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Vom Dachbodenfund zum Medaillenregen: Seef Bier

Ein historischer Exkurs in die Bierhistorie brachte Johan van Dyck auf die Spur des verschwundenen Braustils namens Seef. Seine zweijährige Forschung in Bibliotheken und Altersheimen erweckte das Seef schließlich zu neuem Leben. Vorhang auf für ein erstaunliches Stück belgische Brau-Archäologie.

Schauplatz, beziehungsweise Brauplatz der Geschichte, ist Antwerpen in Westflandern. Johan van Dyck ist der pfiffige Kopf hinter dem Projekt. Lange war er in verantwortlicher Position für die Geschicke der Duvel/Mortgat–Brauereigruppe als Marketing Direktor mitverantwortlich. Eines Tages stieß er auf ein altes Buch über die alten Brauereien von Antwerpen, von denen es einst an die 100 gab. Heute gibt es im Stadtgebiet noch gerade einmal zwei Brauereien, in der umliegenden Region sind es insgesamt 13.

In dem Buch entdeckte van Dyck einen Bierstil, der das 19. Jahrhundert hindurch wohl der am weiten verbreitetste Bierstil in Antwerpen gewesen sein muss und Erwähnung findet als „Champagner der Arbeiterklasse“: Seef.

Jäger des verlorenen Bier-Schatzes

Der Bierstil Seef war aber verschwunden und taucht mittlerweile nirgends mehr auf. Der Marketing-Mann war zunehmend fasziniert, manche seiner Freunde sagen: besessen. Dieses Bier wollte er wiederentdecken, wiederbrauen.

Die mühsame Jagd beginnt. Informationen, oder gar Rezepte, sind Mangelware. Er durchstöbert zwei Jahre lang Bibliotheken, konsultiert Bierexperten der belgischen Braustile und tourt sogar durch Altenheime, um betagte, 90-jährige Brauer zu finden, die womöglich aus ihren Erinnerungen noch einige Details zum Seef Bier beitragen können.

Warum ist das Seef verschwunden? „Mehrere Gründe haben dazu beigetragen“, erklärt van Dyck. „Der Siegeszug der Pilsener Brauart und die wachsende Popularität der untergärigen Lagerbiere in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts trugen dazu bei, dass regionale Braustile ins Hintertreffen gerieten. Der Fortschritt bei den Kühlmaschinen führte weiters dazu, dass längere Lieferwege und längere Haltbarkeit möglich waren. Konzerne verdrängten kleinere Brauereien.“ Ein weiterer Grund liegt darin, dass in Kriegszeiten Metall für Rüstungszwecke beschlagnahmt und eingeschmolzen wurde, was kleinere Brauereien ruinierte und sie zur Aufgabe und Schließung zwang.

The Big Beer Theory

Rettung brachte ein kleines, handgeschriebenes Notizbuch. Ein Dachbodenfund bei einer alten Brauerfamilie, deren Vorfahre einige Rezeptnotizen hinterlassen hatte, welche die entscheidenden Hinweise bezüglich der Rezeptur enthielten. Eine Mischung aus Buchweizen, Weizen, Hafer und einer regionalen Hopfensorte bilden die Basis der Rezeptur. Als besonders Problematisch erwies sich die Hefe.

Nun musste die Wissenschaft ins Spiel kommen. Einerseits galt es, die historischen Braumethoden von vor 150 Jahren auf moderne Brautechnik von heute zu übersetzen, zum anderen musste die passende Hefe gefunden werden. Professor Freddy Delvaux und sein Sohn Filip sind an der Universität von Leuven in den Bereichen Biochemie und Brauwesen tätig und halfen entscheidend bei der Rekonstruktion der fehlenden Rezeptur-Bestandteile. Die Lösung beruhte in einer Art Bäckerhefe, in einer historischen Hefebank fanden sich tatsächlich noch die idealen Stämme der passenden Hefe. Ein erster Sud konnte angesetzt werden. Das Ergebnis schmeckte Johan van Dyck. Er wollte mehr von dem Bier.

Mad Men?

Johan schweigt lächelnd bei der Frage, wie er seine Ehefrau denn dazu bringen konnte, einzuwilligen, dass er seinen gut bezahlten Job hinschmiss und die Ersparnisse von der Bank holte, um damit seine Antwerpse Brouw Compagnie zu gründen. Ein Freund hatte eine Brauerei geerbt, die Roman Brauerei in Oudenaarde in Ostflandern, dort durfte van Dyck das Bier brauen.

2012 war die erste Abfüllung fertig und wurde offiziell im Rathaus von Antwerpen vom Bürgermeister eingeweiht. Die eingebraute Menge, die eigentlich für acht Monate reichen sollte, war in zwei Wochen ausgetrunken. Überraschende Medaillen bei internationalen Bierwettbewerben sorgten für weitere Aufmerksamkeit und Bier-Bedarf weltweit.

Aber die Hefen sind heikel und die Lagerzeit ist lang. Van Dyck erinnert sich: „Technik, Zutaten und Rezeptur für das empfindliche Gebräu mussten sich erst einspielen und wir haben viel dazu gelernt. Das dritte Batch mussten wir komplett wegschütten.“ Mittlerweile ist das Bier etabliert und das Logo, das aus einer lange geschlossenen Brauerei stammt, ziert bereits zahlreiche Zapfhähne der Gegend, insbesondere im Stadtteil Seefhoek im Norden Antwerpens, das seinen Namen tatsächlich von dem Bier erhielt, das dort früher in den zahlreichen Bars und Tanzlokalen ausgeschenkt wurde. 2016 soll nun das entscheidende Jahr für die geschützte Marke Seef Bier werden. Johan van Dyck möchte bald die eigene, unabhängige Brauerei eröffnen, die nun wieder in der historischen Heimat arbeiten soll.

Und wie schmeckt das Bier nun? Es schmeckt köstlich und ist tatsächlich sehr ungewöhnlich. Es ist sehr leicht und trüb und erinnert auf den ersten Blick an ein belgisches Witbier. Aber es hat eine leichte, schöne Säure, kaum Bitternoten und inmitten der vollmundigen Erdigkeit mit 6,5 % Vol. Alc. verbirgt sich eine subtile Gewürzschärfe, die das Bier einmalig macht. Her damit!

Credits

Foto: Johan v. Dyck via P. Eichhorn

Comments (2)

  • Jan-Peter

    Sehr interessante Story!

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  • Siegfried Flüshöh

    Informativer Bericht über ein außergewöhnliches Bier.

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