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Prince of Wales Cocktail Geschichte | Mixology - Magazin für Barkultur

Die zwei Gesichter des Prince of Wales Cocktails

Der Prince of Wales ist ein besonderer Champagner-Cocktail. Nicht nur aufgrund seiner wahrhaft royalen Geschichte, sondern auch, weil er eigentlich kein typischer Champagner-Cocktail ist. Auf Zutatensuche zwischen Prinz, Mutter, Rye Whiskey und Cognac.

Armer Bertie. Seine Mutter, die ewige Queen Victoria, hielt ihren ältesten Sohn Albert „Bertie“ Edward, Prince of Wales und Thronfolger des britischen Empire, von so ziemlich allem fern, was mit den königlichen Amtsgeschäften zu tun hatte. Schließlich hatte Bertie ihrer Auffassung nach den geliebten Königinnengemahl ins Grab gebracht: sein allgemein liederliches Leben, sein fragwürdiger Umgang sowie sein Faible für Alkohol und Kartenspiel sollen den „Prinzgemahl“ Albert (also den Ehemann und Vater) so gegrämt haben, dass dessen Herz versagte.

» Auf Zutatensuche zwischen Prinz, Mutter, Rye Whiskey und Cognac. «

Der lasterhafte Prince of Wales floh sich in den Genuss

Und es stimmt schon, dass Bertie (der den üblichen Thronfolgertitel Prince of Wales trug) in Ermangelung eines Throns eben bei zahlreichen Gelegenheiten andere(s) bestieg. Victoria jedenfalls verbrachte die nächsten rund 40 Jahre als Witwe in andauernder Trauer und machte Bertie dafür verantwortlich. Dass ihr Gatte schlicht an Typhus gestorben sei (die neuere Forschung geht auch von einer möglichen Krebserkrankung aus), kam ihr nicht in den Sinn.

Bertie, trotz allem Prince of Wales, machte sozusagen aus dem Laster eine Tugend. Wenn er schon nicht regieren durfte, konnte er immerhin professionalisieren, was er ohnehin beherrschte: etwa das Trinken.

Prince of Wales Cocktail Geschichte | Mixology - Magazin für Barkultur

Bertie, der Prince of Wales: einer der größten Trinker der Geschichte?

Denn generell galt der Prinz nicht nur als großer Trinker, sondern gleichwohl als Kenner und Könner am Rührglas. Die damals (wir bewegen uns ca. im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts) in Großbritannien noch blutjunge, in der Oberschicht als amerikanisch verrufene Gattung namens Cocktail lag ihm, gefiel ihm – es heißt in den Quellen, der Prince of Wales mache hervorragende Cocktails.

Die Geschichte des Prince of Wales beginnt mit einem Whiskey-Cocktail

Und irgendwann in dieser Zeit machte Bertie im Prinzip nichts anderes, als den klassischen „Improved Whiskey Cocktail“ zu erweitern. Mit einem Drink, der schon bald danach als „Prince of Wales“ in einschlägigen Lokalen geordert worden sein soll. So erzählt es auch David Wondrich in seinem Jahrhundertbuch Imbibe! von 2007. Die Rezeptur aus American Whiskey, Maraschino und Aromatic Bitters ergänzte er um ein Stück Ananas und etwas Champagner. Wondrich bezieht sich auf das Buch Private Life of King Edward VII., das ein Mitarbeiter des Königshauses 1901 veröffentlichte. Darin heißt es:

Prince of Wales Cocktail Geschichte | Mixology - Magazin für Barkultur
Der Prince of Wales auf Basis von Cognac nach Frank Meier, 1936 | ©Sarah Swantje Fischer
Prince of Wales Cocktail Geschichte | Mixology - Magazin für Barkultur
Der Prince of Wales mit Rye Whiskey nach Edward VII. bzw. David Wondrich | ©Sarah Swantje Fischer

»[Dem Prinzen von Wales] wird außerdem zugeschrieben, einen exzellenten ‚Cocktail‘ erfunden zu haben. Er besteht aus etwas Rye Whiskey, gestoßenem Eis, einem kleinen Stück Ananas, einem Spritzer Angostura Bitters, einem Stück Zitronenschale, einigen Tropfen Maraschino, etwas Champagner und nach Geschmack ein wenig Puderzucker. In den Clubs, die er regelmäßig besucht, wird oft nach diesem ‚Short Drink‘ verlangt.«

Prince of Wales (Rye Whiskey)

Zutaten

4,5 cl Rye Whiskey
1 Dash Angostura Bitters
1 ca. walnussgroßes Stück frische Ananas
1/4 BL Maraschino
3 cl trockener Champagner
(1 BL Puderzucker – optional)

Der Prince of Wales: Da ist Champagner in meinem Old Fashioned

Viel wichtiger ist aber die Tatsache, dass der Champagner gemäß der Formulierung aus dem Zitat in gleicher Menge verwendet wird wie der Whiskey. Und damit wird der Prince of Wales zu einem besonderen Cocktail – denn er ist somit kein klassischer Champagner-Cocktail. Eigentlich eher ein modifizierter Old Fashioned.

In den üblichen Champagner-Cocktails wird der französische Schaumwein im Vergleich zur Spirituose höher dosiert, die meisten derartigen Drinks sind tendenziell eher fizzy und spritzig. Nicht so im Prince of Wales: Hier dient der Champagner schlicht der aromatischen Auffächerung, als Bereicherung des Rye Whiskeys. Und er bringt eine ganz leichte, perlende Cremigkeit hinzu. Aber, wie Oliver Ebert aus der Bar Becketts Kopf vor Jahren so schön schrieb: „Es soll nicht blubbern, das ist kein Jacuzzi!“

» Es soll nicht blubbern, das ist kein Jacuzzi! «

– Oliver Ebert aus der Bar Becketts Kopf

 

Cognac oder Whiskey? Likör oder Süßwein?

Heute herrscht Uneinigkeit über die Rezeptur des Prince of Wales. Sucht man im Netz nach Rezepturen, finden sich zahllose Rezepte dieses Namens. Und die alte Tradition, dass die Reichen am liebsten Cognac trinken, hat sich im Gegensatz zu Berties Rye offenbar durchgesetzt: Die Mehrheit der Autoren nennt heute den französischen Weinbrand als Spirituose, meist ergänzt durch einen Likör wie Curaçao bzw. Triple Sec, Maraschino oder aber einen Likörwein.

Prince of Wales (Cognac)

Zutaten

2 cl Madeira
2 cl Cognac
2 Dashes Angostura Bitters
1 BL Dry Orange Curaçao
trockener Champagner

Der Prince of Wales ist kein Fizz!

Und tatsächlich begehen leider die meisten Autoren den Fehler, den Champagner mengenmäßig zu hoch anzusetzen. Wodurch aus dem prinzipiell sehr kraftvollen, komplexen Short Drink eher ein „Royal Fizz“ wird, der durch den Einsatz von Cognac und Angostura ein wenig an Cola erinnert. Das hätte Bertie sicher nicht gefallen. Vom vielerorts als obligatorisch genannten Silberbecher wollen wir gar nicht erst sprechen. Das ist letztlich nur Fassade. Ein echter Prince of Wales kommt in einem leicht bauchigen Champagnerglas oder einer kleinen, nicht zu breiten Coupette am besten zur Geltung.

Als Referenz für die Variante mit Cognac kann die Rezeptur gelten, wie sie der Pariser Bartender Frank Meier 1936 in seinem The Artistry of Mixing Drinks festgehalten hat: darin gehen Cognac, Madeira und Champagner eine saftige, hocharomatische Liaison ein, die Bertie sicherlich ebenfalls gefallen hätte.

 

Als Bertie erwachsen wurde …

Jener Bertie übrigens war letztlich nicht nur gut in der Verschmelzung von Getränken: Im Jahre 1901 bestieg er als bis dato dienstältester Thronfolger (mittlerweile hat Prince Charles ihn deutlich abgelöst) mit 59 Jahren doch noch den Thron und wurde so nach dem Tod seiner steinalten Mutter zu König Edward VII. Und in seiner Zeit als Regent gelang ihm – über Jahrzehnte geschult in der Kunst der Konversation und galanten Diplomatie – eine epochale Leistung: 1904 schmiedete er die Entente cordiale zwischen Großbritannien und Frankreich, die über Jahrhunderte traditionell immer mal wieder im Clinch gelegen hatten. Damit legte Bertie, vielleicht sogar ohne es ahnen zu können, den Grundstein dafür, dass sich ein Jahrzehnt später die Allmachtsfantasien des deutschen Kaiserreichs einem echten Gegner im Ersten Weltkrieg gegenübersahen. Ein Meilenstein der Geschichte. Ob seine Mutter ihm das zugetraut hätte?

Aber diesen Krieg hat König Edward VII. nicht mehr erlebt. Er starb nach neun Jahren Regentschaft. Es hätte ihm auch sicherlich nicht gefallen. Allein schon, weil die Versorgung mit Champagner knapp gewesen sein dürfte.

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Credits

Foto: ©Sarah Swantje Fischer

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