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Kill dat Devil - das große Dossier zur Entstehung des Rums

Kill ‘dat Devil! oder die wahre Geschichte, wie der Rum zu seinem Namen kam

Seit über 200 Jahren wird versucht, die Herkunft der Bezeichnungen »Rum« und »Kill-Devil« zu verstehen. Für beide Begriffe gibt es zahlreiche Erklärungsversuche, die jedoch wesentliche Aspekte der religiösen und kulturellen Traditionen versklavter Afrikaner außer Acht lassen. Unternehmen wir an dieser Stelle den Versuch einer neuen Etymologie für den Namen der vielfältigsten Spirituose der Welt.

Die Ursprünge von Zuckerrohrdestillaten liegen im 16. Jahrhundert, bereits zu Beginn desselben sollen sie in Brasilien hergestellt worden sein. Trotzdem gelten die britische Kolonie Barbados und das französische Martinique als Geburtsstätten des Rums. Allgemein wird angenommen, dass man dort in den 1640er Jahren mit der Rum-Destillation begann. Die Frage ist jedoch, ob dieses frühe Destillat wirklich als Rum bezeichnet werden kann, denn man verarbeitete nur den bei der Zuckerherstellung entstehenden Schaum, der von den Kesseln abgeschöpft wurde. Noch in den 1670er Jahren wurde betont, dass man keine Melasse verwendete. Diese galt gemeinhin als Abfall. Doch auf diese Details kommt es im Zusammenhang mit einer Etymologie nicht an. Ausschlaggebend ist vielmehr, daß beide Begriffe, »Kill-Devil« und »Rum«, erstmals auf Barbados dokumentiert wurden.

Die bisherige Etymologie: Kill-Devil, Rum & Rumbullion

Der klassischen Betrachtungsweise zufolge begannen barbadische Pflanzer zwischen 1640 und 1645 damit, ein Zuckerrohrdestillat herzustellen. Dieses wurde »Kill-Devil« genannt. Bis heute vermochte niemand eindeutig zu belegen, wieso das Destillat diesen Namen erhielt. Sir Hans Sloane war 1707 der Meinung, dies sei geschehen, weil es teufelsgleich viele Menschen töte. Es besteht Konsens darüber, dass die Bezeichnung Kill-Devil als guildive ins Französische übernommen wurde, ins Niederländische als kiltem oder keelduivel, ins Dänische als kieldeevil oder geldyvel. Französische Sprachforscher vertraten die Auffassung, guildive sei eine Wortkombination aus gi-ler, was das Hochschäumen der Hefe bezeichne, und dive, einer Abwandlung des französischen Wortes diable für den Teufel. Jedoch merkte bereits Émile Littré im 19. Jahrhundert an, dass dies nicht stimmen müsse, da man nie wisse, ob nicht doch irgendein besonderer Umstand oder ein Eigenname hinter der Bezeichnung stecke, und dass außerdem historische Informationen fehlten. Manche finden jedoch die französische Erklärung so überzeugend, dass sie postulieren, Kill-Devil sei in Wahrheit aus dem Französischen ins Englische übernommen worden. Doch dafür gibt es keinen Beleg. Nicht überzeugend ist auch die Erklärung, guildive sei eine Kombination des malaii-schen Wortes giler (»verrückt«) mit dem französischen diable.

»Rum« ist ein jüngeres Wort als Kill-Devil. Erstmals wurde es in einer barbadischen Urkunde des Jahres 1650 verwendet, in der vier große Rum-Zisternen einer Plantage erwähnt werden. Es gibt zahlreiche Quellen, die belegen, dass man unter Rum und Kill-Devil dasselbe verstand. Giles Silvester, Bruder eines einflussreichen Pflantagenbestizers, schrieb im Jahr 1651: »Das wichtigste Rauschmittel, das sie auf der Insel herstellen, ist Rumbullion alias Kill-Divill, und dieses wird aus Zuckerrohr destilliert, eine scharfe, höllische, und schreckliche Spirituose.«

Gemeinhin nimmt man diese Äußerung als Beleg dafür, dass die Bezeichnung »Rum« durch Verkürzung aus »Rumbullion« entstanden sei. James Richard Halliwell gibt 1847 an, das Wort Rum-bullion bedeute »großer Tumult« und stamme aus Devonshire. Als man auf Barbados mit der Zuckerproduktion begann, waren auch Siedler aus Devonshire ansässig, und Darnell Davis bemerkt in diesem Zusammenhang in seiner 1885 erschienenen Etymologie des Wortes Rum, »es war zweifellos einem weitsichtigen Mann aus dem Westen zu verdanken, dass die Ursache für so viel Unfrieden unter den Männern so treffend benannt wurde.« Andere hingegen meinen, mit dem großen Tumult werde Bezug das heftige Aufschäumen der Hefe bei der Fermentierung des Zu-ckerrohres genommen. Davis vermutet indes, dass aus Rumbullion zunächst die Bezeichnung »Rumbo« entstanden sei. Er führt als Argument an, dass Sir Walter Scott in seinem Buch The Pirates, schreibe, man habe »eine Kanne voll Rumbo« getrunken, und bemerkt, dass man auch während der Revolutionsjahre in New York Rumbo getrunken habe. Rumbo sei dann weiter zu Rum verkürzt worden.

Brühe oder Rum?

Es gibt jedoch auch andere, weniger geläufige Erklärungen. Manche sagen, Rumbullion sei eine Verknüpfung von rum und bouillon, französisch für »heiße Brühe«, und beschreibe einen heißen Punsch. Andere leiten das Wort von der Bezeichnung »Römer« für ein Weinglas ab. Manchmal heißt es, Rum sei eine Verkürzung von »Rumbustion«, ein englischer Ausdruck mit derselben Bedeutung wie Rumbullion. Dann wiederum soll es aus der Sprache der Roma stammen, denn dort bezeichne rum soviel wie »stark« und »potent«. Sogar das Sanskrit wird bemüht, wo roma soviel wie »Wasser« bedeute. Andere meinen aber, Rum sei eine Kurzform von Rombooze, Rambooze oder Rumfustian, die Mitte des 16. Jahrhunderts populäre englische Getränke aus Eiern, Ale, Wein, Zucker und verschiedenen Gewürzen waren – nicht jedoch mit einem Destillat.

Einem anderen Vorschlag zufolge sei »Rum booze« im Plural zu »Rumboes« geworden, welches wiederum im Singular zu »Rumbo« wurde, und Rum sei wiederum eine Kurzform davon. Dann gibt es noch die Ansicht, »-rum« sei aus der letzten Silbe der lateinischen Bezeichnung für Zucker, saccharum, ab-geleitet. Nach einer anderen Meinung habe das Zuckerrohrdestillat zunächst keinen eigenen Na-men gehabt, sei aber so außergewöhnlich gut gewesen, daß man es deshalb Rum genannt habe, denn das »Wort Rum scheint früher in Großbritannien verwendet worden zu sein, um die Vorstellung von etwas Feinem, Reichem, Bestem oder Ausgezeichnetem zu vermitteln.«

Auf nach Afrika!

Doch bei neutraler Sicht sieht die Erklärung anders aus. Für ein volles Verständnis müssen wir uns mit den religiösen Traditionen im tropischen Afrika vertraut machen. In Westafrika und im westlichen Zentralafrika spielten Ahnen, Geister und Gottheiten nicht nur während der Zeit des transatlantischen Sklavenhandels eine aktive Rolle im täglichen Leben. Alkohol, traditionell in Form eines Palmweines, war unerlässlich, um mit ihnen Kontakt aufzunehmen und zu kommunizieren. Deshalb war Alkohol zentraler Bestandteil aller religiösen Praktiken. Seine psychoaktive Wirkung unterstützte die Besitzergreifung eines Lebenden durch einen Geist. Man vergoss Trankopfer, um die Gunst der Ahnen zu erbitten, um Geister und Gottheiten zu besänftigen, um ihnen eine Ehre zu erweisen, und um die Genesung eines Erkrankten zu beschleunigen. Der Kontakt in die Geisterwelt war notwendig, um die Bedürfnisse der Gemeinschaft zu sichern. Die Geburt repräsentierte die Rückkehr eines Geistes in die Welt der Lebenden. Für ein erfolgreiches Überwechseln war die Unterstützung von Alkohol notwendig. Man gab einem Neugeborenen nach der langen Reise aus der Geisterwelt Alkohol, um seine Kehle zu befeuchten, denn in einem Neugeborenen befand sich der wiedergeborene Geist eines verstorbenen Verwandten. Mit Unterstützung von Alkohol war es möglich, dessen Identität festzustellen, und als Gruß an ihn schenkte man dem Neugeborenen Palmwein. Auch bei der Eheschließung war Alkohol unerlässlich, um die Zustimmung und die Hilfe der Ahnen zu erlangen.

Der Tod markierte das Ende des physischen Lebens und die Rückkehr in die Geisterwelt. Auch bei dieser Transformation war Alkohol von zentraler Bedeutung. Große Mengen an Alkohol gewährleisteten einen erfolgreichen Übergang in die Geisterwelt, und Alkoholopfer garantierten die zukünftige Unterstützung der Verstorben und somit Wohlstand für die zurückgelassene Familie und die Gemeinschaft. Die Heiligkeit des Alkohols war auch beim Schlichten von Streitigkeiten notwendig und half dabei, soziale Spaltungen zu reparieren, Bündnisse zu schließen und Gemeinschaftsbande zu stärken. Alkohol war notwendig, um einen Eid abzulegen. Man trank ihn, verbunden mit der Verwünschung, daß die Geister einen Wortbruch mit dem Tod ahnden würden.

Da die Kommunikation mit der Geisterwelt nur mit Alkohol möglich war, war dessen Besitz eine machtvolle Form der sozialen Kontrolle durch Stammeshäuptlinge und Stammesälteste, die Land und Arbeitskräfte zur Verfügung hatten, um Palmwein herzustellen. Seine Wichtigkeit für den Machterhalt zeigt sich auch darin, dass kriegsführende Gruppen versuchten, die spirituelle Macht ihrer Feinde zu zerstören, indem sie deren Palmenhaine zerstörten.

Europäer waren oft der Meinung, dass Afrikaner den Teufel anbeteten. Diese Ansicht beruht jedoch auf einem falschen Verständnis der afrikanischen Spiritualität. Eine 1749 in deutscher Überset-zung erschienene Reisebeschreibung bemerkt: »Alles Böse nennen sie Teufel« und stellt auch fest: »sie hätten einen Begriff von einem obern unsichtbaren Wesen, Namens Orissa, das Himmel und Erde erschaffen hätte, und die Welt noch regierte. Aber weil es allezeit gut ist; so halten sie für unnöthig, dasselbe anzubethen; da sie gegentheils den Teufel mit Opfern zu besänftigen suchen. … Aller Gottesdienst wird ihren Feld- und Hausgötzen erzeiget, deren sie eine große Menge haben. Ein jeder hat, nach seinem Amte und dem, was unter ihm steht, seinen besondern Namen.«

Ein anderes Buch von 1732 berichtet: »Die Schwarzen fürchten den Teufel sehr und erzittern schon bei seinem Namen, schreiben ihm all ihr Unglück und ihre Enttäuschungen zu und glauben, daß ihre anderen besonderen Gottheiten manchmal von ihm überstimmt werden«. In einem Text aus dem Jahr 1606 heißt es: »Wenn man sie fraget: warum sie den Teufel anbethen? so antworten sie: weil er ihnen Schaden tue, Gott aber nicht.«

Das Krododil als Schlüsselfigur

Aufschlussreich für unsere Etymologie ist ein 1747 in London erschienenes Buch. Im Index steht folgender Verweis: Bumbo, Negro Devil ii.183 c. An der entsprechenden Stelle finden wir jedoch keinerlei Hinweis auf den Teufel. Beschrieben wird eine Reise zur Entdeckung des Flusses Gambia im Jahr 1620/1621. Darin heißt es in der deutschen Übersetzung von 1748: »Es giebt in der Gambra viele Crocodile, welche von den Landeseinwohnern Bumbo genannt werden. Die Schwarzen fürchten sich dermaßen vor ihnen, daß sie sich nicht unterstehen, ihre Hände in dem Flusse zu waschen, noch vielweniger durchschwimmen oder waten wollen, indem sie viele klägliche Ge-schichte von ihren Freunden haben, die von den Crocodilen verschlungen worden«. Dieser Eintrag lässt also nur den Schluss zu, dass das Krokodil, in der Landessprache Bumbo genannt, bei den Afrikanern aus Sicht der Europäer als Verkörperung des Teufels gegolten haben muss. Zahlreiche andere Veröffentlichungen bestätigen, dass »Krokodil« auf Mandingoisch Bumbo heißt. »Manding« ist eine Sammelbezeichnung für verschiedene Dialekte Westafrikas. Das Wort kann jedoch noch andere Bedeutungen haben, nämlich Vagina und Anus, und man versteht es noch im westlichen Zentralafrika. In Westafrika gilt das Krokodil als Fruchtbarkeitssymbol. Das erklärt, warum Bumbo sowohl Krokodil als auch Vagina bedeuten kann.

Eines der religiösen Symbole des westafrikanischen Volkes der Yoruba ist das Opon Ifá. Darauf werden oft Männer und Frauen, oft mit ausgeprägtem Genitalbereich, und verschiedene Tiere dargestellt, vorzugsweise solche, die den Übergang zwischen verschiedenen Bereichen der Existenz darstellen. Als eines davon gilt das grenzüberschreitende Krokodil, das für die Kommunikation zu Ahnen, Geistern und Gottheiten wichtig ist. In Burkina Faso glaubt man, dass Krokodile die Seelen der Vorfahren verkörpern, weshalb sie als heilig gelten.

Voodoo, Obeah & Santeria

Voodoo ist eine Religion, die ursprünglich bei den Fon in Westafrika entstand. Der Begriff leitet sich von der Bezeichnung der Fon für »Geist« ab. Im Mittelpunkt stehen die Ahnen und zahlreiche Gottheiten. Auch dort spielt der Geist des Krokodils eine Rolle, und es werden ihm Altäre in Krokodilsgestalt errichtet, denn das im Wasser und an Land lebende Krokodil gilt als Tier des Übergangs zwischen den Welten und bringt auch die Geister der Verstorbenen über den Fluss, der die Welt der Toten und der Lebenden voneinander trennt. Vom Geist des Krokodils Besessene bewegen sich wie Krokodile, und einige Voodoosi glauben, dass einem Krokodilschädel die Kraft inne wohne, einen Menschen ins Jenseits zu befördern. Das mag sicherlich damit zu tun haben, dass in Westafrika Menschen oft von Krokodilen angegriffen wurden. In einem Bericht aus dem Jahr 1774 über die Geschichte Jamaikas wird auch auf die dort gebräuchliche Sprache eingegangen. Man sagt dort, die dortigen afrikanischen Einwanderer sprächen eine Mischung von afrikanischen Dialekten und schlechtem Englisch, denn so sei es für sie einfacher, sich den importierten Sklaven verständlich zu machen. Als Beispiel wird auch hier angeführt, dass Bumbo sowohl Alligator als auch Vagina bezeichnen könne.

Mit den Sklaven kam der westafrikanische Glaube in die Karibik. Alkohol war leicht verfügbar, und so konnten sie weiterhin mit seiner Hilfe Kontakt zu Ahnen, Geistern und Gottheiten aufnehmen. Wie schon in Afrika spielte er nicht nur bei Hochzeiten, sondern auch bei Geburten und Beerdigungen dieselbe wichtige Rolle, um den erfolgreichen Übergang zwischen den Welten zu gewähr-leisten. Man trank und opferte Alkohol. Da verschiedene Traditionen zusammenkamen, entwickelten sich die afrikanischen Religionen auch unter Einbeziehung christlicher Elemente weiter. In der britischen Karibik nannte man dies Obeah, eine weit verbreitete Form des Heilens und der Spiritualität. In der französischen Karibik wurde Voodoo zum Sammelbegriff der afrikanischen Religionen. Auf Kuba nannte man die Verschmelzung Santeria.

Bereits in Afrika kannte man Wassergottheiten, und in der Karibik verehrte man im Voodoo auch Mami Watá, was übersetzt »Mutter des Wassers« bedeutet – zu ihren Begleitern zählt auch das Krokodil. Zu den Kulthandlungen gehörten nicht nur Opferrituale, sondern auch Besessenheitstänze. Es wird angenommen, dass auch Mami Watá ihren Ursprung in Afrika hat, denn ihre nixenartige Gestalt könnte vom afrikanischen Manati herrühren, einer Seekuh, die vorwiegend in Mangrovenwäldern, Flüssen und deren Mündungsgebiet lebt und dabei weit ins Landesinnere vordringt.

Archäologische Beweise deuten darauf hin, dass die Höhlen auf Barbados den Sklaven geheime Zufluchtsorte boten, um Alkohol zu konsumieren und traditionelle afrikanische religiöse Praktiken aufrechtzuerhalten. Ein Analogon zu Afrika ist aus sozialer Sicht interessant: In Afrika kontrollierte die herrschende Schicht die Produktion und Verteilung von Alkohol. In der Karibik kam diese Rolle den Sklavenhaltern zu. Sie waren in Besitz der heiligen Flüssigkeit, die für eine Kommunikation mit der spirituellen Welt und einen erfolgreichen Übergang dazwischen unerlässlich war. Sie verteilten Alkohol, auch bei Geburten, Hochzeiten und Beerdigungen. Jedoch ergriffen auch die Sklaven die Initiative zur Beschaffung von Alkohol für spirituelle Veranstaltungen.

Der Versuch einer neuen Etymologie für Rum

Wie wir gesehen haben, verkörperte das Krokodil in der Tradition der karibisch-afrikanischen Naturreligionen häufig einen bösen Geist, den es zu besänftigen galt. Es ist ein Fruchtbarkeitssymbol, konnte einem Menschen aber auch den Tod bringen. Es galt als Tier des Übergangs zwischen den Welten und brachte Verstorbene über den Grenzfluss zwischen Dies- und Jenseits. Da es Grenzen überschreiten konnte, war es für die Kommunikation mit Ahnen, Geistern und Gottheiten wichtig. Manche glaubten sogar, es sei die Verkörperung der Seelen ihrer Vorfahren. Das Krokodil spielt somit in der afrikanischen Spiritualität eine hochgradig bedeutende Rolle. Ebenso war Alkohol unersetzlich und bedeutend. Für die spirituelle Kommunikation mit der Geisterwelt und zur Besänftigung des Krokodils war Alkohol als heilige Substanz notwendig. Daher liegt die Vermutung nah, dass die Bezeichnung Bumbo auch auf die bei den Riten verwendete alkoholische Flüssigkeit übertragen wurde. Dies kann durchaus schon in Afrika geschehen sein. Europäer waren nicht in die religiösen Zeremonien involviert, so dass man vermuten kann, daß sie diese Bedeutung des Wortes nicht kannten und aufzeichneten.

Die Wichtigkeit des Alkohols für afrikanischen Sklaven zeigt sich auch darin, daß sie sofort nach ihrer Ankunft in der Karibik damit begannen, Palmwein herzustellen, so wie es 1658 für St. Kitts belegt ist. Sie nutzten jedoch auch die Möglichkeiten, die Zuckerrohr bot. Nicht nur sie, sondern auch spanische Kolonisten bereiteten daraus ein fermentiertes Getränk zu, erstmals erwähnt 1615, das von den Europäern Guarapo, Garapa, Grappe oder Grippo genannt wurde. Auf Hispaniola (der Insel, auf der sich die heutigen Staaten Haiti und Dominikanische Republik befinden) sollen im 16. Jahrhundert die Sklaven Hauptabnehmer für dieses Getränk gewesen sein. Alles spricht dafür, dass Afrikaner in Amerika die ersten Experimente mit der Fermentierung von Zuckerrohrsaft und Melasse durchgeführt haben. Ihr Wunsch danach könnte dazu geführt haben, dass karibische Zuckerrohrpflanzer deshalb das ökonomische Potenzial von aus Zuckerrohr hergestelltem Alkohol als lokale Ware und auch als mögliches Exportgut für den afrikanischen Markt in Betracht zogen, und man begann damit, Kill-Devil zu produzieren.

Rum und Kill Devil: Das ist doch eins!

Als zentrales Postulat kann somit gelten, dass afrikanische Sklaven in der Karibik ihre traditionellen Riten beibehielten. Dabei tranken sie ein alkoholisches Getränk, das sie Bumbo nannten, das in der Karibik überwiegend aus der Fermentierung von Zuckerrohr gewonnen wurde. Man kann sich gut vorstellen, dass sie von Europäern gefragt wurden, was das sei und wobei es helfe. Sie versuchten dies, so gut sie konnten, in gebrochenem Englisch zu erklären: Es sei dazu da, den oder die bösen Geister zu besänftigen und für eine gewisse Zeit zu beruhigen, sie gewissermaßen zu töten oder unschädlich zu machen. Das Krokodil wurde von den Europäern als der »Teufel der Schwarzen« bezeichnet, und so liegt es nah, dass man Bumbo, als Bezeichnung des Krokodils, mit Teufel übersetzte. Das alkoholische Getränk sei der »Kill-Devil«, der Teufels-Töter. Dies ist nämlich die wahre Bedeutung des Wortes Kill-Devil.

Christopher Marlowe bestätigt dies in seiner um 1590 erschienenen Tragödie des Doktor Faustus. Man mag nun einwenden, dass man als Kill-Devil ein Destillat bezeichnete, nicht jedoch ein fermentiertes Getränk. Doch 1739 beschreibt der Barbadier Charles Leslie Kill-Devil als einen Rum-Punsch, der »von Dienern und der minderwertigen Art von Menschen« getrunken werde, also als etwas Alkoholarmes. Da die Sklaven sicherlich keine feste Rezeptur für ihren Bumbo hatten (denn es war ein Sammelbegriff für alkoholische Getränke), verwundert es nicht, dass auch in den überlieferten Rezepten für Bumbo keine greifbare Konstanz vorhanden ist. Die erste Erwähnung ist übrigens aus dem Jahr 1698 im Zusammenhang mit dem Gerichtsprozess gegen Captain Kid: Er trank Bumbo vor Madagaskar. Gemein scheint allen Rezepten jedoch zu sein, dass sie eine Art Punch oder besser gesagt mit Wasser verdünnter Rum sind.

Im beginnenden britischen Weltreich war Barbados die reichste und bevölkerungsreichste Kolonie. Wer es sich leisten konnte, bevorzugte importierten Alkohol, französischen Brandy, Weine aus Frankreich, Spanien, Madeira oder von den Kanaren. Die Pflantageneigner erkannten jedoch das Potenzial von Zuckerrohrdestillaten und begannen für die Sklaven und die Unterschicht ein solches zu brennen, und es erhielt die Bezeichnung Kill-Devil von dessen Hauptkonsumenten. So erklärt sich die Wortherkunft von Kill-Devil.

Es erklärt aber gleichzeitig auch die Herkunft des Wortes Rum. Bumbo wurde oft auch Rumbo genannt. Man wusste, daß Bumbo oder Rumbo ein Kill-Devil ist. Nun kommen die bereits zitierten Siedler aus Devonshire ins Spiel. Sie hörten Bumbo oder Rumbo und fühlten sich an ihr heimisches Wort Rumbullion erinnert, so dass sie diese Langform verwendeten.

Gleichzeitig wurde jedoch Rumbo auch verkürzt in die heute noch gängige Bezeichnung Rum. Das bedeutet: Auch Rum steht im Grunde genommen für nichts anderes als Kill-Devil und beide sind eng mit der traditionellen afrikanischen Spiritualität verknüpft. Es mag sein, dass bei weiterer Forschung einzelne Argumente dieser Herleitung angepasst werden müssen, und manch einer wird vielleicht nicht zustimmen wollen. Doch das Hauptindiz für die Richtigkeit liegt darin, dass durch die Berücksichtigung wesentlicher Aspekte der religiösen und kulturellen Traditionen versklavter Afrikaner sinnvoll eine gemeinsame Wortherkunft von Kill-Devil und Rum abgeleitet werden kann. Mit gleicher Bedeutung der Worte.

Dieser Text erschien ursprünglich in der Ausgabe MIXOLOGY 2-2002. Für diese Wiederveröffentlichung wurde der Beitrag formal angepasst, inhaltlich aber nicht verändert. Informationen zu dem Kauf eines Einzelheftes findet sich hier, Informationen zu einem Abonnement hier

Credits

Foto: Editienne

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