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Der Sazerac Cocktail ist ein Klassiker aus New Orleans

O Sazerac, Where Art Thou? Vom Aufstieg, Fall – und Wiederaufstieg? – eines Klassikers

Der Sazerac Cocktail ist einer der großen Klassiker und ein Referenzdrink der Bar-Renaissance. Im Gegensatz zu seinem engen Verwandten, dem Old Fashioned, ist es jedoch ruhig um ihn geworden. Man könnte auch sagen: zu ruhig. Stimmt das? Und muss das so bleiben?

Auch die Bar-Renaissance der Nuller-Jahre war bereits begleitet von Video-Tutorials. Es handelte sich dabei jedoch um keine slicken Insta-Reels, in denen ein Corpse Reviver No.2 in fünfzehn flotten Sekunden erklärt wurde, Bartender-Pirouette inklusive. Sie kamen eher von Menschen wie dem US-Amerikaner Robert Hess, der in einem ulkigen Bowling-Shirt an den braven Cousin von Charlie Sheen erinnerte und so langsam dozierte, wie er rührte; der aber als „DrinkBoy“ eine der seriösesten Cocktail-Simmen war und nicht zuletzt Ehemann von Audrey Saunders, damalige Betreiberin des Pegu Club in New York und Erfinderin von Neo-Klassikern wie dem Old Cuban.

In diesem Video erklärt Hess den Sazerac. Der aus New Orleans stammende Drink galt als eine Abwandlung des Old Fashioned, er war aber auch ein bisschen aufregender in der Herstellung; ein kleiner Tumbler wurde à Part mit Eis und Absinth vorbereitet, während der eigentliche Drink im Rührglas gerührt wird. Dazu kamen Peychaud’s Bitters, die etwas zierlichere Cousine der Angostura Bitters.

Dann kam der Drink ohne Eis in einen kleinen Tumbler, in den sonst eigentlich kaum etwas kam außer eben ein Sazerac. Dazu eine Zitronenzeste, so lange wie die Federboa einer Operndiva, die vom Glas auf den Tresen hing wie ein begossener Pudel. Den Fehler macht man aber nur einmal. (Oder – wie in meinem Fall – dreimal.) Aber es war eben ein SAZERAC! Mit Bourbon Whiskey. Dann mit Rye Whiskey. Dann mit der Diskussion: mit Rye oder Cognac – oder einer Kombination aus beidem? (Die wahre, oft falsch erzählte Geschichte zur Entstehung des Sazerac, die nicht Gegenstand dieses Artikels ist, findet sich hier.)

Sazerac

Zutaten

6 cl Rye Whiskey (oder Cognac)
1 BL Zuckersirup
2 Dashes Peychaud’s Bitters
Absinth

Ein Hauch Absinth ist charakteristisch für den Sazerac Cocktail
Ein Hauch Absinth ist charakteristisch für den Sazerac Cocktail

Der Old Fashioned räumt das Feld auf

Dann kam der Old Fashioned. Er war natürlich ohnehin bereits da, aber dann kam er wirklich. Also so richtig. Alle wollten sich am Tresen am Old Fashioned-Tumbler festkrallen wie Don Draper und verwegen in die Dunkelheit der Nacht und die Abgründe des eigenen Nihilismus starren. Der Old Fashioned wurde zum Gin & Tonic der Whiskey-Cocktails. Diese Entwicklung hat sich seither nicht abgeschwächt, sondern wurde durch die Corona-Pandemie sogar noch ausgebaut: Kaum ein Bottled-Cocktail-Portfolio ohne einen Old Fashioned, denn Whiskey, Zucker und Bitters lassen sich einfach in eine Flasche packen. Ein Sazerac weniger.

Auch auf Barkarten der wiedergeöffneten Bars hat ihn das Plätze gekostet, die er ohnehin schon an andere vergeben hatte müssen. Der Sazerac scheint irgendwie verblasst, ein glänzender Stummfilmstar, der sich nicht in die Ton-Ära retten konnte. Das unterstützt auch eine Instagram-Umfrage auf unserem MIXOLOGY-Account: 56 Prozent sagen, dass sie den Sazerac eher nicht mehr machen würden. Man muss nicht in einen DeLorean steigen, um zu ahnen: Vor fünfzehn Jahren wäre diese Umfrage anders ausgegangen.

Ist der Absinth schuld?

Nun ist eine Instagram-Umfrage auf dem eigenen Account wahrlich keine wissenschaftliche Arbeit, aber eben doch ein wenig aussagekräftig. Fragen wir also bei einem nach, der mehr oder weniger von Anfang an dabei war. Stimmt die Theorie, dass der Sazerac in Bartenderkreisen ein beliebterer Referenzdrink der Bar-Renaissance war, aber sich dem Old Fashioned beugen musste, Jeffrey Morgenthaler?

„Ich würde zustimmen. Die beiden Gründe, die ich nennen kann, sind die leichte Schwierigkeit für manche Leute, Peychaud’s Bitters zu finden – vor allem für Heimbartender, die vielleicht nicht noch eine Flasche Bitters wollen, die für immer herumliegt –, sowie der etwas polarisierende Geschmack von Absinth“, so Morgenthaler, der vor wenigen Monaten sein Pacific Standard in Portland eröffnet. „Ich denke, diese beiden Elemente halten den Sazerac davon ab, sich wirklich zu etablieren. Der Old Fashioned ist einfacher zuzubereiten und die Zutaten dafür sind leichter zu beschaffen.“

In die gleiche Kerbe des Absinthes schlägt auch Damien Guichard aus dem Wax On in Berlin. „Wir machen Sazerac, haben ihn aber nicht auf der Karte. In der Regel wird er von Amerikanern bestellt, die an klassische Cocktails gewöhnt sind und für die eine Bestellung einer Art Sicherheitsnetz gleichkommt. Der deutsche Gaumen ist kein großer Fan von Anis-Cocktails. Jedes Mal, wenn wir einen Drink mit Absinth auf der Karte haben, laufen sie nicht sehr gut.“

Müssen Bartender:innen den Sazerac Cocktail wieder hochheben?

Touché, könnte man sagen! Aber der Absinth ist ja nur ein Zünglein an der Waage dieses Drinks. Wieviel „Schuld“ trägt also die Bar selbst? Muss der Sazerac besser erklärt werden? Sollten Bartender:innen diesen historischen Kelch des Antoine Peychaud, der einst so glänzend strahlte, wieder hochhalten? Mo Kaba denkt ja: „Zunächst einmal ist der Sazerac einer der besten klassischen Cocktails, wenn er gut gebaut ist. Aber ich glaube, dass er heutzutage und vor allem hier in Deutschland von Bars kaum noch angeboten wird. Mittlerweile kennen ihn nur wenige der begeisterten Gäste des Fine-Drinking“, so der Betreiber des Salon Ruppel in Karlsruhe. „Ich werde ihn auf meine nächste Winterkarte setzen. Wenn ihn Gäste erst einmal sehen, werden sie nicht zögern, ihn zu bestellen, weil sie uns zu 100 Prozent vertrauen.“

Ein weiteres Argument Pro-Sazerac liefert Simon Bach aus seiner Woods Bar in Köln. Die kleine Bar verkauft zwar zu 90 Prozent Signature Cocktails, aber der Sazerac liegt zumindest auf Platz Zwei der gefragten Klassiker. (Natürlich hinter dem Old Fashioned.) „Ich habe den Eindruck, dass das Interesse an Cocktailgeschichte, den „Unforgettables“ und eben den doch fast vergessenen Drinks, den Drink beliebt machen. Der zweite Grund ist das zunehmende Interesse an Cognac. Ein merklicher Anteil an Stammgästen weiß diese Spirituose wieder zu schätzen. Die Kollegen der Barszene tun den Rest.“

Quod erat demonstrandum! Könnte also mit einem (vermeintlichen) gesteigerten Interesse an – ausgerechnet – Cognac auch der Sazerac wieder in den Fokus rücken? Und seinen dritten, vierten Frühling erleben? Frage gestellt. Ausgang offen. Lösung vorgeschlagen: Trinkt mehr Sazeracs!

Credits

Foto: Sarah Swantje Fischer

Comments (1)

  • Kevin Domanski

    Ich liebe den Sazerac in all seinen Facetten, seitdem ich ihn zum ersten Mal getrunken habe. ich bestelle ihn gerne bei Freunden an der Bar, in Bars, wo ich noch nie war und mache ihn mir hin und wieder selbst zum Feierabend.. einfach großartig.

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