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Sodom und Gomorra, eine neue Bar in Berlin-Mitte

Eine Bar, die sich Sodom und Gomorra nennt, kann nur eine Dive-Bar sein, in der es wüst zugeht. Wo sich zwielichtige Gestalten treffen und ihre finsteren Gedanken wälzen zu Strömen von Schnaps. Wollüstig und Exzessiv. Weit gefehlt. Wie man sich dieses biblischen Mythos’ auch anders nähern kann, zeigt Cem Erzincan. MIXOLOGY ONLINE hat mit ihm gesprochen.

Die Geschichte geht so: „Ich bin ein türkischer Kanake aus Hamburg, der vor ein paar Jahren in das dreckige Berlin gezogen ist, das Alte Testament gelesen hat und jetzt eine Bar macht, die Sodom und Gomorra heißt. Jede Nacht sollte schmutzig enden.“

Ok., Cem. Cem Erzincan hat das Schimpfwort gekapert, wohl wissend, dass Kanake aus dem hawaiischen kommt und Mensch bedeutet. Und Erzincan ist ein Vollblutmensch.

Von Hamburg nach Berlin

Als Kind liest er Tom Sawyer und Huckleberry Finn und beschließt, in die große, weite Welt zu ziehen – eines Tages. So landet er als Jugendlicher ganz allein in Hamburg. Erzincan besucht die Schauspielschule und steigt in die Gastronomie ein, um sich über Wasser zu halten. Doch nach und nach entwickelt er daraus eine ernste Profession, eine Leidenschaft. „Ich mache das jetzt seit 17 Jahren. Vom Tellerwäscher zur eigenen Bar.“

2008 will er nach Kapstadt, bekommt aber keine Arbeitserlaubnis. „Digga, komm nach Berlin“, sagt ein Freund zu ihm. Hier führt er zunächst das Leben eines Bohemiens, dreht kleine Filme und wühlt sich durch die Nächte.

„Wie jeder Hamburger mochte ich Berlin zunächst nicht, aber dann habe ich die Stadt verstanden. Hier musst Du nicht in irgendwelchen Kreisen dazugehören. In Berlin bist Du sofort mittendrin.“ Das kreative Potenzial von Berlin beflügelt Erzincan und er bringt seine Leidenschaft für das Schauspiel und die Bar unter einen Hut.

Die Sünde und die Bar

Seine erste Station in Berlin ist die legendäre Turbine Rosenheim. Sie war in den Achtzigern die Keimzelle der Love Parade und führt heute ein eher beschauliches Dasein im noch beschaulicheren Schöneberg.

Doch dann nimmt er Fahrt auf. Er baut das Pret a Diner mit auf und wird danach Barchef im neu eröffneten The Grand. „Dort bin ich dann richtig angekommen. Ich kannte vorher nicht  so viele Leute, durch diese Arbeit konnte ich mir einen Namen machen.“

Erzincan liest viel und gerne, steht morgens auf, geht zum Sport und macht Yoga. „Ich brauche eine Struktur in meinem Leben und will nicht nur Nachtmensch sein.“ Und so jemand eröffnet eine Bar mit dem biblischen Namen Sodom und Gomorra? „Ich sehe das als Gleichnis und nicht so sündenbeladen wie im Alten Testament.
Für mich waren die Bewohner von Sodom und Gomorra Genussmenschen, feierwütige Hedonisten“, so seine Interpretation der Legende.

Eine Bar wie ein Leben

In der Tat, betritt man das Sodom und Gomorra, ist man zunächst verblüfft. Im Eingangsbereich trifft man auf eine Bibliothek und wird freundlich in Empfang genommen.

Von einer Bar ist nichts zu sehen. Ein Schlenker um die Ecke und man betritt eine Bar? Oder ist es doch eher ein britischer Entdeckerclub? Beides. Warme Farbtöne, englisches Grün, Globen und Karten, schwere Ledersessel und Sofas. Gleich könnte David Livingstone den Raum betreten.

„Die Einrichtung der Bar entspricht meinem Leben. Immer auf der Reise, auf der Suche nach etwas Neuem, weiteren Horizonten. Und der Gast soll hier selbst etwas entdecken“, sagt Erzincan.

Er hat alles selbst entworfen und mühevoll zusammengetragen. In einer Krise hat Erzincan zur Bibel gefunden, „eine Erforschung des Geistes“, nennt er das. Wo sich denn die ästhetische Entsprechung für den Namen Sodom und Gomorra finde? Er weist auf die diabolischen afrikanischen Masken an der Wand. Erzincan nennt sie „meine gefallenen Engel“. Sie seien als Metapher für das Thema gedacht und gleichzeitig ein Symbol für die Reise. Mit christlichen Motiven zu spielen wäre ihm zu platt gewesen

Gastgeber

Es gibt eine Karte, die vor allem Klassiker aufführt. Allerdings heißen die Drinks hier Golden Army oder Forbidden Apple. „Wir bauen die Karte noch weiter aus oder tauschen Drinks aus. Generell beraten wir aber lieber. Wir fragen den Gast was er noch vor hat, was er bisher getrunken hat, was seine Vorlieben sind und mixen ihm dann einen Drink auf den Leib geschneidert“, betont Erzincan.

„Das ist unsere Philosophie des Gastgebertums. Die Leute sollen sich hier wie in einem Wohnzimmer fühlen.“ Das ist dann in der Tat eine sehr angenehme Interpretation von Sodom und Gomorra. Schmutzig wird es allenfalls in Gedanken.

Credits

Foto: Sodom und Gomorra von Pieter Schoubroeck

Comments (1)

  • ABRAHAM! '

    Thx!!; 5

    reply

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