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Roxanne Helm im Porträt

Roxanne Helm im Porträt: „Nichts, was du tust, ist unwichtig.“

Vor dem ersten Corona-Lockdown hat Roxanne Helm in der Berliner Provocateur Bar angeheuert. Mittlerweile agiert die gebürtige Kölnerin als stellvertretende Barmanagerin an der Seite von Dennis Keiner – und hat noch viel vor, wie sie im Gespräch mit MIXOLOGY Online verrät.

„Wenn mir jemand noch vor einem Jahr gesagt hätte, du wirst stellvertretende Barmanagerin des ‘Provo‘, hätte ich mir das nicht vorstellen können“, erzählt Roxanne „Roxy“ Helm gleich zum Einstieg. Seit letztem August ist die gebürtige Kölnerin jedoch als solche erstmals in ihrer Laufbahn in einer leitenden Position tätig. Monate zuvor hatte Barmanager Tarek Nix die Hotelbar in der Brandenburgischen Straße verlassen. Dennis Keiner, seit Eröffnung vor fünf Jahren ebenfalls in der von der Gekko Group projektierten Bar tätig, ist in seine Fußstapfen getreten, Roxanne Helm aus dem bis dahin mit Florian Meihorst gleichrangig besetzten Chef de Bar-Rang in das stellvertretende Barmanagement gesprungen.

Hineinwachsen und Holschuld

„Als mit Tarek ein Richtungsgeber gegangen ist, mussten wir uns als Team, das zeitweise aus nur vier Leuten bestand, erstmal formieren und von Tag zu Tag überleben. Es war learning by doing, ein Hineinwachsen und Prozess, in dem sich herauskristallisiert hat, dass ich organisiert und strukturiert arbeite und diese Stelle gerne ausüben möchte“, erinnert sich Roxanne Helm und tritt mit ihrem Wunsch im August an Dennis Keiner heran. „In Spitzenzeiten eignet man sich eine gewisse Holschuld an und wartet nicht darauf, dass jemand zu einem kommt“, sagt sie.

Es sei zwar schön, aus Überzeugung für das Berufsmetier, die auserwählte Bar und im Team gerne mehr zu machen als erforderlich. Schöner aber, dies auch offiziell bekundet zu haben. Mittlerweile fühle es sich gut an. „Was bestimmt an dem unfassbar tollen, selbstreflektierten Team liegt. Auch daran, dass jenes mir vertraut. Schließlich geht es nicht nur um einen guten Ablauf des Abends. Mitarbeiter müssen sich wohlfühlen, jederzeit das Gefühl haben, zu mir kommen zu können“, bekräftigt die einzige Dame in dem nun siebenköpfigen Team.

Dass sie als einzige weibliche Bar-Akteurin wirkt, spiele intern keine Rolle und werde in keiner Weise thematisiert. In der Wahrnehmung der Gäste aber sei das Klischee ihrer Meinung nach weiterhin wahrnehmbar, eine Frau in der Bar sei für den Service, ein Mann für die Drink-Zubereitung zuständig. „Ich werde im Service weniger als Barfrau, meine Kollegen hingegen schon als Bartender gesehen. Ich glaube, diese Sichtweise wird sich erst in der Folgegenerationen ändern, wenn wir unsere Kinder dahingehend erziehen“, findet sie. Schon einmal hätte sie lieber die Rechnung empfohlen, als sie von zwei älteren Herren gebeten worden ist, doch den Barmann hinter ihr um eine Drink-Empfehlung zu bitten. „Ich konnte darüber lachen, weil ich einen guten Tag hatte. Bis zu einem gewissen Grad muss man sich in der Gastronomie auch anpflaumen lassen, aber manchmal ist es ätzend, und man lernt, darüber zu stehen“, weiß die 30-Jährige aus ihrer zwölfjährigen Erfahrung in verschiedenen gastronomischen Stätten.

So kennt man sie: Roxanne 'Roxy' Helm hat meistens ein Lächeln auf den Lippen
So kennt man sie: Roxanne 'Roxy' Helm hat meistens ein Lächeln auf den Lippen

Es beginnt ebenfalls in einer Hotelbar

Schon während ihrer Gymnasial- und Ausbildungszeit in Köln schlägt sie Wurzeln in der gastronomischen Arbeitswelt und jobbt nebenbei im Gasthaus Fühlingen, einem Biergarten mit Kneipe und Kegelbahn, oder im Restaurant Goebels. Nach dem Abitur absolviert sie ihre Ausbildung zur Hotelfachfrau im Ramadan Hotel Hürth bei Köln, arbeitet als Rezeptionistin im Lindner Hotel, bis der Hotelmanager sie für die Hotelbar entdeckt.

„Ich weiß bis heute nicht warum, aber ich bin ihm sehr dankbar dafür, dass er das aus irgendeinem Grund in mir gesehen hat“, denkt Helm zurück, die zudem eine Stelle im Frontoffice oder in der Eventabteilung zur Auswahl hatte. Sie entscheidet sich für die Bar, erlernt bei Marian Krauses Shake Kings die Basics, besucht eine Barschule und erkennt schnell den Unterschied zwischen einer streng klassischen Barkarte mit Blick auf Sex on the beach und jener mit kreativem Drink-Angebot und spezielleren oder selbstgemachten Zutaten.

Sie verlässt die Hotelbar, arbeitet für wenige Monate in der Kölner Haifischbar, um folglich nach Berlin aufzubrechen, wo sie eineinhalb Jahren im Golvet tätig ist. Und dann eben das Provocateur. Dafür hat sie sich bewusst entschieden, ihre Tätigkeit mit Respekt und Ehrfurcht vor der „ausgezeichneten Institution“ (Hotelbar des Jahres und Barteam des Jahres, MIXOLOGY BAR AWARDS 2019) angetreten, um die es in der vergangenen, vor allem von der Pandemie gezeichneten Vergangenheit ein wenig ruhiger geworden ist.

Provocateur Bar

Brandenburgische Straße 21
10707 Berlin

So . DO 11 - 03 Uhr, Fr & Sa 11 - 04 Uhr

Gastgeber-Klischee? Why not …

„Die Arbeit im Provocateur ist aber hart“, habe Tarek Nix zuvor im Gespräch mit ihr mehrmals betont. „Diese Härte hat mich nicht abgeschreckt, und ich habe sehr bald gemerkt, immer besser und schneller zu lernen, wenn man die eigene Grenze überspringt und die Komfortzone verlässt, um sich weiterzuentwickeln.“

Arbeitszeiten, die ein Parallelleben zum Großteil der Gesellschaft wie des eigenen Freundeskreises bewirken, viele Inhouse-Veranstaltungen und zudem zeitintensive Schulungen und Tastings für das gesamte Barteam seien hier an der Tages- wie Nachtordnung. Genauso wie ein buntgemischtes Publikum aus Stamm- und Restaurantgästen, Tourist:innen, Kolleg:innen aus der Gastronomie und Hotelgästen. Diesen wie allen anderen Anforderungen begegnet sie mit viel Leidenschaft, einem für die Gastronomie wesentlichen Parameter. „Sonst geht das nicht, und man würde manche Gäste nicht aushalten. Wenn man aber neugierige, offene Menschen im Gespräch und mit kreativen Drinks begeistern kann, macht es richtig Spaß und Freude. Es klingt nach Gastgeber-Klischee, aber so ist es“, bekräftigt sie.

Transparenz und Wertschätzung

Den Zusammenhalt in dem jungbesetzten Team zu stärken, setzt sie sich für die nahe Zukunft auf ihre Arbeitsagenda. Schließlich sei es ein erklärtes Ziel, etwas zu verändern, das „Provo“ dorthin zu bringen, wo es vor drei Jahren, vor Corona, gestanden hat. Diskussionen über Veranstaltungsorganisationen, Dienstpläne, Abläufe, Produkteinsatz, Drink-Kreationen, Verbesserungsvorschläge oder Wünsche kommen in Team-Meetings oder Einzelgesprächen auf das Tablett. Um persönliche Befinden im Arbeitsalltag zu berücksichtigen, aber auch um Transparenz zu schaffen und Wertschätzung zu intensivieren. „Das Wissen über Vieles kann die Stimmung verbessern, durch Willkür viel Trotz entstehen“, meint Helm, die sich erst daran gewöhnen muss, bei Bedarf auch das manchmal wichtige, letzte Wort haben zu dürfen.

Die Branche und der Barkosmos mit internationaler Vernetzung, Gastschichten an den „heiligen Tresen“ anderer, Wettbewerben und der Verknüpfung mit der Industrie sind ihr ans Herz gewachsen. Während Corona hat auch sie über Berufsalternativen nachgedacht. Aber nicht mehr, denn eigentlich möchte sie nichts anderes tun: „Weil die Branche so viel gibt, sei es der Kontakt mit Kollegen, Gästen oder der Industrie. Es gibt keine Branche, wo man sofort so viel Feedback und Reaktion erntet. Im Barbetrieb ist nichts, was du tust, ist kein Handgriff unwichtig.“

Eine eigene Bar könnte eine Idee für die entferntere Zukunft sein. „Ich liebe Berlin, kann mir aber nicht vorstellen, hier alt zu werden oder Kinder großzuziehen. Köln gefällt mir für die Zukunft besser“, würde es sie dann mit ihrem Partner wieder in deren heimatliche Gefilde verschlagen. Vorerst aber bleibt das Provo das Baby von Roxanne Helm: „Das Provocateur ist meine zweite und letzte Station hier. Das weiß ich, und wir sind noch nicht, wo wir hinwollen. Müsste ich jetzt weg, würde es sich anfühlen, als wäre mein Projekt noch nicht beendet“.

Exit nur auf der Karte

Erst gegen Ende vergangenen Jahres ist die erste, gemeinsam im frisch formierten Team entwickelte Barkarte in bunter, graphisch gestalteter Printform an den Tresenstart gegangen. Ihr trinkkulinarisches Leitthema ist Berlin, das in seiner vielfältigen Gegenwärtigkeit zu zwölf Drink-Hommagen an seine zwölf Bezirke ungesetzt wurde. Für Charlottenburg-Wilmersdorf, attribuiert mit Chic, Prestige und vergleichsweise höherem Preisniveau, vermählen sich Scotch, Szechuan, Grapefruit und Champagner zu einem Seelbach-Twist, während dem bunten Tempelhof-Schöneberg mit einem Tiki-Drink oder Neukölln mit einem Milk-Punch auf Bourbon-Basis gewürdigt wird.

Die letzte Ausfahrt dieses neuen Drink-Kapitels ist weit entfernt von Hochprozentern, weil nur ein alkoholfreier Drink die Ausfahrt Richtung Brandenburg auch zulässt.

Aber für Roxanne Helm ist die Ausfahrt noch lange weg …

Credits

Foto: Aufmacher: Sarah Swantje Fischer; @xfarids

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