Die Sherry-Revolution: Sechs Fakten über die neuen Regularien von Sherry
Sherry aus dem Sherry-Triangel im Süden Spaniens ist ein ursprungsgeschützter Wein. Nun wurden neue Regularien verabschiedet, die nicht nur gut auf dem Papier klingen, sondern Sherry neue Wege in die Zukunft ebnen sollen. Erreicht werden soll das mit der Zulassung neuer Rebsorten bis hin zu einem Wegfall der Fortifizierung. Wir haben die sechs wichtigsten Neuerungen aufgeschlüsselt.
„Sherry ist ein echter Allrounder im Glas. Er schafft es, mich in seiner unendlichen Vielfalt immer wieder zu begeistern und zu überraschen. In den letzten Jahren hat Sherry sich langsam immer mehr von einem Old School-Aperitif zu einem modernen Mixer im Barbereich und gleichzeitig auch zu einem perfekten Begleiter in der Sternegastronomie etabliert.“
Das sagt Sommelière Mona Schrader, Jurypräsidentin des internationalen, alle zwei Jahre stattfindenden „Copa Jerez“-Wettbewerbs, in dem Sherry und Food-Pairings mit dem fortifizierten Wein aus Jerez im Mittelpunkt stehen. Ziel des Wettbewerbs ist es auch, mehr Interesse an Sherry und seinen diversen Qualitäten zu wecken. In der klassischen Barkultur pflegt Sherry ein Dasein als Cocktail-Basis, Begleiter und Aromastifter. Seine Auftritte in Cocktails wie Bamboo, Adonis oder Sherry Cobbler sind etabliert, und doch halten sich die Kenntnisse um den im Solera-Verfahren gereiften „Andalusier“ mit diversem Geschmacks- und Aromaprofil von trocken bis süß in der Breite eher begrenzt.
Aber mit neuen, im letzten Jahr in Kraft getretenen Regularien zu Produktspezifikation und Herkunft will auch die regionale Institution El Consejo Regulador, dem die Pflege der Marke Jerez und ihrer Erzeugnisse unterliegt, Sherry für den Markt und das Interesse der Konsument:innen an ihm schärfen. Was aber sind diese Regeln? Wir haben sie in sechs Fakten aufgeteilt.
1) Geografische Neuordnung
Bis Mitte Oktober vergangenen Jahres war die Herkunftsbezeichnung des verstärkten Weines auch von der Endphase der Reifung in bestimmten Gebieten abhängig. Der Ausbau der geschützten Weine musste in einer der Gemeinden des so genannten „Sherry-Dreiecks“ erfolgt sein: in Jerez de la Frontera, El Puerto de Santa María und Sanlúcar de Barrameda, auch wenn die Weintrauben aus anderen Gemeinden innerhalb des Gebiets der D.O. (Denominación de origen) Jerez-Xéres-Sherry und Manzanilla-Sanlúcar de Barrameda wie Trebujena, Lebrija, Chipiona, Rota, Chiclana und Puerto Real stammten und die Bodegas die Vinifizierung vornahmen.
Nun sind die von Consejo Regulador lange in Herstellerkreisen diskutierten und schließlich verabschiedeten Regularien für die Produktspezifikationen des Sherrys in Kraft. Aufgrund neuer Statuten können nun auch Bodegas aus der gesamten D.O. ihre Weine ausbauen, reifen lassen und mit dem D.O.-Siegel versehen. „Es war ein historischer Anspruch der Erzeuger außerhalb des Dreiecks, die dieselben Qualifikationsanforderungen erfüllen wie Erzeuger in Jerez, El Puerto oder Sanlúcar“, heißt es dazu im offiziellen Bulletin der andalusischen Regionalregierung zu der geografischen Neuordnung.
2) Ausweitung von Jerez Superior
Neu ist auch, dass Weingüter unabhängig von der Lage ihres Weinbergs die Klassifizierung „Jerez Superior“ aufgrund technischer Kriterien beantragen können. Bisher durften nur erstklassige Weinberge in Jerez, El Puerto, Sanlúcar und Trebujena als solche bezeichnet werden. „Das Dreieck ist leicht erweitert worden, wobei einige Weinberge nahe beieinander liegen. So sind die Boden- und Klimabedingungen nahezu identisch, und der erzeugte Wein entspricht der Sherry-Qualität“, berichtet Marcos Alguacil, Chefwinzer der Osborne Sherry-Weine wie auch Master Blender der Osborne-Brandys.
3) Neue Rebsorten zulässig
Neben dieser geografischen Veränderung enthält der Gesetzeskatalog über die Herkunftsbezeichnung noch weitere Neuerungen. Sie lenken das andalusische Aushängeschild in Richtung Wein, schaffen Produkttransparenz, pflegen den Aspekt der Premiumisierung durch die Vielfalt an neuen Weinstilen und der Produktspezifizierung. Konsument:innen können somit weiterhin auf ihnen bekannte klassische Sherry-Weine zurückgreifen, aber auch neue Geschmacks- und Aromaerfahrungen erleben.
Zusätzlich zu den bisherigen drei Rebsorten Palomino, Pedro Ximénez und Moscatel können nämlich nun auch die Sorten Beba, Cañocazo, Mantúo Castellano, Mantúo de Pilas, Perruno und Vigiriega für die Weine verwendet werden. Durch die Aufnahme dieser lokalen Rebsorten in die Herstellung von Sherry soll die Welt des Sherrys vielfältiger werden. „Ich denke, es ist eine gute Idee für Sherry-LiebhaberInnen, denn sie werden Zugang zu neuen Weinstilen haben“, meint Marcos Alguacil.
4) Veränderter Mindestzuckergehalt
Der Mindestzuckergehalt wurde geändert und liegt beispielsweise bei den „Vinos Generosos“, den trockenen Weinen, bei vier Gramm pro Liter und nicht mehr bei fünf Gramm wie bisher. Weiter können Hersteller nun durch die Aufnahme der traditionellen, speziellen Weinbaubezirke – „Pagos“ – in Jerez in die Produktspezifikation der DO auf ihren Etiketten die genaue Herkunft der Trauben angeben. Die geografische Abgrenzung dieser Pagos wurde erst im Jahre 2015 vom Consejo Regulador vorgenommen.
5) Neue Kategorie von Fino Weinen
„Eine weitere Änderung ist die Schaffung der neuen Kategorie von Fino Weinen. Bei dem ‘Fino Viejo’ handelt es sich um Weine, die mehr als sieben Jahre unter Flor-Hefe-Velum gereift sind. Diese Änderung ermöglicht es den Weinkellereien, einige alte Juwele auf ,halbem Weg‘ zwischen Fino und Amontillado anzubieten, die von den Verbrauchern sehr geschätzt werden“, erklärt Marcos Alguacil.
Von Hefen zeigt sich der Sherry-Experte schon während seines Biologiestudiums fasziniert. „Es ist diese enorm kostbare Florhefe, die den Sherry und damit auch indirekt die Brandys de Jerez zu etwas ganz Besonderem macht“, so Marcos Alguacil. Die in der Sherry-Region genutzte Florhefe setzt sich wegen ihrer Leichtigkeit als Schaum ab und wirkt zudem geschmacksbildend. Die Bezeichnung „En Rama“ darf künftig für Weine verwendet werden, die keiner Klärung oder Kaltstabilisierung unterzogen werden.
Auch der „Manzanilla Pasada“ muss künftig eine mindestens siebenjährige Reifung erleben. „Für uns und speziell für unsere Finos en Rama ist die neue Gesetzgebung über den Fino Viejo der entscheidende Punkt. Der Fino Coquinero mit einem Durchschnittsalter von sieben Jahren und der Fino La Honda mit zwölf Jahren können nun den Zusatz ,Fino Viejo‘ auf ihren Etiketten führen. So können Verbraucher einen Fino mit mehr als sieben Jahren Reifezeit als Fino Viejo von einem Fino mit weniger Reifezeit unterscheiden“, erläutert Marcos Alguacil, der die neue Entwicklung begrüßt.
6) Keine Fortifizierung mehr notwendig
Diese Änderung hat es auch noch einmal an sich, denn sie rüttelt an den Grundfesten dessen, was Sherry-Produktion vielfach definiert hat: Die Regelung, dass Sherry künftig nicht mehr fortifiziert werden muss. Sie ist von den Gremien des Consejo Regulador und der andalusischen Regionalregierung bereits abgesegnet, muss allerdings erst noch von der Europäischen Union genehmigt werden. Sie würde bedeuten, dass Sherry auch dann als solcher klassifiziert wird, wenn er seinen Alkoholgehalt von mindestens 15 % Vol. Prozent für Finos und Manzanillas oder 17 % Vol. für Olorosos auf natürliche Weise erreicht. Die Anreicherung mit Branntwein ist also nicht mehr zwingend.
Sherry für zukünftige Generationen relevant machen
César Saldaña, Präsident des Consejo Regulador, beschreibt die Hauptmotivation für diese Veränderungen als eine Mischung aus historischen Bestrebungen und technischer Aktualisierung sowie das Ergebnis einer langen Debatte der Branche darüber, wie Sherry-Weine für zukünftige Generationen relevant gemacht werden können. „Einige der Maßnahmen, wie die Rückgewinnung alter Rebsorten oder die Anerkennung der ,Pagos‘ streben ganz klar an, den weinbaulichen Aspekten der Sherry-Herstellung eine höhere Relevanz zu verleihen“, so César Saldaña. „Andere wie die Einführung von nicht angereicherten Weinen oder Sonderkategorien wie ‘Fino Viejo’ werden den Bodegas hoffentlich dabei helfen, dem Markt Weine mit mehr Mehrwert anzubieten.“
Und wir fügen hinzu: natürlich weiterhin in Cocktails.
Credits
Foto: Igor Normann - stock.adobe.com
Robert Schröter
Guter Kommentar. jetzt durchblickte ich endlich die Neuerungen gut auf einen Streich.
Danke, Mia und Mixology!