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Sloeberry, wenn der Austro-Gin rot sieht

Will man noch vom Gin-Boom lesen? Die Hausse des Wacholders hat aber auch einem Nischenprodukt Leben eingehaucht. Nachdem er mit Sloe Gin für „The Bitter Truth“ Blut geleckt hat, legt Hans Reisetbauer mit seinem eigenen Schlehenlikör nach.
Von der britischen Weltzentrale des Sloe Gins – von Gesetzes wegen dürfen die Wildfrüchte (Prunus spinosa) auch in anderen Spirituosen mazeriert werden – aus betrachtet, wirkt Reisetbauers Ansatz sicher „strange“. Denn traditionell wurde das der Zwetschke verwandte Steinobst nach dem ersten Frost geerntet, womit sich unter Einrechnung der sechswöchigen Lagerzeit ein ideales Getränk für das winterliche Starren in die Kamin-Glut ergab. Was aber tut der Querkopf aus Axberg? Den Sloeberry Gin, des fünf Mal zum „Meisterbrenner des Jahres“ gekürten Oberösterreichers, gibt es nur in den Sommermonaten und in limitierter Flaschenzahl.
Mäuse-Friedhof Schlehe
Letzteres versteht sich fast von selbst. Schließlich sind Schlehen nicht unbedingt der Renner in der Landwirtschaft. Zu hantig, wie man in Österreich sagt, ist das säuerliche und herbe Fruchtfleisch. Auch die Ausbeute ist wie bei allen Wildfruchtbränden überschaubar. Gegen Hexen pflanzte man in abergläubischen Zeiten gerne ganze Hecken damit, aber die Besenreiterinnen dürften auch nicht mehr so häufig sein wie früher. Größter Fan der Sträucher, die bis auf 1.500 Meter Seehöhe gedeihen, ist der Neuntöter. Wobei auch der Vogel, der seine Opfer, etwa Mäuse, auf den Schlehen-Dornen aufspießt, nicht unbedingt eine Werbung für das Gewächs darstellt. Hellhörig macht allemal das altslawische „sliva“, das die Pflaume benennt, aber eventuell auch der Schlehe den Namen gab. In jedem Fall wären wir damit aber beim etymologisch damit verbundenen „šljivovica“ gelandet und damit indirekt bei den gebrannten Früchten der weiß blühenden Schlehe.
Nur am Anfang ist sie blau
Die blau-schwarzen Früchte ergeben als Auszug in Alkohol eine rote Färbung, womit sich eine kleine semantische Schwierigkeit ergibt, nachdem Reisetbauer als Basis natürlich seinen Blue Gin verwendet. Die rötliche Variante Sloeberry Gin erinnert aber auch geschmacklich nicht an ihren engeren Verwandten Pflaume, sondern die Kirsche. Satte Sauerkirsche und ein Hauch von Marzipan, der sich gegen die kräftige Wacholdernase, die schon den Blue Gin prägte, aber nie ganz durchsetzen kann, sind die ersten nasalen Eindrücke. Ein leicht metallischer Zug, dem Enzianschnaps verwandt, irrlichtert ebenfalls herum, doch die Dominante spielen Sauerkirsche und Wacholder. Am Gaumen ergibt sich eine dreigeteilte Aromen-Abfolge: Auf die roten Früchte, zart mit Zitruszesten unterlegt (der ebenfalls als Botanical angeführte Koriander geht unter), folgt der Wacholder. Im Abgang bringt er gemeinsam mit dem im Finish durchkommenden Gerbstoff der Schlehen – adstringierend wie bei Rotwein – eine doppelt herb-würzige Ader zum Pochen. Mit 28% Volumprozent ist der oberösterreichische Sloe Gin etwa deutlich leichter als das 38%ige, auf Rum basierende „Schlehenfeuer“ von Jägermeister.
Rote Sommer-Mischungen
Für die Mixability, speziell im Sommer, erweist sich das durchaus als Vorteil. Neben dem Sloe Gin Fizz bietet sich auch die rötliche Variante eines Sloe Gin & Tonic an. Dabei allerdings ist zu beachten, dass Reisetbauers Sloeberry als Likör einen Mindestzuckergehalt, der 100 Gramm Invertzucker/Liter entspricht, aufweisen muss, auch wenn er keineswegs süß wirkt (auf zugesetzten Zucker verzichtet man in Axberg). Je trockener aber das Tonic, desto besser funktioniert die Kombination aus 4 cl Sloe Gin und der doppelten Menge des Fillers. Ideal – so der Selbstversuch – wäre die Zugabe einer frischen, leicht säurlichen Komponente. Gurkensaft und Basilikum wären ein Vorschlag, zumal etwas Grün auch einen schönen Kontrast zum „roten-blauen“ Gin darstellt. Auch als Basis-Alternative zu Wermut, etwa in Aperitif-Cocktails wie dem Americano, funktioniert der zart bittere Sloeberry durchaus.
 

Credits

Foto: Frau via Shutterstcok

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