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Der Collins & seine Anverwandten, Teil 2: Künstliches Sodawasser und Limonade

Die Geschichte des Collins ist auch eine Geschichte des Sodawassers. Dessen Nutzbarmachung und Industrialisierung passiert im Großbritannien des 18. Jahrhunderts. Sodawasser wurde jedoch auch innerhalb kürzester Zeit weltweit hergestellt. Und damit auch die ersten Limonaden.

Sodawasser war so bedeutend, dass Wissenschaftler im 18. und 19. Jahrhundert damit experimentierten, um seine Heilwirkung zu verstehen. Auch suchte man nach Möglichkeiten, ein solches Wasser künstlich herstellen zu können.

William Brownrigg war 1740 wohl der erste, der Wasser mit Kohlendioxid versetzte. Er hielt seine Beschreibung des Experiments jedoch zurück, so dass es nicht allgemein bekannt wurde.

Meet Joseph Black

1750 karbonisierte Gabriel-François Venel Wasser, indem er Soda (Natriumcarbonat), Salzsäure und Wasser in einer geschlossenen Flasche miteinander vermischte.

Joseph Black gilt als Entdecker des Kohlenstoffdioxids. 1754 gab er Säure in eine Calciumkarbonat-Lösung und nannte das dabei entstehende Kohlendioxid „fixed air“.

1765 bewies William Brownrigg in seiner Publikation „An Experimental Enquiry into the Mineral Elastic Spirit of Air, contained in Spa Water“, dass das Gas im Mineralwasser des belgischen Ortes Spa mit dem von Joseph Black beschriebenen identisch ist.

Joseph Priestley entwickelt Karbonisierung unter Druck

Auch Joseph Priestley entdeckte 1767 eine Methode zur Karbonisierung, unter Verwendung von Schwefelsäure und einer kalkhaltigen Lösung. 1772 erschien seine Abhandlung „Directions for impregnating water with fixed air; in order to communicate to it the peculiar spirit and virtues of Pyrmont water, and other mineral waters of a similar nature.“ – „Anweisungen zum Imprägnieren von Wasser mit Kohlensäure, um ihm den besonderen Geist und die besonderen Eigenschaften des Pyrmont-Wassers und anderer Mineralwässer ähnlicher Art zu vermitteln.“ Er schlägt vor, die Karbonisierung unter Druck vorzunehmen, da sich dann das Gas besser in Wasser lösen läßt. Für seine Erfindung erhielt Joseph Priestley 1772 die „Copley Medal“ von der British Royal Society, die damit Wissenschaftler aller Fachrichtungen seit 1731 auszeichnet, darunter beispielsweise auch Charles Darwin und Albert Einstein.

Es gab die Meinung, Sodawasser helfe gegen Skorbut, und so ließ die britische Admiralität zwei Schiffe mit Joseph Priestleys Apparatur ausstatten, darunter auch die HMS Discovery, mit der James Cook auf seine zweite Pazifikreise ging.

In der Geschichte des Sodawassers spielt auch Thomas Henry eine zentrale Rolle

Die Apparatur wurde weiterentwickelt, da sie für die Erzeugung großer Mengen künstlichen Sodawassers nicht geeignet war. Thomas Henry gilt als der erste, der in industriellem Maßstab Sodawasser in seiner 1781 eröffneten Fabrik produzierte. Er veröffentlichte auch Rezepte zur Herstellung von Imitaten der natürlichen Heilwässer aus Pyrmont und Selters.

Auch Johann Jacob Schweppe entwickelte ein Verfahren zur Herstellung von Sodawasser, welches 1783 patentiert wurde. 1790 eröffnete er zusammen mit Nicolas Paul und Henri-Albert Gosse in Genf eine Fabrik zur Herstellung von künstlichem Sodawasser, darunter auch Imitate von Pyrmonter Wasser und Selters. 1792 kam eine Niederlassung in London hinzu. Dort war die Konkurrenz jedoch groß, seine Geschäftspartner stiegen 1796 aus, Johann Jacob Schweppe verkaufte drei Viertel seiner Anteile und kehrte zurück nach Genf.
Soda wurde innerhalb kurzer Zeit weltweit hergestellt, so beispielsweise auch 1812 in Baltimore, wie eine Anzeige belegt.

Die Siphonflasche ist ein wichtiger Teil in der Geschichte des Sodawassers

Bald darauf folgte die Entwicklung der Siphonflasche. 1825 patentierte Charles Plinth seine „Regency Portable Fountain“, die bereits den modernen Siphon erkennen läßt. 1826 soll auch der ungarische Benediktinerpater Ányos István Jedlik eine Siphonflasche erfunden haben. 1829 erhielten die Franzosen Deleuze und Dutillet ein Patent „auf Lufthäuschen, die sie siphon champenois nennen“, wie es im Polytechnischen Journal des Jahres 1831 nachzulesen ist. Der moderne Siphon entspricht der 1837 von Antoine Perpigna patentierten „vase siphoide“.

Die Verwendung von Sodawasser

Sodawasser wurde schnell beliebt. Ein Bericht aus London besagt, dass bereits zu Beginn des 19. Jahrhunderts eisgekühltes Sodawasser in fast jeder Straße verkauft und köstlich zubereitet wurde, häufig mit Zitronensirup aromatisiert. Man empfahl es als stimulierende Flüssigkeit und sagte, es „ergibt mit Rheinwein und Puderzucker ein erfrischendes Getränk. In dieser Form ist es bei warmem Wetter wohl das bekömmlichste Getränk. Aber die beste Empfehlung für Selterswasser ist die Tatsache, daß die Bewohner von Nieder-Selters (wo es gewonnen wird), die es ihr ganzes Leben lang getrunken haben, mit Abstand die gesündesten und am besten aussehenden Bauern im Herzogtum Nassau sind.“ Interessant ist die Tatsache, dass man Sodawasser mit allerlei Dingen aromatisierte, um sich von der Konkurrenz zu unterscheiden. Noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde ganz legal auch Kokain hinzugegeben.

Sprudelnde Limonade

Wie sich später noch im Zusammenhang mit dem Gin Punch und dem Collins zeigen wird, ist auch die Frage interessant, seit wann sprudelnde Limonade industriell hergestellt wurde, denn prinzipiell kann man einen Collins auch als Limonade mit Gin verstehen.

Der älteste englische Hinweis auf eine Limonade stammt aus dem Jahr 1663. Das Getränk scheint wohl aus Italien über Frankreich nach England gekommen zu sein. Man stellte es aus frisch gepressten Zitronen und Zucker oder Honig her, verdünnt mit Wasser. Frische Zitronen waren nicht immer erhältlich, und man ersann Methoden, um den Saft einzudicken und zu konzentrieren, etwa durch Erhitzen oder Einfrieren. Ein Handbuch des Jahres 1794 beschreibt ausführlich die Herstellungsmethoden von „lemonade powder“ und einer „portable lemonade“, also von Limonadenpulver und einer transportierbaren Limonade. Bereits 1801 schlägt man vor, eine Limonade nicht mit frischem Zitronensaft, sondern mit Zitronensäure herzustellen. Dies geschah sicherlich schon früher, denn die Zitronensäure wurde erstmals 1784 von Carl Wilhelm Scheele isoliert.

Den ersten Hinweis auf eine sprudelnde Limonade, die industriell hergestellt wurde, habe ich in einer Londoner Anzeige des Jahres 1813 gefunden. Darin heißt es: „SPYRING UND MARSDEN’S Aerated Lemonade, auch für NEGUS verwendet, ZUBEREITET AUS IHRER ZITRONENSÄURE. Dieses köstliche Sommergetränk wird ohne die geringste Mühe hergestellt, da es nur die Zugabe von Wasser erfordert. Personen, die sich auf dem Land oder an einer Wasserstelle aufhalten, werden bei ihren Spaziergängen von der Bequemlichkeit dieses Getränks überzeugt sein; wenn sie sich weit von zu Hause entfernt befinden, können sie sich mit einem solch wohltuenden Getränk erfrischen. Offiziere der Armee auf einem Marsch, reisende Damen und Herren, Vergnügungsgruppen auf dem Wasser, in der Tat wird jeder nach einer Probe von seinem höheren Wert überzeugt werden, höher als alles, was jemals der Öffentlichkeit angeboten wurde.

Aerated Lemonade für Punsch

In einer Anzeige des Jahres 1814 preist dieselbe Firma ihre Zitronensäure an: „SPYRING und MARDSEY’S Zitronensäure … Diese Säure besitzt den ganzen dankbaren Geschmack der Zitrone, eignet sich vorzüglich für Punsch, Limonade, Shrub und Negus, löst sich sofort in warmem oder kaltem Wasser auf. … Die Vorzüge dieser Säure für Tavernen und Gasthäuser ist hinreichend offensichtlich, da sich damit zu jeder Jahreszeit Punch herstellen lässt, ebenso gehaltvoll wie mit der Frucht. Für Bälle und Versammlungen ist diese elegante Zubereitung besonders wünschenswert, da Limonade und Negus auf die einfachste und schnellste Art und Weise hergestellt werden können. … Besonders empfehlenswert ist sie für Offiziere und Herren auf Reisen, da sie nur wenig Platz benötigt und mit der Zugabe von Zucker ein angenehmes Getränk ergibt. Schiffskapitäne und andere, die lange Reisen unternehmen, werden sie als eine nützliche Ergänzung ihrer Vorräte empfinden, da sie lange Zeit gut haltbar ist. DIE FOLGENDEN PROPORTIONEN KÖNNEN FÜR PUNSCH VERWENDET WERDEN. – Ein großer Teelöffel Zitronensäure, ein Viertelpfund Zucker, ein Viertel Liter kochendes Wasser, ein halber Liter Rum und ein Viertel Liter Brandy. Für einen Becher reicht ein wenig Säure am Stiel eines Löffels.“ Erhältlich ist „Auch ihre Aerated Lemonade, in Schachteln zu 3s. mit Pulver für acht Tumbler. Ihre Portable Lemonade, in Schachteln zu 2s. für acht Tumbler, die ebenfalls nur die Zugabe von Wasser erfordert.

Limonaden haben eine lange Geschichte

Der Einsatz verschiedenster isolierter Säuren anstelle von frischen Zitrusfrüchten ist also keine moderne Erfindung, sondern hat schon eine über 200 Jahre zurückreichende Tradition.

Im nächsten Teil dieser Serie kommen wir tatsächlich zum ersten Mal zu Mixgetränken: Es geht um den Brandy and Soda als ein frühes Beispiel dafür, wie Sodawasser mit einer Spirituose kombiniert wurde.

Credits

Foto: Inga Israel

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