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Baustellenparty im Wiener „Prunkstück“: Es wird größer, höher, stärker

Vor vier Jahren eröffnete die Kleinod-Bar neben dem Wiener Stephansdom. Mit dem „Prunkstück” legt das Betreiber-Quartett kurz vor Weihnachten seine neue, vierte Bar vor. Wir stellen bei einem Baustellen-Sour schon mal fest: Es wird grandios.

Die Baustellen-Rezension ist die liebste urban legend unter Gastrokritikern: Zwischen Planen wird in halb aufgebauten Küchen bei Bauscheinwerfer-Licht der Zeitungsmann mit dem vermeintlichen Signature Dish abgefüttert. Öffnen sich die Türen des Restaurants, hat die Tageszeitung schon die Wertung dazu.

Tja, bei Schallplatten und Büchern mag das ja angehen, dass im Rezensionsexemplar noch nicht alle Credits stehen oder ein Komma fehlt. Doch in einer volatilen Branche wie der Gastronomie kann sich leider noch viel ändern – und da geht es noch nicht einmal um den schlimmsten möglichen Fall einer behördlichen Untersagung. Anwohner, Lärm, das ganze Gedöns halt. Doch nun lässt es sich nicht verschweigen: Das hier, im entstehenden „Prunkstück” der Kleinod-Macher, ist die erste Baustellen-Bar-Rezension aus Wien.

Das Stammhaus wird im Prunkstück potenziert, nicht kopiert

Am Lärmschutz soll die angepeilte Eröffnung des Prunkstück am 16. Dezember wohl nicht scheitern, da sind sich Oliver Horvath und David Schober von der Kleinod-Crew einig. Denn schon jetzt wurde in der ehemaligen Bar „Kix“, einem nicht unbekannten Feierplatz der Donaustadt seit den späten 1980er-Jahren, einiges an Technik verbaut. In punkto „dB“ kennt die Hälfte des Kleinod-Quartetts (Alexander Batik und Philipp Scheiber komplettieren die Gesellschafter) sich schließlich bestens aus: „Disco haben wir schon genug gemacht“, weiß der 42-jährige Horvath, was er persönlich nach den Jahren mit dem Club „Chaya Fuera“ nicht mehr braucht. Wieso dann die Tanzfläche als zentrales Element? „Wie erweitern um den Faktor ‚Tanz‘“, formuliert es David Schober trocken und rückt den Fokus Richtung Bar wieder gerade.

Prunkstueck Kleinod Wien
So wird das neue Wiener Prunkstück aussehen

Kleinod-Optik im Prunkstück erkennbar

Dass die Wiedererkennung der Kleinod-Optik auch an der gut 3,5 mal so großen neuen Geschäftsadresse funktioniert, war die Aufgabe für Industrie-Designer Ben Julian Toth (CEA Industrial Design). Er krempelt den Vorderteil des 1845 von Franz Schlierholz errichteten „Durchhauses“ zur Wollzeile 175 Jahre später zur 160 Quadratmeter großen Bar um: „Es wird einen Himmel aus Messing geben!“ Aber auch der Bogen als charakteristisches Element des Stammhauses zwei Straßen weiter findet man schon im jetzigen Zustand öfters wieder.

Oliver Horvath amüsiert allein das Wort Stammhaus, „das kannte ich bisher nur vom Plachutta bei uns in Hietzing“. Doch wie die Rindfleisch-Dynastie mit ihren vier Outlets ist auch das Kleinod in den letzten Jahren massiv gewachsen. 50 Mitarbeiter in der Gastrogruppe sind für Wiener Bar-Verhältnisse eine neue Dimension, 20 werden es alleine für das vor Weihnachten eröffnende Prunkstück sein.

Tanzbar mit prickelnden Cocktails für Wien

Als Aktivposten der Gruppe erweist sich aber der „Cocktail Salon“, der als zentrale Produktionsstätte auch für die 160 Quadratmeter große Neueröffnung und ihre drei Bars produzieren wird. Es ist das Reich von Daniel Schober, der die Rezeptentwicklung übernommen hat. Passend zum Dancefloor hat er einen Großteil der Drinks auch als „Uppers“ angelegt.

Der Sour, den Schober rund um den neuen Rye von Jack Daniel’s kreierte – Himbeeressig gibt dem „Gentlemen Club“ die säurige Kante –, stellt ein gutes Beispiel dafür dar. Erfrischend wird auch das Thema Champagner integriert werden. Während in der ruhigeren Galerie im 1. Stock des Prunkstück bereits die Ausnehmungen für die Schampus-Kübel mitgeplant wurden – „35 Positionen Champagner soll es als Flaschen geben“ – erweiterte man für die Hauptbar das ewig gleiche Angebot an Cocktails mit dem Schaumwein.

Die Weiterentwicklung zum „Neo Cuban“ basiert auf einem besonders zitrusfruchtigen Szechuan-Pfeffer, den Daniel Schober in Rum ansetzt. Diese Pfefferessenz ergibt eine überraschende Tropenfrucht-Prägung des Mixes aus Facundo Neo Silver und Perrier-Jouët. „Das könnte der nächste Champagner-Klassiker werden“, hofft „Dani“ Schober aufgrund des regen Zuspruchs während der Baustellen-Partys.

Ellenbogen-Freiheit und Eskalationsoption

Die kräftigeren „Hämmer“ wird es dann an der Bar in der Bar geben, die die Sitzecken in der Galerie bespielt. Man könnte das als Platz für das periodische Eskalieren eines an sich gediegenen Publikums definieren. Denn der Erfolg des Kleinod bringt es auch mit sich, dass den Rechtsanwalt die Kunden allzu oft beim privaten Gespräch stören, während er versucht, im Gedränge nichts vom Porn Star Martini zu verschütten.

Ellenbogenfreiheit wie im SUV und Privatsphäre wie im Herrenclub soll daher die obere Etage – für die es Reservierungen geben wird – anbieten. Die halbrunden Leder-Sitzecken werden aber nicht den Eliten vorbehalten sein: „Hier werden wir auch ein gutes Dutzend Signature Drinks von einer eigenen Karte anbieten.“ Am Ende könnte Oliver Horvath die Runde machen wie Harry Belafonte in Kansas City, nur mit rarem Rum oder Whiskey anstatt der Mafia-Kasse wie das Filmvorbild.

Popkultur-Fan Daniel Schober hat auch den in jungen Jahren geliebten Crunchy Nuts eine Hommage namens „Tom Kellogg“ gewidmet, für die er Vodka mit den Frühstücksflocken infundiert. Das schmeckt durchaus „leider geil“ – auch wenn dieser Name schon an einen Gin-Drink vergeben wurde. Mango-Ananas-Tee vom Lieferanten um die Ecke peppt den Wacholder auf, der Wiener Falernum-Renner Old Judge darf hier auch mal mit Gin wirken. Und auch beim Wein, der laut Oliver Horvath „mehr als sonst in Bars üblich“ gepflegt werden soll, setzt man auf Lokalkolorit. Credo: „Wenn wer in Ruhe eine Flasche Hirtzberger Smaragd trinken will, soll er das hier auch tun können.“

Kurze Wege zu Lokus und Leberkäs im Prunkstück

Das Cocktail-Oberdeck wird auch einen eigenen Sanitärbereich haben. Denn die Wege durch die verwinkelte Bar sind lang – und Komfort lässt sich auch so schaffen. Und nicht nur für die Verdauung haben die Kleinodianer ein paar bautechnische Erleichterungen einbauen lassen. Der gewaltige Spirituosen-Keller beeindruckt mit seiner Höhe. Von der Küche nebenan liefert ein Speisenaufzug die wenigen, aber edlen Snacks aus der Hausküche nach oben. Man denkt an Toast, Pastrami-Sandwiches und den im „Stammhaus“ bewährten Alkohol-Aufsauge-Schwamm namens Leberkäse.

Schließlich weiß man mittlerweile, was die Wiener Klientel schätzt. Und liefert das demnächst einfach in diesem Theater. Nur eben größer, höher, stärker.

Prunkstück
Bäckerstraße 4
A-1010 Wien
U1/U 3: Stephansplatz
Rauchen: Nein

Credits

Foto: Niko Mautner

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