Verwirrung der Sinne. Wie wir Wein schmecken.
Ob über Preis, Licht oder Musik. Unser Gaumen wird auf viele Arten in die Irre geführt. Wir sind den trügerischen Annahmen auf den Grund gegangen und haben daneben noch weitere erstaunliche Einflussfaktoren auf unsere Geschmackswahrnehmung entdeckt. Viele davon sind auch in Bars zu finden.
Wissen wir immer genau was wir tun? Haben wir immer die Kontrolle über unser Bewusstsein und haben wir einen freien Willen? Diese Fragen wurden vor einiger Zeit in der Presse heiß diskutiert. Philosophen stritten mit Neurobiologen. Die einen sagten, dass wir einen freien Willen haben, die anderen erklärten nüchtern: Quatsch! Das Gehirn spielt in einer eigenen Liga und macht was es will. Exemplarisch kann diese Diskussion in der Bar weitergeführt werden, etwa, wenn wir dort Wein trinken. Viele Dinge muss da unser Kopf verarbeiten – nicht nur den Alkohol. Zum Beispiel die Musik. Unser Gehör nimmt unterbewusst Geräusche wahr und verarbeitet diese dann in unserem Gehirn zu Emotionen und Gefühlen, die wiederum unser Handeln bestimmen können. Von dieser melodischen Beeinflussung bleibt auch der Geschmacksnerv nicht unberührt.
In einer Weinverkostung mit 250 Studenten an der Heriot Watt University in Edinburgh, stellten die Wissenschaftler fest, dass der Geschmack von Cabernet Sauvignon bei mächtiger und schwerer Musik wie Carmina Burana von Carl Orff intensiver wahrgenommen wird. Chardonnay hingegen wird bei schwungvoller und erfrischender Musik als besser schmeckend empfunden. Die Ergebnisse sind so signifikant, dass die Wissenschaftler sogar Musikempfehlungen zum Lieblingswein angeben konnten. Demnach schmeckt Chardonnay zu Rock DJ von Robbie Williams am besten und Cabernet Sauvignon zu All Along The Watchtower von Jimi Hendricks. Diese Playlist bietet zwar sehr wahrscheinlich keine universal geltende Geschmacksexplosion bei verschiedenen Weingenießern, aber dafür ein umso amüsanteres Experiment bei der nächsten Weinverkostung.
In einem anderen Experiment, kauften Konsumenten im Laden fünfmal mehr französischen Wein ein als deutschen, wenn im Hintergrund französisch klingende Musik gespielt wurde. Bei deutschen Klängen hingegen wurden zweimal mehr deutsche Weine verkauft als französische. Das zeigt auch, dass Wein nicht nur ein reines Genussgetränk ist – es ist untrennbar in unser Kultur- und Wertesystem eingegliedert. Ein Beispiel hierfür ist, dass es viel mehr Männer gibt die sich der Kunst der Trauben verschreiben, indem sie Sommelier werden oder selbst Wein anbauen und herstellen. Nur langsam ändert sich dieser Trend und gerade in Italien gibt es immer mehr Sommeliere, die sich der Weinkunst hingeben. Generell interessieren sich auch mehr Männer für Wein und all seine Nuancen vom Anbau über die Reifung und Herstellung bis zum Genuss, nicht zuletzt weil es eine Art Symbol von Macht und Intellektualität darstellt – Weinwissen ist unter anderem eine Form des Wettbewerbs. Interessant, wenn man bedenkt, dass gleich mehrere unabhängige Tests weltweit ergeben haben, dass Frauen Gerüche besser identifizieren und benennen können. Was allerdings nicht zu Verallgemeinern ist.
Mit dem richtigen Preisetikett steigen die Geschmacksnerven in den siebten Himmel!
Ob Pinot Noir, Chardonnay oder Riesling: Eine gute Flasche Wein muss einen stolzen Preis auf dem Etikett stehen haben, um gut zu schmecken. Antonio Rangel, Wissenschaftler vom California Institute of Technology und sein Team haben mit Hilfe von Gehirnscans und psychologischen Tests untersucht welcher kausale Zusammenhang zwischen dem Preis eines Weines und der Wahrnehmung des Geschmacks bei den Konsumenten besteht.
Testpersonen durften ihrer Leidenschaft für Wein frönen und gleich fünf verschieden Weine verköstigen. Die Preisspanne erstreckte sich von 5 bis 90 USD pro Flasche. Was die Testpersonen nicht wussten ist, dass es nur drei verschiedene Weine gab, und dass jeweils der teuerste und der billigste und der zweit teuerste und zweit billigste ein und derselbe Wein war. Nichts desto trotz erfreute sich der teure Wein großer Popularität während der gleiche „billige“ Wein am schlechtesten bewertet wurde. In einem zweiten Test, wurden die Preisetiketts weggelassen und ausgerechnet der billigste Wein wurde in zwei Drittel der Fälle zum Favoriten erkoren. Daraus lässt sich schließen, dass unsere Erwartungshaltung einen entscheidenden Einfluss auf die wahrgenommenen Sinnesempfindungen hat. Verantwortlich für diese leichte Manipulation ist das Belohnungszentrum in unserem Gehirn, das bei einem hohen Preis wesentlich stärker stimuliert wird und damit „mehr Genuss“ vortäuscht.