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Ein Weg in die Bar

Ein Weg in die Bar. Suche.

Zehn Jahre MIXOLOGY, Magazin für Barkultur, und die bevorstehende 50. Ausgabe unseres Print-Magazins geben Anlass, Rückschau zu halten. Die Serie „Ein Weg in die Bar“ zeichnet wichtige Momente und Aspekte einer Bar-Karriere nach. Ein Auftakt.

„Und wenn Helmut Adam und Bastian Heuser wieder mehr schreiben, dann will ich mit der Barwelt 2012 doch noch zufrieden sein.“ Das schrieb der Münchner Bartender und Blogger Marco Beier in der Kolumne „Last Word“ in MIXOLOGY Issue 3/2012, in der er eine launige Generalabrechnung mit diversen Auswüchsen in der Barindustrie vornahm. Was Bastian Heuser anbetrifft, muss ich Mr. Beier leider enttäuschen. Bastian, der früher als Drinks Director des Magazins fungierte, hatte seit der Gründung seiner Agentur „Barworkz“ nur noch zwei Rubriken des Magazins betreut. In der kommenden Ausgabe erscheint sein letzter Artikel zum Thema „Premix vs. Original“ des beliebten Formats „Von Bartendern für Bartender“.

Da er inzwischen für eine Vielzahl von Getränkemarken beratend tätig ist, sieht Bastian nicht mehr die gebotene Neutralität gegeben, die das Testen von Produkten in Cocktails seiner Meinung nach einfordert. Wir von MIXOLOGY sehen seinen Abschied als Autor natürlich mit Trauer, freuen uns aber gleichzeitig über den Erfolg seines neuen Unternehmens. Wenn schon die eine Hälfte von Marco Beiers Wunsch nicht zu erfüllen ist, so mag ihn vielleicht meine neue Serie hier auf MIXOLOGY ONLINE ein wenig trösten. „Ein Weg in die Bar“ soll über Erfahrungen, Erfolge und Niederlagen berichten, die meinen Lebensweg pflasterten, seit ich mich hinter den Tresen wagte. Für den jungen Bartender mag da der eine oder andere Tipp dabei sein und für die Barfly vor dem Tresen manch unterhaltsamer Einblick in das Treiben des Barpersonals. So hoffe ich.

Die Suche

Mit diesem Begriff habe ich den ersten Teil der Serie übertitelt. Denn ich bin in der Barindustrie gelandet, weil ich auf der Suche war. Auf der Suche nach mir selbst. Auf der Suche nach Einkommen. Auf der Suche nach Lebensgestaltung. Und so wie mir ging und geht es vielen, die in der Bar landen. Bei vielen begleitet der Bar-Job den Wunschberuf als Musiker, Bildhauer oder schlicht „Superstar“ als Brotbringer ein Leben lang. Andere wiederum fangen aus diesen Gründen in der Bar an zu arbeiten, entwickeln aber dabei so viel Leidenschaft für das Flüssige, dass sie hinter Rührgläsern und Jiggern hängenbleiben. Dale DeGroff beispielsweise wollte eigentlich Schauspieler werden und avancierte zu einer der bekanntesten Bar-Persönlichkeiten weltweit.

Die Gastronomie und gerade auch der Nacht-Job in der Bar eignen sich vorzüglich für dieses nomadische Dasein auf dem Weg zum „großen Ziel“. Die ersten zwei Jahre in der Bar belegte ich parallel noch sündhaft teure Kurse in künstlerischen Kreativberufen, die ich im Nachhinein lieber in Meehan Bags und Trips nach New York investiert hätte. Ich erinnere mich noch gut an das Gespräch mit einem Freund und Arbeitskollegen. Er bezweifelte meine Einschätzung des Bar-Berufes als für mich vorrübergehendes Phänomen: „Wer 35 Euro für ein Buch ausgibt“, meinte er mit einem Blick auf meinen von Notizzetteln überquellenden Schumann, „für den ist das kein bloßer Job.“ Er sollte Recht behalten.

Wenn wir versuchen diese Faszination des Nomadischen, diesen Mangel an Verbindlichkeit, der die Bar umschwebt, zu ergründen, so eignet sich eben dieser Arbeitskollege gut als Beispiel. Als wir uns erstmals begegneten, hatte er bereits einen ordentlich gefüllten Lebenslauf mit zig Zeugnissen aller möglicher Betriebe. „Niemals mehr als 75 kg!“ erklärte er mir sein Prinzip. Dieses Gesamtgewicht an persönlichen Dingen passe in einen Rucksack, so dass man sich heute Knall auf Fall entschließen könne, morgen in einer anderen Stadt aufzuwachen, um dort nach einer neuen Arbeitsstelle zu suchen. Er trug den Traum vom „Kaffee am Strand“ auf einer Atlantikinsel mit sich herum. Daraus geworden ist ein Haus mit Garten in Niederösterreich, Familienglück mit Frau und Kind.

Nomaden vor und hinter dem Tresen

Die Suche birgt überraschende Ergebnisse. Genau so wenig hätte ich mir träumen lassen, dass ich irgendwann einen Verlag besitzen und eine Messe organisieren würde. Auf dem Weg in die Bar traf ich unglaublich viele faszinierende Persönlichkeiten mit unterschiedlichsten Hintergründen und Geschichten. Und genau das ist vermutlich auch der Grund, weshalb ich „hängen geblieben“ bin. Es gibt kaum einen anderen Beruf, in dem man so vielen Menschen begegnet. Denn auch die Gäste, die an den Tresen kommen, treibt die „Suche“ an. Sie treibt die Suche nach Unterhaltung, nach Zerstreuung oder nach Bestätigung. Dabei ist jeder Abend, jede Nacht anders. Die Karten werden ständig neu gemischt, die Würfel neu geworfen.

Auch der Genuss an sich trägt das Element der Suche in sich. Jeder Cocktail lässt sich verfeinern, jede Spirituose in noch spezielleren Abfüllungen verkosten. Man erklimmt immer neue Genussgipfel und Höhepunkte, entdeckt neue Bars, neue Drinks, neue Geschmäcker.

Wenn ich ehrlich bin, war mein Blick auf die Suche bei meinen Anfängen in der Bar nicht so entspannt wie heute. Ich war über Jahre auf eine gewisse Art „gehetzt“ von den eigenen Ansprüchen und denen von außen. Wenn man aus einem akademischen Umfeld kommt, muss man dieses Berufsbild bedauernswerterweise nach wie vor verteidigen. Alexander Hauck von The Bitter Truth, mit dem ich vor ein paar Tagen telefonierte, erzählte, dass ihm erst der Auftritt als „Bar-Experte“ in einer Fernsehshow die Anerkennung seiner Eltern einbrachte und die Nachfragen à la „Wann machst Du mal was Richtiges?“ beendete.

Die Suche annehmen und nicht als Druck empfinden. Das wünsche ich jedem, der sich in diesen faszinierenden, schillernden Beruf hineintastet. Jede erreichte Station verfeinert die Suche, lenkt sie in neue, präzisere Bahnen.

 

Nachtrag: Das Bild oben zeigt mich an meiner Arbeitsstelle in einer Hotelbar in Wien Anfang der Nuller-Jahre. Es entstammt der offiziellen Werbebroschüre des Hotels. Ich wurde nicht dafür „gecastet“, sondern hatte nur zufällig die Tagschicht, als der Fotograf mit seinen Komparsen auftauchte. Die aufgesetzte Freundlichkeit dieser Truppe nervte kolossal. Wie man sieht, war ich bemüht, mir das nicht anmerken zu lassen. Am Ende der Schicht hatte ich allerdings Kopfschmerzen. Der lustige Fotograf hat mir in der Nachbearbeitung übrigens auch noch ein Bärtchen angedichtet. Im Gegensatz zu meinem heutigen, bärtigen Verlegerdasein war ich damals selbstverständlich täglich frisch rasiert.

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