstadt von Guinea, gibt es diesen kleinen Marktstand. Er ist kaum ein paar Holztische groß und provisorisch überdacht von einem Orange-Money-Regenschirm als Schutz vor dem nächsten, unberechenbaren Wolkenbruch. Darunter gepfercht die Produkte der Woche in Plastiktüten. „1 kg Mango bitte und 2 Avocado!“ – „Ham wa nich. Kommen se nach der Regenzeit wieder, junger Mann!“.
So könnte eine Bestellung – frei übersetzt – aussehen.
Kurzum: unerhört, Verzicht! Der Gegenentwurf zum westlichen Maxim. Der Feind des Kapitalismus. Es kommt fast schon einer dystopischen Vorstellung gleich, im Supermarkt wirklich nur die Erzeugnisse der jeweiligen Jahreszeit anzutreffen. Vor ein paar Jahren durch die Einzelhandelskette Edeka als Online-Film unter dem Hashtag #Vielfalt zwar mit leicht verändertem Blickwinkel im Werbespot verdeutlicht, sähen unsere Supermarktregale ohne Importe ziemlich leer aus. Zwar wissen wir um die zusätzliche Umweltbelastung der Avocadozucht – dem wahren Preis des Imports –, dennoch geht es ungeniert weiter. Ist alles automatisch legitim, nur weil es legal ist? Aphoristiker brachten es bereits auf den Punkt: „Viele Leute tun sich schwer, das zu entbehren, was sie gar nicht brauchen“.
Regional muss es sein
Es ist diese Prämisse, die Domenico Termine in seinem neuen NoName Bar & Trinkstube in Baden-Baden an den Tag legt. Nicht nur, weil er jahrelang in der Region als Bartender, Bar-Consultant, Vertriebler und Spirituosenexperte tätig war und die Vielseitigkeit und Qualität der regionalen Produkte aus Baden-Württemberg besonders schätzen lernte, sondern auch, weil ihn die Verschiedenheit des Ernteausfalls und die leichten Unterschiede im Endprodukt faszinieren.
„Ich habe italienische Wurzeln. Für mich sind Genuss und Qualität sehr wichtig, und das hat nicht gleich etwas mit teuren Produkten zu tun. Eine gute Pastasauce – sofern mit Tomaten – schmeckt mit reifen Tomaten eben einfach besser. Simpler und maximaler Geschmack, darauf stehe ich. Ich muss mich nicht immer damit zufrieden stellen, dass ich alles zu jeder Zeit haben kann – das langweilt mich nur!“
So verwendet Termine, der jahrelang mit seinem Vertrieb Schwarzwald Bar Brigade Bewusstsein für einheimische Produkte mit regionalem Charakter schaffte, in seiner NoName Bar & Trinkstube viele Produkte der Region. „Baden-Württemberg ist ein El Dorado, was beispielsweise Obstbrände angeht. Da wäre ich blöd, wenn ich das nicht nutzen würde“. So findet man auf der Karte beispielsweise einen „Nogroni“ mit Kirschwasser anstelle von Gin, einen Rhabarber-Martini mit Rhabarber-Chinotto und Cognac, sowie einen Canchánchara-Twist mit regionalem Mandarinenhonig.
Viel wichtiger jedoch ist Termine die eingangs beschriebene, so oft vermisste Rückbesinnung auf die natürliche Verfügbarkeit von Produkten. „Ich brauche keine Erdbeeren im Dezember. Ich will Erntezeiten, die den biologischen Kalender mitgehen. Neulich war ich auf dem Markt, wollte Rhabarber kaufen und habe mir ein ‘Junge, du bist ein bisschen spät dran’ fangen müssen. Das will ich. Das ist doch die Normalität.“ Auch No Waste sei für ihn im NoName ein Thema. Dem unendlichen Verdruss von endlichen Ressourcen Einhalt zu bieten; so verwerten er und sein Team Reste stets für Sirups oder andere Zutaten.
NoName Bar & Trinkstube
Kreuzstraße 3
76530 Baden-Baden
Mi - Do 18 - 1 Uhr, Fr - Sa 18 - 2 Uhr (vorübergehende Öffnungszeiten)
Eine schwere Geburt
Diese klare Haltung erfordert Mut; in einer Zeit, die eher missmutig stimmt. Ende 2019 entschied sich Domenico Termine zum Kauf der Bar, zu der er – nicht ungewöhnlich – über einen Freund kam. Er investierte viel Geld in Renovation und Ausstattung, feilte zusammen mit seinem Bartender Christian Elsner eifrig am Menü. Dann kam die Pandemie: Verdienstausfälle und dunkle Zeiten. Im Oktober 2020 dann die Öffnung, die nach knapp sechs Wochen durch den zweiten Lockdown schnell wieder ein jähes Ende finden sollte. Erneute Verdienstausfälle, Kredite, noch düstere Zeiten. Jetzt ist die Bar seit Juni wieder geöffnet. Zum Glück!
Neben einem Konzept mit regionaler Auslegung erwartet den Gast im NoName eine klassische American Bar 2.0. Stilecht mit Barjacke und Jazz-Musik bietet die Bar zwar eine Reihe von Signature Drinks – zumeist Abwandlungen bekannter Cocktails – listet darüber hinaus jedoch auch eine Reihe von Neo-Klassikern, die der Bar die von Termine gewünschte Eleganz verleihen, ohne dabei prätentiös wirken zu wollen. Bei der Auswahl seiner Getränke verfolgt Termine jedoch ebenfalls ein radikales Ethos.
NoName = No Weinschorle
„Du darfst in deiner Bar nicht etwas anbieten, von dem du nicht überzeugt bist – nur weil da vielleicht ein paar Gäste mehr drauf abfahren. Bei uns gibt es – regional untypisch – zum Beispiel keine Weinschorle, kein Red Bull, kein Flaschenservice. Nur einen Wein, kein Kaffee. Du kannst gerne eine Weinschorle haben. Der Wein kostet 4, das Wasser 2,50€. Wir aber servieren das nicht.“
Ein Credo voller Risiken? Im Gegenteil. Termine, der in seiner Bar nicht durch Pouring-Verträge gebunden ist und für den eine persönliche Verbindung zur Spirituose wesentlicher Entscheidungsgrund ist, lehnt Anbiederung ab. Baden-Baden sei hierfür ein ideales Pflaster. Groß, aber nicht zu groß und eine gewisse Historie tragend, ist die kleinste Weltstadt der Welt mit eigenem Flughafen gut besucht von internationalem Publikum, das genau weiß, worauf es bei einem guten Drink ankommt. Pionierarbeit sei daher nicht mehr nötig, was das Unterfangen deutlich einfacher gestalte und dem Gastgeber mehr Raum für Kreativität biete. Es ist diese überzeugte Kompromisslosigkeit, die dem NoName Charakter gibt und gerade ob seiner gebeutelten Entstehungsgeschichte ein Mehr an Respekt abverlangen muss.
Plädoyer für Tradition
So ist gerade dieser Mut gepaart mit dem Drang auf Rückbesinnung, der das NoName so besonders macht. Ehrliche Drinks mit regionalem Charakter, die nicht mehr sein wollen als sie sind. Drinks, die kommen und gehen wie die Jahreszeiten. Progressiv retrospektiv.
Credits
Foto: Baschi Bender