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Die Antwort auf das Partyvolk: Dürfen Bars am Samstag schließen?

Gerhard Tsai hat entschieden, seine Wiener Bar Tür 7 künftig am Samstag geschlossen zu halten. Ist das der richtige Weg? Wir haben mit ihm und Bar-Legende Charles Schumann darüber gesprochen.

Samstags hält er seine Bar lieber geschlossen „als sich mit dem Münchener Äquivalent des Bridge-and-Tunnel-Publikums herumzuschlagen“ schrieb die New York Times bewundernd über Charles Schumann. „Keine andere Bar auf der Welt macht das“, wird er im 2002 erschienenen Artikel zitiert.
Mit dem Publikum, das über Brücken und Tunnel in die Stadt kommt, bezeichnet man in New York das am Wochenende aus New Jersey in Richtung Manhattan einströmende, ländlicher geprägte Feiervolk.

Mittlerweile hat die Schumann’s Bar den Ort gewechselt. Damit hat sich auch ihr Charakter verändert. Sie ist heute Café, Bar und Restaurant. Und damit ein Ganztagesbetrieb, der an allen Tagen der Woche dem Münchener Publikum offen steht.

» Ich habe gemerkt, dass die Bar es verkraften kann, den Samstag wegzunehmen. «

– Gerhard Tsai

Tür 7 in Wien schließt künftig am Samstag

Dafür schickt sich Gerhard Tsai nun an, in Wien seine Bar Tür 7 am Samstag geschlossen zu halten. Tsai ist unseren Lesern unter anderem bekannt als einer der treibenden Köpfe hinter der Vienna Bar Community sowie seine langjährige Tätigkeit für die Jury der MIXOLOGY Bar Awards.

Es ist klar, dass sich ein so erfahrener Barmann und Gastronom diesen Schritt wohl überlegt hat. Seit viereinhalb Jahren ist seine Bar Tür 7 offen. In dieser Zeit habe sich herauskristallisiert, wofür das Konzept stehe, betont er im Gespräch mit MIXOLOGY. Das seien auf der Getränkeseite starke, definierte Drinks, Klassiker. Und ein älteres, erfahrenes Publikum, das die Entspannung suche.

Zwar habe er durch eine kontrollierte Tür „das Partyvolk“ des Wochenendes nicht in dem Ausmaß wie andere Gastronomen. Aber man habe registriert, dass am Samstag „leichtere, blumigere und fruchtigere Drinks“ bestellt würden. Die Atmosphäre sei eine andere. Außerdem habe man an diesem Wochentag „des Öfteren nach zwei Uhr eine Flaute gehabt“.

Gerhard Tsai verweist im Gespräch auf die Sterne-Gastronomie, wo sich bereits einige Betriebe rein auf die Wochentage konzentrieren. „Mein Kernpublikum kommt Montag bis Freitag“, sagt Tsai. „Ich bin letzten Montag um halb fünf Uhr morgens rausgegangen, weil meine letzten Gäste um halb drei gekommen sind. Und das im Juli.“

» Mein Kernpublikum kommt Montag bis Freitag. «

– Gerhard Tsai, Bar „Tür 7“

Eine Entscheidung für Familie und Personal

Für den dreifachen Vater Gerhard Tsai ist es auch eine persönliche Entscheidung, da die Sechs-Tage-Woche zunehmend auf Kosten seiner Familie gehe. „Ich mache es aber auch für die Mitarbeiter“, ergänzt er. „Es ist wichtig, dass sie ein soziales Leben haben neben der Arbeit.“ Die neuen Öffnungszeiten begünstigten dabei auch die Personalplanung: „Du hast eine Fünf-Tage-Woche und damit fünf Tage die gleiche Mannschaft bei Dir.“ Die Entscheidung sei nicht aus dem Blauen heraus getroffen worden. Man habe seit dem ersten Tag an allen Wochentagen bis in die frühen Morgenstunden auf gehabt. Und damit den Gästen Verlässlichkeit vermittelt. Für die Zukunft erwartet er, dass „der Donnerstag und der Freitag stärker werden“.

Samstags geschlossen: Kann sich eine Bar das leisten?

Wir fragen bei Charles Schumann nach, ob seine Beweggründe vor bald zwei Dekaden ähnlich waren. Er verneint es direkt: „Wir haben damals den Samstag zugemacht, weil wir es nicht bewältigt haben.“ Es sei damals nicht um ein untypisches Publikum gegangen. Vielmehr habe es ihm „gereicht, wenn ich schon den Freitag an der Tür stehen muss“.

Auch er hat die Entwicklung der Spitzenrestaurants verfolgt, die nur fünf Tage geöffnet haben: „Ich glaube, eine Bar kann sich das nicht leisten. Und soll das auch nicht machen.“

» Es war fürchterlich. Die Leute haben Dich zur Seite geschoben.«

– Charles Schumann über seine Türstehertätigkeit im alten Schumann‘s

Eine Bar sollte immer geöffnet haben

Man habe früher stets dafür plädiert, „dass eine Bar immer geöffnet hat“. Eine Bar könne natürlich eine bestimmte Schließzeit haben. Allerdings nicht in den Ferien. Und auch nicht an Weihnachten. „Wenn es wirklich um die Philosophie einer Bar geht – da brauchen einen die Leute!“ sagt Charles Schumann.

Er sieht aus eigener Erfahrung das Problem für kleine Bars an den Ausgehtagen: „Du musst eine Selektion machen. Weil es einfach zu voll ist.“ Und das führe dazu, wie er es in London häufig erlebt habe, dass da ein Türsteher ist, „der die Leute nicht kennt“.

Bei einer Bar, die etwas auf sich halte, „müsse einer von der Mannschaft“ an der Tür stehen. Oder man müsse sich selbst als Betreiber hinstellen. Und dies sei damals auch der Grund gewesen für die „alte“ Schumann’s Bar, am Samstag zu schließen.

„Es war fürchterlich“, erinnert sich Schumann an seine Samstagsschichten. „Die Leute haben Dich zur Seite geschoben.“ Er habe sich von auswärtigen Gästen „als Kasperl“ beschimpfen lassen müssen.

Es sei aber zu beachten, dass man damals in München „alleine war“. Es habe schlicht keine anderen Bars gegeben. Im seit 2004 am Odeonsplatz residierenden heutigen Schumann‘s mit einer stolzen Zahl von 71 Mitarbeitern könne man sich solche Entscheidungen „nicht mehr leisten“.

» Auch in der Sternegastronomie öffnen Restaurants mittlerweile nur noch Montag bis Freitag. «

Der Samstag ist heute im Schumann’s der Cocktailtag

Und dort sei der Samstag „nicht der schlechteste Tag“. Und damit meine er nicht zwingend den Umsatz, sondern auch das Publikum. Für eine große Bar sei es wunderbar, „wenn man auch mal andere Leute, jüngere Leute“ als Gäste kämen. Tatsächlich sei der Samstag auch „der größte Cocktail-Tag“. Für die jungen Bartender des Teams, die an diesen Tagen meist auch arbeiteten, „sei das super“.

Sollten auch andere Bars den Weg der Tür 7 Bar gehen? Gibt es eine Formel für die idealen Öffnungszeiten von Bars? Das kann man klar verneinen. Mit ihrem, den Abläufen in Sternrestaurants ähnelnden Reservierungssystem, der kontrollierten Tür und rund 18 Euro pro Cocktail ist die Bar Tür 7 selbst im kulinarisch erschlossenen Wien ein äußerst exklusives Konzept.

Samstags zu: Wird die Tür 7 Vorbildwirkung haben?

Viele Betriebe machen am Freitag und Samstag ein Drittel, manche sogar die Hälfte ihres Wochenumsatzes. Die gut frequentierten Innenstadtlagen in großen Metropolen müssen mit horrenden Mieten erkauft werden. Da ist es für viele Bars pure Notwendigkeit, an möglichst allen Tagen geöffnet zu haben.

Wir sind dennoch gespannt, ob das Beispiel mit den geänderten Öffnungszeiten auch in anderen Bars und in anderen Regionen Schule machen wird.

Credits

Foto: Photo by Masaaki Komori on Unsplash

Comments (6)

  • Oliver Horvath

    Eine mutige, wohlüberlegte und für die Tüe 7 sicherlich eine richtige Entscheidung, die Gerry hier trifft. Die Frage ob ein Betrieb 5,6 oder 7 Tage offen hat ist glaube ich nur für den einzelnen Betrieb zu beantworten es gibt Betriebe die aufgrund ihrer Lage und Frequenz an 7 Tagen offen halten können, es gibt hier kein richtig oder falsch sondern jeder Unternehmer muss das für sich entscheiden. Das Argument des Privat Lebens für seine Mitarbeiter und sich ist eines das man sich mal durch den Kopf gehen lassen sollte.
    Im übrigen gilt der Samstag in Wien als der Amateur Trinker Tag an dem uns die UBahn die Gäste bringt.

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  • Andreas Künster

    Ich glaube das kommt auf viel mehr Faktoren an als Bar auf/ Bar zu.

    Wie hier schon umrissen. Was für eine Art Bar betreibe ich als Gastronom?
    Wo ist meine Bar? Partyviertel oder ruhige Nachbarschaftstränke?

    Ich finde es gut das sich ein Arbeitnehmer hier über seine Mitarbeiter Gedanken macht. Wirklich. Ein schöner Ansatz von Outside of the Box Thinking.

    Auf der anderen Seite denke ich mir. Macht er dann auch bald nur noch 9 to 5 auf damit seine Bartender Abends rechtzeitig zu hause sind sobald sie Eltern werden? Wohl kaum!

    Bar- Gastronomie ist immer noch ein Abend Geschäft und eben auch ein Wochenendgeschäft.
    Das weiß man ja schließlich bevor man sich diesen Berufszweig aussucht.

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  • Stefan kreidl

    Ich finde diesen schritt gut weil er auch die arbeitsmotivation steigert…man kann nicht 7 tage arbeiten…schon gar nicht in der nacht …weihnachten bis sylvester ist zu überlegen oder evtl dezember

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  • Heinz Kaiser

    Obwohl ich Gerrys Überlegungen nachvollziehen kann und ihn das Bekenntnis zu Familienleben und das soziale Engagement für seine Mitarbeiter ehrt, und ich ihm für diesen Weg das Allerbeste wünsche, würde ich gegen einen solchen Schritt plädieren. Einerseits natürlich aus wirtschaftlicher Sicht, denn auch wenn am Samstag sicher nicht das exklusivste Publikum die Bars bevölkert, so zahlt deren Umsatz doch die Miete. Außerdem würde ich befürchten, dass es nicht einfach zu einer Umverteilung auf andere Wochentage kommt, sondern die Gäste schlicht und einfach abwandern. Und andererseits aus ideologischer Sicht: wenn man sich für diesen Beruf entscheidet, egal ob als Angestellter oder Unternehmer, dann weiß man, dass er Wochenend -und Feiertagsarbeit mit sich bringt, ebenso wie ein Apotheker (?) oder Arzt weiß, dass er sich mit seinem Job Nachtdienste einhandelt. Dazu zu stehen ist für mich auch Teil des Berufsethos. Sowohl als Apotheker, als auch als Gastgeber bin ich für meine Kunden und Gäste dann da, wenn sie mich brauchen. Und das ist eben im Falle der Bar sehr wohl auch und vor allem der Samstagabend. Wer einen Nine to Five Job will, sollte auch einen solchen wählen. Samstags zu schließen, nur weil man es sich wirtschaftlich vielleicht leisten kann, ist meiner Meinung nach das falsche Signal an die Gäste. Nämlich an einem der wichtigsten freien Tage der Woche nicht für sie da sein zu wollen. Denn darum geht es hier: nicht zu wollen. Denn rentieren würde es sich allemal. Im Gegensatz zu einem Sonntag, an dem das nicht unbedingt so ist und den man seinen Gästen so als Sperrtag durchaus erklären kann.

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    • Martin

      Das ist in meinen Augen ein Naturalistischer Fehlschluss. Nur weil etwas so ist, muss das nicht so sein. Ob genug Geld reinkommt ist Sache des Betreibers. Wenn man ein Arbeitskonzept schafft, dass für die Arbeitnehmer besser ist und gewünscht ist, ist das ein Fortschritt.

      Die Pflicht dem Gast gegenüber ist in meinen Augen zweitrangig, wenn der Gast diesen Anspruch hat, sollte er seinen Anspruch und oder seine Zahlungsbereitschaft überdenken. Fachkräftemangel kommt ja nicht von ungefähr.

      Auch viele Küchen denken langsam um und kommen ihren Mitarbeitern entgegen. Erst vor kurzem habe ich einen spannenden Beitrag über einen Bäcker gelesen, der sein Konzept umgestellt hat, damit seine Mitarbeiter nicht um halb 4 sondern erst um 6 Uhr starten müssen, dennoch wird der Kunde bedient.

      Wenn es also doch möglich ist, umso besser!

      Vielleicht wird es dann irgendwann Wochenend-Gastronomie geben und andere die, eben Samstags schließen.

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  • Goncalo

    Die Überlegung an Samstagen zu schließen hatten wir schon einige Male. Allerdings konnten wir dieses Gedankenspiel bislang nicht ohne einen Hauch von herablassendem Hochmut zu Ende bringen. Die Balance zwischen dem Saturday Night Fever und ruhigen, gepflegteren Trinkern regulieren wir über den Einlaß. Bestimmt und höflich.

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