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Oliver Steffens Gin Interview | How to Drink Gin Deutschland | Mixology

Gin-Experte Oliver Steffens im Interview: Es gibt mittlerweile etwa 1.200 Gins zu kaufen

Wohl niemand kennt die Gin-Szene, vor allem die deutsche, besser als Oliver Steffens. Nun hat er mit “How to Drink Gin: Deutschland” ein Buch geschrieben, in denen er 100 Gins detailliert vorstellt. Wir haben mit dem führenden, unabhängigen deutschen Experten über den aktuellen Gin-Boom gesprochen.

Der Hamburger Oliver Steffens hat sich im Laufe der letzten zehn Jahre als vielleicht führender unabhängiger deutscher Gin-Experte etabliert. Mittlerweile betreibt er die Seite Ginthusiast und ist als Mitgründer des Bar-Blogs Trinklaune bis heute einer dessen Herausgeber.

Jüngst erschien im Hallwag Verlag sein Buch How To Drink Gin: Deutschland, das er gemeinsam mit MIXOLOGY entwickelt und produziert hat. Wir haben mit Steffens nicht nur über seinen Werdegang gesprochen, sondern vor allem darüber, wie der Gin-Markt heute aussieht und warum Gin eigentlich so sehr zum Drink der Stunde wurde. Denn zumindest Steffens selbst hat das lange nicht erwartet, wie er im Interview erklärt.

Oliver Steffens Gin Interview | How to Drink Gin Deutschland | Mixology

MIXOLOGY: Oliver, wie bist Du selbst eigentlich zum Gin als Objekt Deiner ganz persönlichen Begierde gekommen?

Oliver Steffens: Oh, das ist sehr lange her, schon als junger Erwachsener. Eigentlich sogar direkt in dem Moment, wo einem Bier und Wein nicht mehr ausreichen. Und ich mochte im Gegensatz zu meinen Freunden einfach keine Cola. Wenn man einen »Drink« nehmen wollte, waren die Möglichkeiten dann auch schon fast ausgeschöpft. Also habe ich angefangen, Gin & Tonic zu trinken.

MIXOLOGY: Damit warst Du dann der Exot?

Oliver Steffens: Ja, aber auf positive Weise. Es stimmt schon: Gin hat damals keine Rolle gespielt, und damit meine ich: überhaupt keine. Und es war natürlich für meine Freunde immer wieder Anlass für spaßigen Dünkel: »Der feine Herr« hieß es dann gern – die Assoziationen an den britischen Adel waren selbstverständlich immer ein netter Anknüpfungspunkt.

» Damals kam von den Bartendern eine Aussage, die mich persönlich noch überrascht hat: ›Wir müssen uns hier bei Dir weiterbilden, weil die Gäste sich plötzlich mehr für Gin interessieren!‹ «

100 deutsche Gins stellt Oliver Steffens in seinem Buch How to Drink Gin Deutschland vor
100 deutsche Gins stellt Oliver Steffens in seinem Buch How to Drink Gin Deutschland vor

MIXOLOGY: Und dann kam irgendwann die Lust zu sammeln und zu archivieren?

Oliver Steffens: Das machen Männer ja angeblich gern (lacht)! Ja, dann habe ich begonnen zu sammeln. Irgendwann um das Jahr 2010 hatte ich rund 75 Gins zu-sammen, das war ein Großteil dessen, was zum damaligen Zeitpunkt in Deutschland auf halbwegs normalen Handelswegen erhältlich gewesen ist. Schließlich sagte meine Frau dann, dass die ganzen Gins nicht ewig im Wohnzimmer stehen sollen.

MIXOLOGY: War Deine Frau also unfreiwillig verantwortlich für das, was letztlich den Anstoß zu Deiner zweiten »Karriere« gegeben hat?

Oliver Steffens: So ist es wohl. Ich war schon immer Stammgast im Le Lion. Joerg Meyer war dann so freundlich, mir die Bar für einen Gin-Workshop mit Bartendern zu überlassen, also aus meinem privaten Fundus heraus. Das haben wir dann im März 2011 gemacht, und es war wirklich ein ziemlicher Augenöffner. Für die Bartender sowieso, denn es war Ginmäßig einfach ein anderes Zeitalter. Man musste die Gins damals als Bartender wirklich noch kennenlernen, heute liegen sie ja – überspitzt gesagt – auf der Straße.

Aber auch für mich war das ein doppelt wichtiges Ereignis: Einerseits weil ich gemerkt habe, dass es mit liegt, über dieses Thema zu sprechen und Wissen zu vermitteln; andererseits kam von den Bartendern eine Aussage, die mich persönlich damals noch überrascht hat: »Wir müssen uns hier bei Dir weiterbilden, weil die Gäste sich plötzlich mehr für Gin interessieren!«

MIXOLOGY: Die Vorhut des heutigen Booms wurde damals gerade spürbar, das stimmt.

Oliver Steffens: Klar, im Nachhinein ist das eindeutig. Hendrick’s war in Deutschland einigermaßen bekannt, auch Monkey 47 war gerade auf den Markt gekommen. Dieses Statement der Bartender im Löwen 2011 hat in mir die Idee geweckt: Da geht noch was.

MIXOLOGY: Und Deine Frau war beschwichtigt?

Oliver Steffens: Nun ja: Meine erste Konsequenz aus der neuen Sachlage war, die noch übrigen rund 35 damals verfügbaren Gins, die ich noch nicht hatte, sofort und auf einen Schlag zu kaufen (lacht)! Diesen totalitären Anspruch mochte ich mir nicht nehmen lassen.

» In den deutschen Metropolen leben, über den Daumen gepeilt, knapp 10 Millionen Menschen. Da bleiben noch ca. 72 Millionen mehr – und bei denen, bei der Fläche der Verbraucher, kommt Gin jetzt erst so richtig an. «

MIXOLOGY: Wie hat sich das Gin-Spiel in der Öffentlichkeit seither bzw. in letzter Zeit aus Deiner Sicht verändert? Ist Gin, wie es Bartender oft darstellen, schon längst »durch«?

Oliver Steffens: Das ist er auf keinen Fall! Es liegt nur an einer verzerrten Wahrnehmung, sogar doppelt.

MIXOLOGY: Wie meinst Du das?

Oliver Steffens: Bartender haben ohnehin eine spezielle Sicht, weil sie vieles früher mitbekommen als der durchschnittliche Verbraucher. Natürlich, es ist Teil ihres Berufs. Und noch immer arbeiten die allermeisten führenden Bartender in den Metropolen. Dort hat man dann auch eine andere Klientel, die im Schnitt informierter und internationaler ist. Natürlich ist Gin dort eine ganz andere Sache, schon seit Jahren. Aber sieh es einmal objektiv: In den deutschen Metropolen leben, über den Daumen gepeilt, knapp 10 Millionen Menschen. Da bleiben noch ca. 72 Millionen mehr – und bei denen, bei der Fläche der Verbraucher, kommt Gin jetzt erst so richtig an.

MIXOLOGY: Du veranstaltest seit mittlerweile über acht Jahren Tastings und Workshops. Ist Gin heute anders zu vermitteln als zu Beginn des Booms?

Oliver Steffens: In den Metropolen vielleicht, eben wegen der erwähnten Sättigung an Information, dort sucht man längst den nächsten Trend. Aber wenn ich den Großteil meiner aktuellen Tastings anschaue – und wir sprechen hier jetzt von Orten wie Münster, Bremen oder Bad Salzuflen –, dann sind die immer ausverkauft. Und die Teilnehmer sind dankbar, neugierig und motiviert. Am Anfang habe ich nicht mal in Frankfurt ausverkaufte Tastings gehabt.

MIXOLOGY: Ist daher ein Buch wie How To Drink Gin: Deutschland zum jetzigen Zeitpunkt auch eine Notwendigkeit, um dem Verbraucher quasi eine Bedienungsanleitung für das explodierende Angebot zu geben?

Oliver Steffens: Ich würde es nicht unbedingt eine Notwendigkeit nennen. Generell explodiert ja parallel zum Gin-Markt auch jener mit Gin-Büchern. Allein in dem Monat, in dem unser Buch erschien, kamen gleich noch zwei andere Bände zum Thema heraus. Das muss man sich mal vorstellen: Drei Gin-Bücher in einem Monat. Früher gab es jahrelang gar nichts, und wenn doch, dann auf Englisch.
Aber um nochmal auf die Frage zurückzukommen: Ich sehe das Buch eher als eine Art Leitfaden, geschrieben von mir als jemandem, der sich mit der Materie schon lange beschäftigt, für Menschen, die sich eine Art Anleitung für den Einstieg wünschen: Was ist deutscher Gin eigentlich alles, was kann er, wofür steht er, welche Alternativen bietet der Markt? Wir wollen mit dem Buch das aktuelle Dickicht ein bisschen überschaubarer machen. Und für jene Leser, die im Thema schon besser drin sind, haben wir sicherlich auch viele interessante HintergrundInfos zusammengetragen, auch Stefan Adrian mit seinem detaillierten Essay über die deutsche Wacholder-Brenntradition.

» Für einen Cuba Libre muss ich noch Limetten ausdrücken, ein Aperol Spritz hat mehr Zutaten. Und ein Whisky-Cola, naja . Das kann halt nur ein Gin & Tonic. «

Oliver Steffens Gin Interview | How to Drink Gin Deutschland | Mixology

MIXOLOGY: Kannst Du Dir eigentlich erklären, wieso ausgerechnet Gin zu so einem starken Trend wurde, der jetzt auch den Mainstream erreicht? Es hätte ja auch Naturwein sein können, sogenanntes Craft Beer oder irgendwas ganz anderes.

Oliver Steffens: Ich denke, es kommt dem Gin und besonders dem Gin & Tonic einfach zu gute, dass er in jeder Situation eine elegante, herzeigbare Variante zu typischen Feierabend-Drinks wie Bier oder Wein ist. Gin hatte immer – man bedenke die Witze meiner Freunde – diesen kleinen Anstrich britischer Noblesse. Die hat ein Cuba Libre nun mal nicht. Ein Aperol Spritz mittlerweile auch nicht mehr. Sein Look ist zeitlos, und sein Aroma entspricht dem aktuellen Trend: Aromatisch, komplex, bitte, aber dennoch zugänglich und gut trinkbar.
Davon abgesehen ist er auch in seiner Zubereitung vielseitiger und, nun ja, vielleicht dem Anlass besser anzupassen: Klar, ich kann meinen Gin & Tonic zelebrieren, mit tollem Glas, klarem Eis und Garnitur und allem Drum und Dran. Ich kann aber auch einfach, wenn ich nach der Arbeit nach Hause komme, innerhalb von 20 Sekunden einen Gin & Tonic mixen und habe meinen Feierabend-Drink. Für einen Cuba Libre muss ich noch Limetten ausdrücken, ein Aperol Spritz hat mehr Zutaten. Und ein Whisky-Cola, naja . Das kann halt nur ein Gin & Tonic.

MIXOLOGY: Eine letzte Frage: Verfolgst Du noch immer den Anspruch, alle auf dem deutschen Markt erhältlichen Gins vorrätig zu haben?

Oliver Steffens: Um Gottes Willen, nein! Das wäre ja gar nicht mehr möglich. Meine Sammlung enthält inzwischen rund 750 Gins. Nach meiner Schätzung gibt es mittlerweile etwa 1.200 Gins zu kaufen. Irgendwo ist ja auch mal Schluss (lacht)!

Credits

Foto: Caroline Adam

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