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Von Elsbeere über Spinat bis Chicorée und Spargel: Zehn spezielle Obst- und Gemüsebrände

Was in irgendeiner Form genießbar ist, wurde mit ziemlicher Sicherheit auch schon gebrannt oder vergeistet. Mal mit mehr, oft mit weniger Erfolg. Manchmal liegt der Erfolg auch im Auge des Betrachters. Oder auf dessen Kehle. Eine Auswahl ungewöhnlicher Geiste und Brände, die das Rückbuffet mancher Bar ungemein aufwerten würden – entweder als feine Sipping-Sensation oder als allerletztes Rauswurf-Argument.

1. Ungelagerter Cidrebrand

»Blanche de Normandie« heißt die Variante etwa bei Christian Drouin. Während das wohl berühmteste Destillat der Normandie, der Calvados, immer ein Holzfass und eine Menge Zeit benötigt, um sein volles Aroma zu entfalten, kommt dieser klare Brand direkt in die Flasche. Kräftige und frische Fruchtnoten von klarem Apfel zeichnen diesen Brand aus, den so manche Kenner als »Obstler im schicken Anzug« bezeichnen.

2. Zirbenschnaps

Eines der Mitbringsel, die fast jeden Tirol-Urlaub begleiten, ist eine Flasche Zirbenlikör. Süß und kräftig mit leichter Zitrusnote und dem typischen Nadelwald-Aroma. Etwas seltener, aber aromatisch deutlich spannender ist der große Bruder: der Zirbengeist. Die Zapfen der Zirbelkiefer werden nach dem Pflücken von Hand in Alkohol eingelegt und danach noch einmal destilliert. Wer Saunagänge schätzt, wird einen persönlichen Aufguss mit Zirbengeist und seinen ganz speziellen Aromen lieben.

3. Chicorée-Wurzelbrand

Was soll man über ein Gemüse denken, das im Supermarkt immer separat in einer Kiste liegen muss? Die bitteren Knospen dieser zarten Wurzel werden hauptsächlich als Rohkostsalat oder gedünstet genossen. Wäre man in Belgien nicht so vernarrt in Chicorée, vielleicht wäre er längst ausgestorben. So aber reicht der Ruhm weit über die Grenzen von Brüssel hinaus. Nicht nur von der Stählemühle gab es einen Geist der Chicorée-Wurzel – auch im Spreewald wird dieser ungewöhnliche Geist noch produziert.

4. Gurkengeist

Bleiben wir bei Spezialitäten aus dem Spreewald. Nicht nur die berühmten eingelegten Spreewaldgurken sind eine bekannte Spezialität. Der Rohstoff dieser nationalen Delikatesse kann nach dem Einlegen in Alkohol und dem Mazerieren der Aromen zu einem Gurkengeist gebrannt werden, der mit seinem sehr speziellen Aroma sowohl kreative Barleute als auch Connaisseure begeistern kann. Wenig überraschend: Auch Gurken von anderswo liefern einen exzellenten Geist.

5. Spargelgeist

Mit wenig kann man den deutschen Gaumen so einfach hinter dem Ofen hervorlocken wie mit Gemüsespargel. Kaum ist die Spargelsaison eröffnet, findet sich kein Restaurant mehr ohne Spezialkarte. Dabei muss man das Gemüse gar nicht in flüssiger Butter oder Sauce Hol- landaise ertränken. Der Geschmack lässt sich auch hervorragend als Geist konservieren. Man munkelt, der Geist lasse sich auch mit Tonic als exklusiver Longdrink genießen.

6. Karottenbrand

Der Name Reisetbauer hat unter den Edeldestillaten einen ganz besonderen Klang. Kenner hochwertiger Spirituosen freuen sich immer besonders, wenn eine Flasche des österreichischen Edelbrenners auf den Tisch kommt. Eines der ungewöhnlichen Destillate, mit denen nachhaltig begeistert wird, ist der Karottenbrand. Die klassischen Aromen der Karotte mit ihrer erdig-krautigen Süße sind ein außergewöhnliches Geschmackserlebnis und können auch exklusiven Drinks eine spezielle Note verleihen.

7. Spinatgeist

Jetzt wird es ungewöhnlich und Popeye hätte sicher seine helle Freude an diesem Schnaps. Unter anderem konnte sich die Wiener Spirituosenmanufaktur Invivo Spirits einen Namen mit dem grünen Blattgemüse machen. Als gleichzeitig erdig und angenehm frisch wird dieser Geist beschrieben und könnte sogar überzeugte Spinatgegner davon überzeugen, dass die Blätter auch außerhalb der Kühltruhe eine Daseinsberechtigung haben.

8. Steinpilzgeist

Na gut, steigern wir uns doch rein in die Welt dieser gänzlich außergewöhnlichen Spirituosen. In den letzten Jahren haben sich immer mehr Brenner mit der Verarbeitung der Sporengewächse beschäftigt. Auch hier sind es die erdigen, dunklen Aromen, die diese Spirituose ausmachen und so besonders prägen. Ob der Rat mehrerer Brenner, das Destillat als Zutat beim Kochen zu nutzen anstatt es pur zu degustieren, auf die geschmackliche Exklusivität schließen lässt, sei hier jedem selbst überlassen.

9. Elsbeere

Kommen wir zu etwas, das eher sehr selten als unglaublich ungewöhnlich ist. Das Destillat aus Kernobst wird durch den Rohstoff zur Exklusivität. Elsbeerbäume benötigen 20 – 30 Jahre, bis sie Früchte tragen, dann aber auch nur alle paar Jahre. Für einen Liter Destillat benötigt man bis zu 30 kg der seltenen Frucht. Das Ergebnis – hier von der Destillerie Hiebl – besticht den Gaumen dann mit den süßlichen Aromen von Mandel und einer nussig-herben Würze. Der Elsbeerbaum ist im Übrigen so selten, dass er auf der roten Liste steht.

10. Krautinger

Der krönende Abschluss: ein Destillat mit geschützter Herkunftsbezeichnung. Exklusiv in der Region der Wildschönau darf aus der Stoppelrübe der echte Krautinger gebrannt werden. Kaiserin Maria Theresia erteilte bereits im 18. Jahrhundert das exklusive Recht an die Bauern der Region, diese ungewöhnliche Spirituose herzustellen. Duft und Geschmack werden gern beschönigend als »eigenwillig« beschrieben. Doch ehrlich? Der Stoff ist wirklich nur für Liebhaber und es gab Zeiten, da wurde Krautinger in Münchner Bars als Rausschmeißer serviert, der wirksamer war als eine offizielle Sperrstunde. Allein das Öffnen der Flasche lässt alle Anwesenden aufgrund des Geruchs zusammenzucken. Schmecken lassen!

Dieser Text erschien ursprünglich in der Ausgabe 2/2021 von MIXOLOGY, dem Magazin für Barkultur, und wurde für diese Veröffentlichung minimal adaptiert. Information zur aktuellen Ausgabe findet sich hier.

Credits

Foto: Editienne

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