TOP

Ein bisschen italienisch, ein bisschen britisch, vor allem köstlich: der Gin & It

Der Gin & It rangiert in der Riege klassischer Drinks irgendwo ganz hinten. Warum eigentlich? Weil wir ihn viel zu lange falsch verstanden haben. Plädoyer für einen Drink, der künftig bitte einfach nur er selbst sein soll. Ein bisschen italienisch, ein bisschen britisch. Und vor allem köstlich. Und ohne Cocktailschale.

Der Gin & It hat ein Problem. Ehrlich gesagt, hat er gleich mehrere. Denn er steht niemals so richtig für sich selbst. Oder haben Sie ihn, sofern Sie ihn bereits kennen, als wirklich autarken Cocktail kennengelernt? Die einfache Mutmaßung: Nein, haben Sie nicht. Der Gin & It fliegt stets unter dem Abwandlungs-Radar. Es ist ein kleiner Nebenfluch unserer heute gängigen Drinks-Rubriken, dass ein Drink praktisch immer in eine Ahnenlinie gesetzt wird – was den Blick auf ihn selbst teilweise verengt.

Gin & It

Zutaten

4 cl London Dry Gin (mind. 45% Vol.)
4 cl roter Wermut
2 Dashes Orange Bitters

Gin & It: Aroma, Frucht und Spaß

French? Italian? British? Eigentlich egal.

Besonders stark trifft das den Gin & It, der nichts anderes ist als eine Mischung aus Dry Gin und rotem Wermut, meist ergänzt um einen Bitters. Je nach konsultierter Quelle wird er beschrieben als eine Art „Sweet Martini“ oder aber als vereinfachende Variante des Martinez Cocktail, in der auf Maraschino verzichtet wird. Ein eigener Drink ist er aber nie. Und selbst wenn man die Martini-Gefilde verlässt und ihn – in der durchaus geläufigen Version auf Eiswürfeln – eher aus der Richtung italienischer Aperitivi denkt, sitzt der Gin & It zwischen den Stühlen. Gin, roter Wermut und Campari ergeben den weltberühmten Negroni. Roter Wermut und Campari (oder ein anderer Bitterlikör) erzeugen immerhin noch den ebenfalls ziemlich bekannten Americano. Und Gin und Wermut. Nun ja, eben einen Gin & It. Mit dem „It“ als schlichter Anspielung auf die Herkunft des Wermuts, denn roter (= süßer) Wermut kam traditionell aus Italien, wie wir es auch von der früher häufig vollzogenen Unterscheidung in french (trocken) und italian (süß) Vermouth kennen.

Den Gin & It einfach mal als Gin & It probieren

Das ist tatsächlich deshalb schade, weil der Gin & It ein Cocktail mit einem sagenhaften Einfachheits-Geschmacks-Verhältnis ist und bleibt. Denn machen wir uns nichts vor: Die Grundaromen von Gin und jeglichem Wermut passen eigentlich immer zusammen. Gut an der quasi nicht vorhandenden „Heiligkeit“ des Gin & It ist wiederum, dass man ruhigen Gewissens mit ihm spielen, jonglieren, variieren kann. Das zeigt auch die Historie des Drinks – wenn man sie denn überhaupt so nennen will.

Denn eine echte Historie, gar eine schriftlich nachvollziehbare, bietet der Gin & It wahrlich nicht an. Hier und da erfährt man, dass er offenbar recht schnell nach Verbreitung von Martinez und Martini gegen Ende des 19. Jahrhunderts in den USA als Spielart der beiden Drinks beliebt gewesen sein soll. Ebenso soll er, wie es meist uniform heißt, during war time viel in Großbritannien getrunken worden sein. Quellen dafür werden allerdings nicht genannt und es liegt nah, dass die unterschiedlichen Artikel, die diese Informationen geben, schlicht voneinander abgeschrieben wurden. Der Begriff war time ohne spezielle Kontextualisierung jedenfalls meint in Großbritannien üblicherweise die Zeit des Ersten Weltkriegs. Wir haben es also offenbar mit einem Drink zu tun, der als süßere und unkomplizierte Martini-Variante um die Jahrhundertwende seinen kleinen Heyday im angloamerikanischen Raum hatte. So weit, so unspektakulär.

So richtig nimmt niemand den Gin & It ernst

Auch in der Bar-Literatur seiner Zeit scheint sich der Gin & It nicht häufig zu finden. Die mutmaßlich früheste relevante Erwähnung erhält er in The Artistry of Mixing Drinks (1936) vom legendären Frank Meier aus dem Pariser Ritz. Besonders interessant ist hingegen, dass ausgerechnet David A. Embury den Drink in sein The Fine Art of Mixing Drinks von 1948 aufgenommen hat. Interessant deswegen, weil Embury zwar ein passionierter Trinker, aber niemals aktiver Bartender gewesen ist. Dennoch war ihm der Drink mit dem entsprechenden Namen geläufig und er hat ihn in sein bis heute wichtiges Buch aufgenommen – vielleicht ja sogar, weil er als Teil der besseren New Yorker Gesellschaft (Embury war ein einflussreicher Rechtsanwalt) Kenntnis von Meiers Buch gehabt haben könnte, das ebenfalls (auf Meiers Betreiben hin) primär in besseren Kreisen verbreitet worden war. Dies bleibt allerdings Spekulation, denn Emburys Buch hat kein Annex oder Glossar, in dem frühere Literatur verzeichnet wird.

Allerdings gehen auch Meier und Embury mit dem Gin & It recht lapidar um. Beide führen schlicht die Zutaten an, ohne detaillierter auf den Drink einzugehen. Meier empfiehlt die beiden Zutaten Gin und Wermut zu gleichen Teilen und dass sie „not (…) iced“ sein sollten. Embury, ganz in seiner Rolle als Verteidiger des hard drinking, verlangt ein Verhältnis von drei Teilen Gin auf ein Teil Wermut. Als Zubereitung schlägt er die Version auf reichlich Eiswürfeln im Old-Fashioned-Glas vorm, verweist aber sogar – womöglich eben auf Frank Meiers Buch – darauf, dass der Drink in Europa eher straight-up und mit einem Mischverhältnis von 1:1 getrunken würde. Eine Garnitur oder den Zusatz von Bitters merken beide nicht an.

Wie gemacht für die Terrasse und den frühen Abend: ein Gin & It auf Eis

Dabei sollte man auf diese beiden Dinge tunlichst nicht verzichten. Gerade bei einem weniger fruchtbetonten Wermut können zwei oder drei Dashes Orange Bitters für viel zusätzliche Tiefe sorgen. Gleiches gilt unbedingt für eine Orangenzeste oder sogar den heute etwas verpönten Orangenspalt als Garnitur. Insbesondere letzterer fügt schlicht ein ganz kleines bisschen saftiger Fruchtigkeit hinzu und lockert den Gin & It erheblich auf. Denn, Sie ahnen es schon, man darf den Gin & It weniger als Shortdrink im klassischen Sinne begreifen. Das Zusammenspiel der beiden Hauptzutaten entfaltet sich am besten in Form eines milderen, schmeichlerischen Medium Drinks, bei dem die zwei Produkte auf Augenhöhe miteinander harmonieren. Bei der Zubereitung auf Eiswürfeln kommen so sowohl die crispen, frischen Nuancen des Gins als auch die tiefere, bittere Würze sowie die Süße des Wermut besser durch, während das Schmelzwasser sein Übriges tut. Sozusagen ein Hybrid der beiden Zubereitungsarten von Meier und Embury.

Gerade im Frühling oder Sommer kann ein Gin & It dann tatsächlich eine spannende Alternative für den frühen Abend oder eine tolle Auflockerung im Verlauf der Nacht sein. Mit ein bisschen weniger Stiffness und Ernsthaftigkeit als bei Martini oder Martinez. Dafür mit unglaublich viel Aroma, Frucht und Spaß. Aber wir wollen ja eh damit aufhören, ihn mit irgendwas zu vergleichen. Er soll einfach er selbst sein. Eigentlich ja ziemlich unproblematisch.

Credits

Foto: Sarah Swantje Fischer

Kommentieren

Datenschutz
Wir, Meininger Verlag GmbH (Firmensitz: Deutschland), würden gerne mit externen Diensten personenbezogene Daten verarbeiten. Dies ist für die Nutzung der Website nicht notwendig, ermöglicht uns aber eine noch engere Interaktion mit Ihnen. Falls gewünscht, treffen Sie bitte eine Auswahl:
Datenschutz
Länderflagge Deutsch
Wir, Meininger Verlag GmbH (Firmensitz: Deutschland), würden gerne mit externen Diensten personenbezogene Daten verarbeiten. Dies ist für die Nutzung der Website nicht notwendig, ermöglicht uns aber eine noch engere Interaktion mit Ihnen. Falls gewünscht, treffen Sie bitte eine Auswahl: