L’Âge d’Ory in Minga?
Schon im Vorfeld wurde viel über die Ory Bar im Mandarin Oriental München gesprochen. Jetzt ist sie da und glänzt mit unbekümmerter Eleganz. Ein erster Ortstermin beim nächsten Ort aus der konzeptuellen Feder von Lukas Motejzik, Maximilian Gradl und Alexander Recknagel.
Ory. Schon der Name rollt über den Gaumen, fast melodisch bleibt er im Kopf und verliert dabei nicht an Charmanz. Ory, Ory. In München liegt der Tratsch-Pegel immer bedenklich weit oben. Deswegen sind schon vor einem Jahr die Gerüchte durch die Stadt geflogen, keines glich dem anderen, aber jeder wusste etwas und doch nichts.
Ory Bar: Ein All-Star-Team aus München bietet Extravaganz
Was nun stimmt ist, das die Gefährten Lukas Motejzik, Maximilian Gradl und Alexander Recknagel sich wieder für eine große Reise formiert haben. Dazu gekommen sind für das Projekt Dietmar Petri, Simon Köster und ein Architekt, Özgür Keles. Alle sind Betreiber der neuen Bar im Mandarin Oriental an der Neuturmstraße, und dabei haben sie eine Bar mit einer eigenen Extravaganz erschaffen.
Wie so oft, wenn ewig über etwas geredet wurde, bedeutet der erste Eindruck viel. Erst recht in München. Von Außen erscheint alles wie früher: Das Hotel wirkt mächtig, die großen Fahnen hängen schlaff nach unten und auf einer steht: Ory. Die Flügeltüren darunter schwingen auf, und der erste Blick in die Bar macht einen schwummrig vor Neugierde. Schwummrig ist auch der Empfang, denn jeder neue Gast bekommt einen Drink gereicht, in einer flachen Champagner-Schale, die ihren Inhalt so wackelig und hoch innehält, dass man direkt zu einem ersten Schluck gezwungen wird. Schmeckt nach Campari und Schaumwein.
Das Raumkonzept aus dem Samthandschuh
Als erstes kommt André Kohler zum Empfang, in einer dunkelgrünen Barjacke, er führt uns hinein in die Ory Bar, die zwar dunkel, aber nicht düster wirkt. Am gegenüberliegenden Ende des Raums leuchtet die Bar in Gold und Grün, über ihr faltet sich eine Deckenbeleuchtung auf, gleich einem riesigen Fächer aus Pergamentpapier. Der Tresen darunter ist eher flach, „so, dass man gut und auch angenehm sitzen kann“, verspricht Dietmar Petri. Auch er trägt die grüne Barjacke, sein Lächeln sieht aus, als würde er es seit Wochen schon nicht mehr loswerden.
Wir machen eine kurze Tour durch die Räumlichkeit, vorbei an der DJ-Station, dem massiven Champagner-Kühlwagen und den Stehtischen mit „genau der richtigen Höhe“. Die kleine Tour endet an einem Barhocker, der Eindruck eines durchdachten Raumkonzeptes, das mit Samthandschuhen und Maßband entworfen wurde, hat sich bereits jetzt festgesetzt.
Das Finden des Charakters – mit einem Martini
Die Getränkekarte der Ory Bar liegt noch nicht lange vor uns, da streift Lukas Motejzik zur Bar und kommt auf ein paar Worte zu uns. Er wirft sich schwungvoll in einen der Hocker und lehnt sich dann für seine Worte leicht nach vorne. Die Routine und Erfahrung in Sachen Neueröffnungen lässt ihn mittlerweile locker: „Eine neue Bar muss erstmal ihren Charakter finden. So ist das. Und wenn sie den gefunden hat, dann muss sie sich meistens schon wieder weiterentwickeln. Zuerst müssen wir mal unsere Gäste beobachten, ihre Vorlieben finden und daran lernen.“
Er schnuppert kurz am Nosingglas vor sich. Mezcal. „Wir hatten schon einen Abend hier, da gingen über 30 Martinis. Das ist gut, aber daran müssen wir uns nach und nach orientieren. Letztens saßen dort hinten an der Bar drei Amerikaner, Whiskeyliebhaber und Sammler. Zum Glück hatten wir zwei Flaschen in der Auswahl, die sie noch nicht kannten und sie begeistert haben.“
Ein Neu-Münchener in der Ory Bar
Motejzik wird kurz irgendwo gebraucht und der Blick fällt auf die rechte Mixstation an der Bar. Falco Torini steht dort. Er kam aus Wien, ist jetzt hier am Brett und rührt einen roten Drink in einem kleinen Rührglas. Den ganzen Tag über hat er die Kasse aufgesetzt. Bildschirmarbeit. Auf die Frage, ob es ihm hier gefiele, braucht die Antwort nur kurz: „Es ist mega. Auch das Team. Wir alle arbeiten immer noch fast jeden Tag, auch schon ab Mittags und teilweise früher. Aber das alles lohnt sich und es fühlt sich an, als würden wir uns schon ewig kennen. Momentan ist es trotzdem noch so, als wartet jeder noch auf den richtigen Startschuss.“
Er dreht sich um greift sich eine Flasche aus einem Regal mit Drehmechanismus, das beide Cocktailstationen mit Früchten und Spirituosen versorgen kann. André Kohler, der überall unterwegs zu sein scheint – mal am Empfang, auf dem Parkett, an der Bar oder dahinter –, taucht plötzlich wieder neben uns auf. Er verteilt sein Wissen über mexikanische Spirituosen und erklärt kurz die Karte. „Noch ist die Karte hauptsächlich von Lukas, weil wir erstmal schauen müssen, was so geht. Sie hat jetzt schon den Charakter, den wir fahren wollen. Kreativ, aber nicht über die Ziellinie hinaus“. Kohler zieht es hinter die Bar, wo er einen Drink bereitet und mit breiter Brust kalt schüttelt. Dann fügt er noch hinzu, „so im Januar wollen wir uns zusammentun und die gemeinsamen Erfahrungen nutzen um eine Cocktailkarte zu schreiben“.
Mühelosigkeit als Prinzip?
Zu diesem Zeitpunkt hatte die Bar noch nicht offiziell geöffnet. Sucht man bei Google nach der Bar, wird sie an vorderster Linie als „zwanglos“ beschrieben, mit zwei Flip-Flops als Logo dahinter. Ein Wort, das passt. Hier erscheint bislang nichts starr und konzeptüberladen. Man probiert einfach aus und nutzt die Atmosphäre einer neuen Bar, um erstmal die Neugierde zu stillen, die hier jedem Gast ins Gesicht geschrieben steht. Schön wäre es, wenn die Bar immer etwas von dieser Art behalten würde – und zwar extrem gut durchdacht zu sein, perfekt zu sein und dann damit so freihändig wie möglich umzugehen. Auch in München, wo doch immer so viel getratscht wird.