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Rey Misterioso: Treffen sich Agave und Hemingway in Montpellier

Rémi Bataillé und Julien Escot haben ihr Papa Doble in Montpellier ganz Ernest Hemingway gewidmet. An ihrem Rey Misterioso hätte der Schriftsteller seine Freude gehabt. Der Tequila- und Mezcal-Twist auf den Old Fashioned besticht durch den subtilen, aber effektvollen Einsatz von Suze Bitters.

Der Süden Frankreichs erzeugt nicht selten schöne Bilder und post-romantische Fresken, in deren Zentrum die gute alte Zeit der Unbeschwertheit steht. In den Lavendelfeldern zwischen all den kleinen und verwinkelten Dörfern gehen oftmals versteckte Juwelen der Trinkkultur – wie das kürzlich besprochene Le Parfum – Hand in Hand mit architektonischen Meisterwerken bedeutender Künstler. Dass es manchmal jedoch gar keines Perlentauchens durch dunkle und längst vergessene Gassen bedarf, um einen wahren Schatz zu finden, beweisen Rémi Bataillé und sein Partner Julien Escot mit ihrer zentral gelegenen Bar Papa Doble in Montpellier.

DER ALTE MANN AM MEER

Ernest Miller Hemingway was no saint“ – so und nicht anders könnte eine kurze Synopsis der von ihm verkörperten Person es nicht besser ausdrücken. Ein intellektueller Trinker und Hobby-Cocktail-Historiker vor dem Herrn, Frauenheld und literarisches Tausendsassa zugleich. Hätte Hemingway sich zwischen der flüssigen Sehnsucht oder der handfesten Liebe entscheiden müssen, er hätte sich selbst wiedergefunden in einem von ihm häufig so brillant geschilderten klassischen Dilemma.

Das Zwiespältige und die Zerrissenheit seiner Person, das Fragile, sich nach Liebe sehnende und die unaufhaltsame Selbstzerstörung seines Körpers – ein erhabener Kontrast zwischen Genie und Wahnsinn und nützliches Potenzial, um die Geschichte dieser ambivalenten Persönlichkeit in seiner eigenen Bar weiterzuerzählen.

ZWISCHENSTOPP IN DER PROVENCE

Rémi Bataillé und Julien Escot sind zwei Größen der französischen Barszene, die sich vor einigen Jahren mit ihrer Speakeasy-angehauchten Bar der Thematik rund um Hemingway widmeten und sie nach dessen Lieblings-Daiquiri-Variante Papa Doble benannten, der Drink, der später auch unter dem Namen „Hemingway Special“ bekannt wurde. Natürlich zieht sich die Geschichte des Schriftstellers auch durch das Dekor und definiert die Stimmung in der sous-terre gelegenen Bar. Trinktechnisch ist die ehemals zu den Top 50-Bars gehörende Adresse jedoch weitaus breiter aufgestellt und widmet sich neben Rum-Klassikern auch modernen Neuinterpretationen anderer klassischer Bekannten. So ist es heute der Old Fashioned-Twist mit dem klangvollen Namen „Rey Misterioso“, der unser Herz in Wallung versetzt.

MYSTERIÖSER KÖNIG

Tatsächlich verbirgt sich hinter dem allzu spektakulär und wahrhaftig mysteriös erscheinenden Namen zunächst eine ganz normale Palette gewöhnlicher Komponenten. Tequila Añejo, Mezcal, Agavendicksaft und Bitters verweisen auf einen mexikanisch-angehauchten Twist des Lieblingsdrinks der Bartendergilde. Dass das Team im Papa Doble für ihre Kreation jedoch auf Suze Bitters statt auf deren gewöhnlichen Bruder schwört, verschafft dem Drink das gewisse Etwas. Das Kräuterige und Herbe erweitert die Mezcal- und Tequilanoten und drückt den Cocktail in eine andere Richtung, weg vom zu erwartenden, langweiligen und oft getrunkenen Mezcal Old Fashioned. Die Bitterkeit des Enzians im Zusammenspiel mit den allgemeinen Tönen des Suze verheißt ein florales und frisches Geschmackserlebnis. Die anschließend in den Cocktail mit eingearbeitete Selleriestange greift die Komposition auf und schafft einen angenehmen Gegenpart.

Letztlich ist der Rey Misterioso also ein besonderes Geschmackserlebnis und weit mehr als ein langweiliger Old Fashioned-Twist. Selbst Hemingway, der alte Rum-Fetischist, hätte seine Freude daran gehabt.

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