Es gibt nicht viele leichte Aperitif-Cocktails mit Bourbon. Aber es gibt den Paper Plane.
Ja, das Thema der Modern Classics bleibt hängen. Denn welcher Barmann oder Barfrau will sich nicht mit einer Eigenkreation verewigen, und welcher Gast von Welt will nicht zeitgenössisch und trotzdem stilsicher trinken? Klassischen Klassikern, wenn man sie denn so nennen darf, haftet etwas Solides an, das vielen in der Cocktailschale ausgetragenen Materialschlachten abgeht. Muss man Sherry mit Austernblättern infundieren, Kondensmilch mit Earl Grey mischen und Erdnussbutter in seinen Whisky machen? Natürlich haben solche Kreationen ihren Reiz und ihre Berechtigung; heute aber geht es um weniger.
Paper Plane
Zutaten
2,5 cl leichter Bourbon
2,5 cl Amaro
2,5 cl Aperol
2,5 cl Zitronensaft
Bei einem Cocktail-Klassiker geht es um dreierlei: Mit wenigen Zutaten einen guten Drink zu zaubern, und dies gleichzeitig mit Zutaten zu tun, die man leicht findet, wobei man das Rezept so auslegt, dass sich damit spielen lässt. Ein Manhattan trägt in sich Dutzend weitere Ideen: Durch Scotch wird er zum Rob Roy, mit Bénédictine zum Bobby Burns, mit Fernet zum Toronto, mit Gin dann zum Hanky Panky. Solch flexible Rezepte lassen sich einen ganzen Abend lang durchexerzieren, ohne langweilig zu werden.
Interessant für solche Rezepte sind Amari, welche sich massiv im Aromenprofil unterscheiden können, sich in Cocktails aber trotzdem austauschen lassen, ohne die Balance zu zerstören. Tatsächlich bietet es sich – um mit einem Amaro auf Tuchfühlung zu gehen – an, ihn in einem Negroni zu verarbeiten.
Der Paper Plane: ein Überflieger
Ein solcher moderner Klassiker, der viel Raum zum Spielen lässt, bedient sich gleich zweier Amari: der Paper Plane. Eine kleine Internet-Sensation, die sich der amerikanische Barmann Sam Ross 2007 in New York hat einfallen lassen, aber in Europa zumindest zu Beginn wenig Beachtung gefunden hat. Obwohl sie eine wichtige, nützliche Position einnimmt im Repertoire des Bartenders: Wie viele frische, leichte Aperitif-Cocktails mit Bourbon fallen Ihnen denn ein?
Man liest auf verschiedenen Blogs, wie ein Kollege von Sam Ross dessen Entwicklung mit folgendem Kompliment bedachte: “Congratulations! You just invented grapefruit juice”. (Ein Zusatz, der bereits auch für den Jasmine Cocktail Anwendung findet, Anm.) Das ist bemerkenswert für ein Rezept, das lediglich Bourbon, Aperol, einen weiteren Amaro und Zitronensaft mischt. Die Grapefruit-Note ist aber markant, und stammt wohl aus der Mischung von Aperol und Zitronensaft. Grapefruit und Bourbon verstehen sich nicht immer gut, im Paper Plane aber schon.
Und damit geht es schon los mit dem Spiel. Der Zitronensaft lässt sich gut durch Grapefruit-Saft ersetzen – was sich dann als Drink Esprit d’Escalier nennt. Oder man aromatisiert das Papierflugzeug mit einer Grapefruit-Zeste. (Viele Barkräfte mögen es ja, die im Bastelunterricht verlebte Zeit genau an dieser Stelle nachzuholen, indem sie Zesten kunstvoll zurecht schnipseln: Hier würde sich die Motivwahl einfach gestalten.) Es muss auch nicht Aperol sein, Campari macht hier ebenso eine gute Figur. Beim Bourbon empfiehlt sich jedoch ein leichteres Kaliber wie beispielsweise Bulleit, das sich bei der Zitrus-Party einfügen kann.
Paper Plane als Auftakt in die Nacht
Bleibt der weitere Amaro: Sam Ross empfiehlt seinen Paper Plane mit Amaro Nonino, und man muss sagen, das passt verdammt gut. Nonino mazeriert seine Kräuterchen in Grappa und schafft so einen vergleichsweise leichten Amaro mit Anklängen von Orange und Holz. Dass sich der gut einfügt zwischen Bourbon und Aperol, verwundert nicht. Es empfiehlt sich auch ein Amaro Montenegro, sollte Nonino nicht zur Hand sein. Blumiger, aber ähnlich leicht, kleidet dieser den Paper Plane in ein feminineres Kleid. Es bieten sich aber auch schwerere Amaros wie Ramazzotti an, wenn man denn dann auch einen heftigeren Bourbon wie Baker’s zur Hand nimmt.
Womit gezeigt wäre, wie flexibel sich dieser Cocktail gibt. Wie es sich eben gehört für einen Modern Classic. Ein schöner, frischer Auftakt für einen schönen Abend, irgendwo zwischen Milano und Kentucky. Ein Abend, den man mit einem Paper Plane beginnt, und mit einem Last Word ausklingen lässt.
Dieser Artikel erschien erstmals im Februar 2016 auf MIXOLOGY Online. Er wurde für diese Wiederveröffentlichung mit einem aktuellen Bild versehen und minimal adaptiert.
Credits
Foto: Sarah Swantje Fischer