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Der neue Firmensitz: Die Macht ist stark in der Familie Penninger

Die Hausbrennerei Penninger ist umgezogen. Es war Zeit für einen Neuanfang. Entstanden ist ein moderner Stammsitz mit Besuchs- und Informationszentrum, in dem man selbstgerösteten Kaffee trinken und Pizza essen kann. Trotzdem fügt sich der Bau in seiner Symbiose aus Destille, Besucherzentrum und Fasslager gelungen in die Landschaft ein. Wir waren vor Ort.

Im Bayrischen Wald, wo die Einheimischen 400 Ausdrücke dafür besitzen, dass es früher eigentlich noch viel kälter war als jetzt, da werden aus Wurzeln Straßen, Kirchen und Gespräche gebaut, und wenn dann noch was übrig ist, dann brennt man Schnaps damit, und es ist selbstverständlich, dass ein robuster Menschenschlag in einer robusten Umgebung auch ebensolche Spirituosen hervorbringt. Der Wald erzieht seine Kinder zu einer raueren Form der Zuneigung, Tough Love würde man das neudeutsch vielleicht nennen, aber auf keinen Fall mangelt es an Intensität. Die Skinny Bitches der Welt bleiben hier unverheiratet, ein Melonenlikör ist ein misstrauisch zu beäugender Neophyt, und natürlich darf ein Likör auch mal 50 Volumenprozent haben. Oder: soll.

Der neue Stammsitz befindet sich in Waldkirchen, 30 Kilometer nordöstlich von Passau
Die hauseigene „Moonshine Bar“ mit Panoramablick

In die Landschaft eingefügt

Beeindruckende Produkte entstehen so, und ein wichtiger Name in diesem Zusammenhang ist der der Hausbrennerei Penninger.

„Den Penninger“ gibt es seit 1905, und er steht exemplarisch dafür, wie man ein in der Tradition verwurzeltes Unternehmen in die Gegenwart transportieren und für die Zukunft rüsten könnte, Pandemien inklusive. Das Ding mit Gegenwart und Zukunft lässt sich nämlich ausgiebig im neuen Stammsitz in Waldkirchen begutachten, 30 Kilometer nordöstlich von Passau gelegen. Der alte in Hauzenberg war zu klein geworden, und nachdem er auch alle Merkmale jahrzehntealter Zwangsweiterentwicklung zeigte – hier was danebengebaut, da was drübergebastelt, dort was angestückelt – war es Zeit für einen Neuanfang, mit Hand und Fuß und überhaupt allen Gliedmaßen an der richtigen Stelle, plus neumodernen Spintisierereien wie einem Besuchs- und Informationszentrum, in dem man auch selbstgerösteten Kaffee trinken und Pizza essen kann.

„Wenn wir es machen, dann machen wir es gleich gescheit“, erinnert sich Stefan Penninger an die Überlegungen, und das bayrische „gescheit“ geht ja über das hochdeutsche „klug“ noch weit hinaus. Und gescheit hat man es dann auch gemacht. Die Anlage sitzt prominent und werbewirksam am Ortseingang und fügt sich dabei ganz selbstverständlich in die Landschaft ein, was in der Geschichte ländlich gelegener Firmenansiedlungen in Bayern doch bemerkenswert ist, und was wiederum eine schöne Abwechslung zur ansonsten oft dorfüblichen Tanke-Lidl-Aldi-Begrüßung bildet. Man muss das sagen: Wie sich der Bau in seiner Verweigerung bäuerlicher Klischees in seiner Symbiose aus Destille, Besucherzentrum, Abfüllung und Fasslager in die Landschaft einfügt, das ist einfach sehr, sehr gelungen.

In den Destillen wird produziert ...
… was im Shop verkauft wird

Penninger modernisiert sich sorgfältig

Bier mag ja immer noch Bier sein, aber Schnaps ist schon lange nicht mehr Schnaps, und eine moderne Destille soll eben auch den Kunden zum Gast machen, der in angenehmer Atmosphäre ein bisschen an Hintergrund zu dem erfahren kann, was er ansonsten eventuell gedankenlos in sich hineinkippen würde. Natürlich konnte sich Penninger aufgrund der Pandemie noch kaum als Gastgeber beweisen, aber in ihrem eigentlichen Betätigungsfeld hat die Brennerei gut zu tun. „Auch wenn wir hier gerne endlich uneingeschränkt Gäste begrüßen würden – Gott sei Dank haben wir schon vor einiger Zeit unseren Schwerpunkt auf Einzel- und Großhandel verlagert.“ Man hat sich in den letzten Jahren zweifellos gut aufgestellt.

Die neue Zentrale ist nun ein Symbol dafür geworden, wie sich ein Familienunternehmen über weit mehr als hundert Jahre in einem Spannungsfeld aus Tradition und Wandel halten und sogar wachsen kann. Geschmacklich intensive und rustikale Liköre wie Bärwurz und Blutwurz müssen natürlich auch über ihre regionale Herkunft vermarktet werden; sie sollen ja gerade nicht nach internationaler Beliebigkeit aussehen. Einige Konkurrenzprodukte wirken allerdings mit ihren Frakturschrift-Etiketten und der heimattümelnden Bebilderung so, als stammten sie aus dem Marschgepäck eines Weltkriegssoldaten. An manche Traditionen will man dann vielleicht doch nicht mehr so dringend anknüpfen, und so modernisiert sich der Penninger auch in dieser Hinsicht sorgfältig.

Auch ein eigener kleiner Kinoraum wurde mitgeplant
Der Kaffee wird selbst geröstet

Bayern als Schnaps-Diaspora

Begonnen hat der erste Penninger seinerzeit ja auch „nur“ als Metzger mit einer Essig-Lizenz, und Essig stellt man tatsächlich auch heute immer noch her – als dann im letzten Jahr plötzlich die gewohnten Flaschen nicht mehr zu bekommen waren, stellte man sehr zum Unmut vieler Stammkunden auf Bio und kleinere Flaschengrößen um; ein schönes Beispiel dafür, wie sensibel man in diesem Geschäft mit Veränderungen umzugehen hat, selbst wenn einem diese aufgezwungen werden.

Der Schritt vom Essig zur Spirituose erfolgte wenige Jahre nach der Betriebsgründung und war wohl auch in den Zeiten vor Erfindung der Marktforschung von begrenztem Risiko, obwohl man laut Stefan Penninger schon immer viel Überzeugungsarbeit hat leisten müssen: „Bayern ist Schnaps-Diaspora,“ stellt er lakonisch fest. Seither hat sich trotzdem viel verändert, und vermutlich war der letzte Generationswechsel im Hause Penninger derjenige mit den größten Dimensionen. Vater Reinhard Penninger war derjenige, der in den 1990ern das Potential des Blutwurz erkannte und damit den betriebswirtschaftlichen Dauerbrenner der Brennerei zündete.

Sein Sohn und Nachfolger korrigierte zuerst einmal den radikalen Vornamensbruch seines Vaters und hieß wie alle anderen Penninger in Leitungsfunktion vor ihm wieder Stefan, dann machte er sich an seine eigene Interpretation des Familienerbes. Einstmals obstinat, was seine geburtsbedingte Rolle im Betrieb anging, klemmte er sich dann doch hinter die ihm zugedachten Aufgaben und reüssierte sogar beträchtlich in diversen Ausbildungen.

Gin könnte ein Thema werden,“ das ist so ein Satz, der einmal ein enormes Konfliktpotential barg. Mittlerweile hat Stefan Penninger nicht nur aus dem Granit Gin eine Erfolgsgeschichte gemacht, sondern mit dem Graphit noch einen sehr empfehlenswerten Rum Jamaica-Style in die Welt gesetzt, und jetzt gibt’s auch einen eigenen Whiskey, American Style, weil, nun ja, deutsche Single Malts hat es ja schon wirklich genug.

Begonnen hat man als Metzger mit einer Essig-Lizenz, heute besitzt Penninger ein Portfolio von rund 40 alkoholischen und zehn nicht-alkoholischen Produkten

Nun im New World Whisky-Geschäft

„Natürlich wollen wir auch noch einen eigenen Single Malt herausbringen, weil das nun mal die Königsdisziplin ist, aber irgendwie fand ich das Thema Bourbon einfach spannender.“ Und während man sich anfangs noch einen vorgereiften Brand aus den USA besorgt hat, den man dann hier in amerikanischer Weißeiche, aber auch im Sherryfass erwachsen werden hat lassen, so bietet die neue Produktionsstätte nun die Möglichkeit, auch da alles selbst zu machen: mit entsprechender Mash Bill, den passenden Hefen und überhaupt allem, was dazugehört. Eineinhalb Jahre gehen die Fässer nun schon mit dem Produkt heimischer Liebe schwanger; man darf auf den Sprössling sehr gespannt sein.

Überhaupt: Das neue Fasslager ist derart imposant, dass die Firma ausdrücklich darum bittet, keine Fotos zu machen, weil sich jede Führung um eine halbe Stunde verlängern würde, bis jeder sein Selfie bekommen hat. Dem Stefan Penninger ist die Instagram-Kultur sowieso noch etwas fremd; dazu sind seine Produkte doch zu sehr analoges Genussmittel. „Die Leute sollen mehr schauen und weniger fotografieren.“ Auch wenn er schon mal für den „Spacewurz“ ein paar Kilo Bärwurzeln in die Stratosphäre geschossen hat: Im Großen und Ganzen kann er sehr gut auf dem Boden bleiben. Destillieren ohne Schwerkraft wäre ja auch gar nicht denkbar.

Jedenfalls zeigt die mittlerweile fünfte Penninger-Generation immer noch keine Anstalten, den Karren in den Graben zu fahren, im Gegenteil: mit 35 bis 40 alkoholischen und zehn nichtalkoholischen Produkten hat man mittlerweile ein ansehnliches Portfolio vorzuweisen, das in seiner Bandbreite kaum mehr zu wünschen übriglässt. Der Bärwurz schmeckt ein bisschen so, wie er heißt, und taugt als Magenbitter ebenso wie als Initiationsritus. Der Blutwurz bleibt das Flaggschiff und ist tatsächlich auch sehr gut mixbar. Gin, Rum, Whiskey, Liköre, Essig, Brände, Geiste und hin und wieder ein Obstbrand in kleiner Auflage, der vielleicht ein bisschen teuer anmutet, eigentlich aber nur ein Flaggezeigen vor manchem Konkurrenzprodukt ist, das seine aromatisierten Neutralalkohole unter Strapazierung sämtlicher Nomenklaturvorschriften als „fassgelagert“ präsentiert.

Gewollter Wandel bei Penninger

Es gibt also weiterhin viel zu sehen und zu verkosten beim Penninger, und es macht tatsächlich auch Spaß, diese Firma im Wandel der Zeiten zu beobachten, zumindest in dem kleinen Ausschnitt, den man zugestanden bekommt. Wandel ist ja natürlich kein Wert an sich, sondern immer im Einzelfall zu begutachten, und dann sind meistens immer noch zwei Menschen nötig: einer, der den Wandel will, und einer, der ihn zulässt. Nur so lässt es sich altern.

Diese Übergänge immer wieder so gut zu meistern ist das eigentlich Bewundernswerte der Firmengeschichte: traditionell sind Veränderungen meist für denjenigen notwendig, der sie selbst veranlasst hat, woraus dann ein Status Quo entsteht, der in seiner Vollkommenheit gefälligst unangetastet bleiben sollte, vor allem durch eine nachfolgende Generation mit deren völlig unnötigen Veränderungsvorschlägen.

Falls die Familientradition beim Penninger fortgeführt wird, könnte es sein, dass sich mal eine Thronerbin mit ihren Vorstellungen an ihrem Vater reiben muss. Die wird ihm sicher auch Zunder geben.

Die Macht ist stark in seiner Familie.

Credits

Foto: Hausbrennerei Penninger

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