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Problemdrink Caipirinha? Eine Analyse des Cocktail-Bestsellers.

Der Blick von außen

In den USA und vielen anderen Ländern ist der Caipirinha ein relativ neuer Cocktail, der um 2006 auch in nichtbrasilianischen Bars auftauchte. Wie bei den meisten neuen Trends ist Cachaca in Amerikas Mitte gerade mal angekommen, während er in Küstenstädten wie New York und San Francisco schon längst keine internationale Neuheit mehr ist, sondern bereits zum festen Repertoire der Bars gehört. Man findet aromatisierte Caipirinhas auf den Getränkekarten, doch Cachaca wird nur in den Top-Bars im Zusammenhang mit den Spezialitäten des Hauses angeboten.

Die Kategorie „ Cachaca“ wird in den USA weniger durch die großen Marken wie Pitu und Cachaca 51 (Pirassununga) propagiert, sondern durch Edelprodukte wie Sagatiba, Leblon und Cabana. Die beiden letzteren Marken sind in Deutschland noch nicht erhältlich.

Gerard Schweitzer, Mitbegründer und leitender Geschäftsführer von Leblon, erklärte die unterschiedliche Geschichte der Cachacaprodukte in Deutschland und den USA: „Cachaca und Caipirinha sind seit über zwanzig Jahren auf dem deutschen  (und europäischen) Markt bekannt. Caipirinha ist ausgesprochen mainstream, und Marktführer wie Pitu, 51, etc. haben sich von Anfang an eingebracht. Die Deutschen haben sich für brasilianische Kultur begeistert und von ihren vielen Auslandsaufenthalten Cachaca-Flaschen mit nachhause gebracht. Im Lauf der Jahre wurden auch mehrere, speziell für den brasilianischen Markt konzipierte Marken eingeführt, die sich ebenfalls ihren Anteil sichern wollten, doch siedeln sie sich eher am unteren Ende des Marktes an.“

Schweitzer fügt hinzu: „Die großen Firmen in den USA belieferten vor allem ehemalige Landsleute, denn viele Brasilianer kamen in die Staaten, um dort zu leben und zu arbeiten. Lange Zeit wurde ein niedriger Alkoholgehalt bevorzugt, bis dann auch anspruchsvollere Marken eingeführt wurden, deren Strategie es war, den Markt für eine Klientele zu öffnen, die die harten, wenig differenzierten Industrieprodukte nicht schätzten. 2009 hat diese Kategorie mit über 100 000 Neunliterkästen ihr Volumen mehr als verdreifacht.“

Schweitzer hat Leblon jedoch nicht kreiert, um den billigeren Cachacas den Markt streitig zu machen, im Gegenteil: „Die neue internationale Cocktail-Klientele vor Augen, wollten mein Partner Steve und ich einen wirklich bemerkenswerten Cachaca einführen. Wir waren der Meinung, dass diese Kategorie eine Vorzeigemarke (Banner Brand) brauchte, die einer Cocktail-Nation würdig war. Uns war natürlich klar, dass der amerikanische Markt ausschlaggebend für den Erfolg sein würde.“

John Gakuru, weltweiter Markenbotschafter für Sagatiba Cachaca, erklärt, dass man von Anfang an internationale Klientele vor Augen gehabt habe: „Sagatiba wurde als Spitzenmarke sowohl für den einheimischen, wie auch für den internationalen Markt konzipiert. Der Erfolg dieser Bestrebungen zeigt sich in der Verteilung der Verkäufe. In der Cachaca-Kategorie werden 99% für den einheimischen Markt und 1% für den Export produziert. Bei Sagatiba sind es 60% für den einheimischen Markt und 40% für den Export.“

Sagatiba wurde 2004 entwickelt und 2006 in Deutschland eingeführt. Die Besitzer von Leblon und Cabana scheinen noch auf Unterstützung zu warten, um sich auf dem hiesigen Markt durchsetzen zu können.

Laut Schweitzer „ kommt Cachaca in Deutschland auf ungefähr 260 – 280 000 Neunliterkästen pro Jahr, und Caipirinha gehört neben dem Mojito immer noch zu den beliebtesten Cocktails. Der Markt wird jedoch von Billigmarken beherrscht, und Spitzenmarken (in unterschiedlichen Kategorien, nicht nur in der Cachaca-Kategorie) können sich nur schwer durchsetzen. Deshalb halten wir es für wichtig, Vertriebshändler zu finden, die uns die Marke aufbauen helfen, in derselben Art wie wir andere Märkte erschlossen haben.“

Ähnlich argumentiert Matti Anttila, der Gründer von Cabana Cachaca: „Wir sind noch nicht auf dem deutschen Markt angelangt. Wir haben uns umgeschaut, aber was Spitzenspirituosen und vor allem Cachaca betrifft, ist er eher unterentwickelt. Also eine wunderbare Gelegenheit, aber wir haben noch nicht den richtigen Partner für die Entwicklung dieses Segments gefunden.“

Schweitzer und Gakuru sind sich einig: Ohne Caipirinha hätte Cachaca keine Chancen gehabt, gleichzeitig stellt er aber auch das größte Hindernis für Cachaca dar.

Laut Schweitzer „steht in Deutschland vor allem der Cocktail, der Caipirinha, im Vordergrund und weniger die Kategorie „Cachaca“. Offensichtlich denken die Kunden zuerst an Caipirinha und dann an die Basisspirituose, was verständlich ist, denn schließlich hat der Cocktail der Kategorie den Weg geebnet.“

Auch in den USA lernten die Kunden Cachaca über den Caipirinha kennen, aber vielleicht ist die Basisspirituose aufgrund des intensiven Wettbewerbs zwischen den Spitzenmarken eher ins allgemeine Bewusstsein gedrungen. Sagatiba hat einen relativ neutralen Geschmack und eignet sich deshalb sehr gut zum Mixen. Leblon ist aufgrund einer leichten Reifung in Cognacfässern etwas kremig. Cabana ist weich, hat aber gleichzeitig einen kräftigen Geschmack.

Während Caipirinha sich bestens mit einer wenig verfeinerten, industriellen Basisspirituose verträgt, sind die Spitzencachacas ideal für Cocktails, die etwas mehr Fingerspitzengefühl erfordern. Schweitzer wie auch Gakuru scheinen sich einig zu sein, dass Bartender, die Cachaca häufiger zum Einsatz bringen wollen, über den Caipirinha hinausdenken müssen.

Gakuru bemerkt: „Meiner Meinung nach gibt es für die rückläufige Entwicklung der Cachaca Kategorie in Deutschland eine gesellschaftliche Erklärung:  In Deutschland ist Cachaca schon so lange auf dem Markt, dass die Zwanzig- bis Dreißigjährigen ihn mit der Generation ihrer Eltern verbinden, und wer will schon die Trinkgewohnheiten der Eltern übernehmen! . . .  Schließlich gibt es in Deutschland viele talentierte Bartender, die die tollsten Sachen kreieren. Für uns Sagatiba-Leute steht fest, dass Sagatiba sehr viel vielseitiger ist und auch für andere Cocktails verwendet werden kann.

Schweitzer ist überzeugt, dass „Spitzencachacas wie Leblon wieder einen Boom erleben können, und dabei nicht nur dem Caipirinha zu einer neuen Popularität verhelfen, sondern auch neue, hochwertige Cocktails im Gefolge haben. Bereits etablierte Cachaca-Marken (vor allem die großen Industriemarken) haben nicht viel in Bewegung gesetzt, doch mit den Edelspirituosen kann sich der Markt wieder beleben. Ich betrachte es als unsere Aufgabe, Bartender und Barbesucher davon zu überzeugen, dass man mit Cachacas wie Leblon ganz andere Dinge als nur Caipirinhas kreieren kann.“

Comments (8)

  • Raoul1

    Guter Artikel.

    Am Ende hätte ich mir ja neben recht redundanten Caipi-Rezepten auch ein paar weitere Cachaca Cocktails gewünscht. Ich trinke gerne Nega Fulo on the rocks, mit mixen tue ich mir da aber etwas schwer…typische Rum-Cocktails funktionieren meiner Meinung nach mit Cachaca nicht.

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  • Nun, in dem Text sollte es ja auch um die Caipirinha gehen. Dass man mit Cachaca auch andere gute Drinks machen kann, bestreitet niemand. Wird sicher einmal Thema, bzw. war es schon in der Vergangenheit.

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  • Mr.x

    Capi tot?…. Nein ich denke langsam aber sicher, achten auch die Betreiber, Hotelketten der Bars (nicht nur der Bartender) auf die Zutaten. Wirklich schlechte Caipi´s habe ich schon lange nicht mehr gesehen. (Ausnahme große Stadtfeste, Hafengeburtstage usw..) Und seit dem ich den großen Capi Workshop 2009 mit dem Herrn Heuser in der Mixology Bar besucht habe, kann auch ich wieder sagen die Caipi lebt. Seit dem shake ich die Caipi und serviere sie auf frischen Eiswürfel…. gerade zu meinen HH Zeiten gab es schon hin und wieder Erklärungsbedarf an der 4-5 Sterne Hotel Bar.

    1. ich nehme ja den billigen weißen Zucker…. sie möchten doch den guten brauen Zucker haben, der zwischen den Zähnen knistert (den die Spülmaschine immer auswaschen muss habe ich mir dann immer nur gedacht)
    2. das Ding mit der Spirituose warum ich den nicht Cachaca nehmen würde (Cachaca haben da immer noch viele nur mit einer gewissen sehr auffälligen Krabenflasche verbunden) puh das war dann schon immer etwas härter…
    3. Das Glas ist ja so klein… und das Falsche (Schott Tumbler nehme ich)
    4. Wie sie haben kein Crush Ice????

    5. Ok wo fangen wir an… in diesem harten Fall hilft nur eins…. der klassische Deal…. Ich mixe ihnen die Capi, so wie wir für uns entschieden haben, dass sie am besten schmeckt….. sollte das in ihrem Falle nicht zu treffen, dann mixe ich die noch mal, so wie sie die lieber möchten. Die erste geht dann auf mich…..
    6. ich glaube ich mußte in einem Jahr 10 Caipis noch mal mixen….
    7. Qualität und eine gut ausbalancierter Drink ist in der Regel Argumentation genug.
    8. Eine Caipi ist der Cocktail mit dem die 70iger und 80iger groß geworden sind. Es sind jetzt die , die auch bereit sind mehr Geld für gute Qualität auszugeben und sind sehr interessiert an neuen Drinks. Doch sie lieben auch Ihre Caipi, daher gehört für mich die Caipi ganz klar auf eine Barkarte in Deutschland wenn sie bestmöglich angeboten wird.

    Daumen hoch für die Caipi!

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  • Whiskydrinker

    Also bis jetzt habe ich von jedem Brasilianer zu hören bekommen, dass Rohrzucker eine rein europäische Abart ist.

    Richtig brasilianisch wird eine Caipi nur mit diesem brasilianischen Staubzucker aus Zuckerrohr, den es da in jedem Supermarkt in Plastikbeuteln zu 1 kg gibt.

    Und Caipi: An einem heißen Sommerabend immer wieder gerne.

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  • Robert Mayr

    Ich verwende weissen Rohrzucker von Sarkara, gibts zB beim Hans Krhla (Premiumdrinks, Auhofstraße 150, Wien).
    Sehr fein, das hilft beim abwaschen. Ausserdem löst sich der Zucker schneller bzw einfacher auf und bleibt nicht im Glas zurück.
    Aufgrund der hellen Farbe erkennen die typischen Caipi-Kunden allerdings den Drink nicht als Caipirnha und dann kommen die Fragen. Geschmeckt hat es aber eigentlich immer (kann mich nur an eine Ausnahme erinnern).

    Mein Tip: Caipi-Korn
    Cachaca durch Korn ersetzen und neuen Flavor suchen.

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  • Pingback: Ein Weg in die Bar. Cocktail.

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  • Ally G.

    Interesting articule dispite old. Caip will never be out of fashion. I think the problem with Caip in Germany and it’s neighbours is simply one: very few know what a good cachaca is. Germany has a poor option of cachacas / of low quality. If you go to Paris, London you can come across quality cachacas at the best bars in town, where the bar scene is much more developed. Caipinhas when made nicely is one of the best drinks you can get! My experience in Germany is that I never come accross a well made caipirinha and good cachacas.
    No wonder bartenders don’t like it. The bar scene such as Berlin is so young and a lot don’t know about cachaca. Very few good bartenders know the distinction between cachaca and Pitu for example.

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