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Harder, Better, Faster, Stronger – Konkurrenz Cocktailroboter?!

Cocktailroboter können Masse. Aber findet sich auch Klasse? Unser Autor hat sich auf eine Recherche an Bord begeben und konstatiert ein klares „Nein“. Philipp Gaux mit einem Plädoyer für das Handwerk und darüber, warum der Fortschritt nicht immer vorwärts führt. Ahoi!

Technologisiert geht die Welt zu Grunde? Nicht selten ist das nur eine apokalyptische Prophezeiung besorgter Nostalgiker, die am antiquarisch-gediegenen Bilderrahmen der Traditionen festhalten und Modernität mehr fürchten als begrüßen. Oftmals nicht ohne Grund, werden zuvor von Menschenhand ausgeübte Berufe doch zunehmend Opfer des allein auf sprachlicher Ebene bereits bedrohlich klingenden Phänomens des „Outsourcing“. Die künstliche Intelligenz – ironischerweise vom Menschen selbst geschaffen – ist ferner auch sein Scheitern und größter Feind. Arbeitsplätze fallen wie Dominosteine in nicht endenden Reihen, der „technical take-over“ hat längst begonnen. Das spürt man in der Massenproduktion (z.B. Autoindustrie) genau wie im täglichen Leben (computergenerierte Übersetzungsdienstleistung wie GoogleTranslate). In der Cocktail-Kultur hätten wir die fortschreitende Technologisierung jedoch am wenigsten erwartet. Mensch gegen Maschine, wer schüttelt besser?

Mr. Roboto

Nun einmal langsam und von vorne. Unsere Reise beginnt auf einem Schiff. Auf ihm verlassen wir den Hafen des Vertrauten, die Heimat der Tradition und begeben uns in unbekannte Gewässer der Cocktailroboter. Hoffentlich werden wir nicht seekrank.

Die „Harmony Of The Seas“ der US-amerikanischen Reederei Royal Caribbean International ist unter vielen Geschichtspunkten eine wahre Sensation. Mit einer Bauzeit von zweieinhalb Jahren, einer Länge von mehr als 362 Metern und maximaler Kapazität von über 6300 Passagieren schlägt sie alle Rekorde. Das 1,3 Milliarden Dollar teure Schiff ist nicht nur das aktuell größte Kreuzfahrtschiff der Welt, sondern gleichzeitig Aushängeschild und Flaggschiff der 30 Schiffe umfassenden Flotte der amerikanischen Reederei. Von Außen imposant, stellt sich das Gefühl der Superlative bei Betreten des Interieurs nicht ein. Man schlendert durch einen im Schiffsinneren installierten Central-Park, benutzt anstatt des Fahrstuhls die Heckrutsche, um von Deck 15 den Weg zu Deck 7 zu verkürzen, man geht Schlittschuhlaufen oder lässt sich einen Cocktail mixen…

Da wären wir schon beim Thema. Über Cocktailkutlur auf Kreuzfahrtschiffen berichtete ich bereits letztes Jahr. Das neue Schiff von Royal Caribbean hat sich – übrigens genau wie auch zwei weitere in der Flotte – dem Thema jedoch auf eine ganz andere Art und Weise angenähert: Der Cocktail-Roboter des italienischen Unternehmens „Makr Shakr“ ist optisch wahrhaftig beeindruckend. Das Set-Up besticht durch elegant-modern gehaltene Töne im futuristischen Minimal-Look und bettet die Roboter hiermit in den gewollten Kontext. Der Bartender 2.0, ein Substitut aus Metall, programmiert, berechnend – und doch individuell, wie die Betreiber versprechen. „Über eine App hat man die Möglichkeit, zahlreiche zuvor programmierte Drinks (Signatures und Classics) zu bestellen, kann sich jedoch seinen Drink auch persönlich aus einer Vielzahl an Spirituosen und Flavorers sowie Säften und anderen Ingredienzien zusammen stellen“, so das Versprechen

Die Umsetzung sieht so aus: Nach dem Verschicken der Order via Tablet empfängt der Roboter ein Signal und spült zunächst den Shaker gründlich. Er navigiert diesen dann zu einer der zahlreichen über ihm hängenden Spirituosen und betätigt je nach Menge die an den Flaschen verschraubten Dosierer. Nun fügt er Saft, Zucker oder andere Zutaten wie Limettenspalten und Cocktailkirschen hinzu, schüttelt oder rührt den Drink und kippt ihn leider nicht feinmotorisch genug (eine gewisse Menge findet immer den Weg über den Becherrand) in den Becher.

Human Technology als Zukunftsmodell?

So schön spielerisch und vor modernem Flair nur so strotzend die Bewegungen des Roboters aussehen mögen, so futuristisch-utopisch anmutend das Konzept sein mag, es birgt auch eine Reihe von Gefahren. Die zumeist von der Optik und dem Glanz und Gloria des Konzeptes eingelullten Gäste sind leichte „Opfer“ für diese Thematik. Mit Verlaub, es wäre vermessen, ihnen grundsätzlich gustatorische Wahrnehmung und Bildung in Cocktailkultur ohne weiteres abzusprechen. Doch sind Kreuzfahrtgäste vielleicht empfänglicher für den Roboter als der Hobby-Cocktail-Historiker oder der Dauergast im Speakeasy? Sie befinden sich im Urlaub und genießen das Leben, beflügelt von dieser Euphorie schmeckt der Drink doch gleich noch besser als er ist. Harte Worte, doch sie sind berechtigt.

Der Kampf Mensch gegen Maschine ist alles andere als ein klassisches David gegen Goliath, viel zu groß sind doch leider die Unzulänglichkeiten des Roboters. Das beginnt damit, dass er in den seltensten Fällen (Klassiker außer Acht gelassen) die Drinks abseiht und mit dem zuvor vermixten Eis in den Becher gibt. Verwässerung im Fahrwasser ungeahnter Routen. Die Dosierer ermöglichen keine im klassisch-peniblen Sinne beachteten genauen Zentiliter-Angaben, die fehlende Feinjustierung schwächt das Bild der glanzpolierten Roboter-Bühne.

Und damit nicht genug: So wird der Roboter ob fehlender sprachlicher Intelligenz nie dazu in der Lage sein, den Gast angemessen zu beraten oder gar individuell auf seine Wünsche einzugehen. Der Gast selbst ist bei dem Drink gefragt, Überraschungen seitens des Bartenders bleiben aus. So ist es nur eine künstliche Intelligenz „light“, die hier zelebriert und glorifiziert wird und nicht ohne Mensch in der Rolle des Entscheiders auskommt. Doch mehr soll es auch nicht sein. „Der Roboter soll den Menschen nicht übertrumpfen. Unser Ziel war es, ein System zu schaffen, dass den Menschen entlastet, ihm Freiraum für das gibt, wozu ein Roboter nicht in der Lage ist: Der kreative Prozess. Durch die gewonnen Kapazitäten kann der Mensch sich vermehrt auf die Entwicklung von Ideen konzentrieren und wird dadurch langfristig bessere Ergebnisse erzielen“, so das Unternehmen.

Die Theke als Fließband, der Bartender – die Maschine

Gelingen mag das in der Industrie, wo Nachfrage das Angebot bestimmt und Kapazitäten gesteigert werden müssen. Wo Menschen sich immer neuer Problematiken annehmen müssen und Denkfabriken über Lösungen brüten. Dort, wo der Mensch sein Handwerk zugunsten von Stift und Flipchart eintauscht und dem Roboter eine redundant laufende Kette von Aufgaben zuweist.

Vergessen wir nicht, dass das Handwerk mit dem Beruf des Bartenders worttechnisch und praktisch so eng verwurzelt ist wie kaum ein anderer Terminus. Wenn wir Drinks zaubern, Zutaten anfassen, Garnituren vorbereiten und Ware verstauen – wenn wir Gäste bedienen, die Bar putzen und Drinks dekorieren, dann ist das Handarbeit und im klassischen Sinne ein Handwerk. Es erfordert vielseitige Präzision und kann nur rationaler Natur sein. Es einem Roboter zu übertragen, ist daher in diesem Fall nicht mehr als ein gutgemeinter Effekt für Schaulustige vorm Cocktailzirkus, die in ihrem Leben noch nie durch den Vorhang geblickt und hinter die Kulissen geschaut haben. Optisch einwandfrei und Magie verheißend, ist der Cocktailroboter auf der „Harmony Of The Seas“ nichts als ein nettes Gimmick, Brot und Spiele für die Massen und ein für Insider leicht zu durchschauender Zaubertrick.

Credits

Foto: Foto via Royal Caribbean

Comments (1)

  • JGatsby

    Es gibt sie die guten Dinge und guten Bars mit kundigen Tendern. Und sie will ich nicht missen, da stimme ich dem Artikel zu.
    Aber manchmal ist man in anderen Bars oder in einem Club, wo die Eiswürfel 3°C haben und Gintonic als komplexer Cocktail gilt. Dort ist man mit guten Freunden oder es steigt ein cooles Event – und dort wünsche ich mir die industrielle Zuverlässigkeit eines solchen Roboters. Er würde nie fragen:
    “Was für Bitters, soll ich dir einen Schuss Jägermeister reinmachen?”

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