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Gar nicht abgehoben: Der Pan Am Cocktail

Die legendäre Pan Am gibt es schon lange nicht mehr, dafür seit rund einem Jahr einen Drink zu ihren Ehren: Barney Toy aus London beherrscht die Kunst der Zurückhaltung.  Sein Pan Am Cocktail zelebriert die Eleganz der Einfachheit, ohne in die Einfalt abzugleiten. Ein Hausbesuch zwischen London und Auckland.

Fliegen und Trinken gehörten schon immer zusammen. Studien besagen, dass Menschen in der Luft eher Lust auf einen potenten Drink bekommen als am Boden, auch jenseits von Bloody Mary. Wer sich am Flughafen aufhält, sieht eigentlich zu jedem Zeitpunkt – egal ob morgens oder abends – Menschen beim Saufen. Und auch bei der Namensgebung ihrer Drinks ließen sich Bartender gerne inspirieren von der rasanten Entwicklung der Luftfahrt – die beiden weltberühmten Klassiker Air Mail und Aviation sind da nur die Speerspitze.

Das Vergnügen der Upper Class in der First Class

Doch auch aus einem anderen Grund sind Flugreisen und Bars ein eingespieltes soziologisches Duo: Das Reisen über den Wolken wohnte lange Zeit eine abstrakte Noblesse inne, hervorgerufen durch die blanke Tatsache, dass Fliegen teuer und nur wohlhabenden Menschen vorbehalten war. Gleiches galt über Jahrzehnte für klassische Bars und Cocktails, die mehr oder weniger durchgehend ein Vergnügen von Oberschicht und besserer Mittelklasse waren. Ein Drink an Bord war früher fast der Standard, während heute in vielen Fällen gar der Kaffee extra bezahlt werden muss. Der Cocktail mit Blick auf die Wolken – heute selbst in vielen First Class-Abteilen ein romantisches Relikt der Vergangenheit.

Einer, der sich damit nicht abfinden mochte, ist der britische Bartender Barney Toy, seit kurzem aus Neuseeland zurückgekehrt an die Themse und frisch gebackener Bar Manager des neuen, schon vorab vielbeachteten Callooh Callay-Ablegers Little Bat in London. 2015, also noch für Neuseeland, gelangte Toy mit seinem „Pan Am Cocktail“ nicht nur in die globale Endausscheidung der Bacardi Legacy Competition, er sicherte sich schlussendlich sogar knapp den zweiten Platz hinter Sieger Frank Dedieu aus Frankreich. „Diese alte Zeit, als Flugreisen etwas Besonderes und Vornehmes waren, als ein Drink über den Wolken ‚irgendwie dazugehörte‘, hat mich schon immer begeistert“, meint Barney, der den Namen seines Drinks nicht von ungefähr wählte: Besonders die mittlerweile nicht mehr existente Pan Am war unter den oberen Zehntausend berühmt für das gastronomische Niveau ihrer Ersten Klasse – Dresscode für die Passagiere inklusive. In Kalifornien übrigens kann man sich für viel Geld vorgaukeln lassen, man säße an Bord einer originalen Boeing 747 der Pan Am aus den 1970ern beim Dinner während eines Langstreckenfluges. Toy ist also mit seiner nostalgischen Sehnsucht nicht alleine.

The Pan Am Cocktail: Die Eleganz der Einfachheit

Dabei ist seine Mischung aus Weißem Rum, Zitrone, Aperol, Orgeat und Bitters nun wahrlich keine Kreation, die einem heutigen, infusionsverrückten Bar-Nerd die Vorfreudentränen in die Augen treibt, haben wir es doch lediglich mit einem modifizierten Rum Sour bzw. einem leichten Punch zu tun. „Der Drink sollte, er musste sogar einfach sein“, wie Barney erläutert, denn „ein Grundsatz der Bacardi Legacy ist ja gerade die einfache Reproduzierbarkeit einer Rezeptur.“ Aber auch abseits der Wettbewerbsregularien war es dem immer gut gelaunten Rotschopf wichtig, den Namen nicht einfach als Label, sondern als Verweis auf den Inhalt zu wählen: „Die Zutaten sind alle sehr klassisch, aber in ihrer Kombination nicht unbedingt gängig. Und die Einfachheit des Rezeptes soll überdies zeigen, dass dieser Drink an Bord möglich wäre – er kommt ohne aufwendige Vorbereitung und hausgemachte Zutaten aus.“

Wie sehr Barney Toy mit dem Pan Am Cocktail auch abseits der damaligen Competition den richtigen Riecher besessen hat, zeigt die Tatsache, dass der Drink tatsächlich mittlerweile in zahlreichen Bars angeboten wird oder wurde. Denn der Cocktail bringt seine Aufgabe auf den Punkt: Er atmet leichte, klassische Eleganz und ist zugänglich und erfrischend, ohne flach daherzukommen. Zunächst durch die angenehme Spannung aus den blumigen Noten des Rums, der nussigen, ebenfalls floralen Komponente des Orgeat, der herben Fruchtigkeit des Aperol und die anregende Säure. Aber besonders die Zugabe von Eiweiß, das daraus resultierende Mundgefühl und der abschließende Spühstoß Angostura oder Peychaud’s Bitters auf den fertigen Cocktail machen aus dem einfach wirkenden Rezept einen wahrlich erstklassigen Drink, der trotz seiner Namensgebung alles andere als abgehoben rüberkommt. Da würde man sich doch sogar über eine weitere Warteschleife in der Luft freuen!

Credits

Foto: Logo & Flugzeug via Shutterstock. Postproduktion: Tim Klöcker.

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