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Unheimlich lokale Begegnung der dritten Art: Der Space Mojito

Ein Mojito geht immer! Viel zu häufig vor allem geht er jedoch schief. Ihm dann noch durch einen Twist ein neues Gewand zu verleihen, ist bestenfalls als kühn zu bewerten. In jedem Fall aber ist es ambitioniert. Wie ein Mojito mit einer traditionellen, regionalen Spirituose funktioniert, zeigt Hubert Scheungrabers Space Mojito.

Weitab vom Trampelpfad der Cocktail-Topographie liegt Passau. Vom Dreiländereck umgeben ist die Stadt der Flüsse mehr für ihren Dom, die urige Altstadt und ihre Universität bekannt als für Barkultur auf höchstem Niveau. Viel zu sehr lockt München mit seiner ganz speziellen Schickeria und den großen Namen. Dass auch abseits der Mixologie-Metropolen ganz respektable Bar-Arbeit geleistet wird, dürfte mittlerweile landesweit bekannt sein. Dass dort allerdings auch kreative Ansätze höchst ambitioniert verfolgt werden, stimmt insofern ungläubig, als dass ein Klientel dafür zunächst auch immer entsprechend sensibilisiert werden muss und Bewusstsein mitbringen oder entwickeln darf.

Hubert Scheungraber und sein Journey sind für Passau die Inkarnation der Bar. Sieben Tage die Woche steht er 52 Wochen im Jahr (auch ich konnte es kaum glauben) hinter der Bar und bietet für kleines Geld große Leistung. Die Hingabe und Leidenschaft, die er dabei vermittelt, infiziert nicht nur jeden Gast, sie spiegelt sich auch in seinen eigenwillig-kreativen Drink-Ideen wider. 

Mia san Mojito! 

Schon viele haben sich an einem Mojito versucht, ähnlich viele sind an ihm gescheitert. Das mag zum einen daran liegen, dass einer solch klassischen Rezeptur schlicht und einfach nicht mehr viel hinzuzufügen ist, zum anderen seinen Grund darin finden, dass bei einer solch linearen Rezeptur die Qualität der einzelnen Komponenten – wie es eigentlich immer der Fall sein sollte – von elementarer Bedeutung ist. Häufig wird dieser hervorragende, in seiner DNA für Freiheit, Brüderlichkeit und Liebe zum Vaterland stehende Drink durch Pre-Mixe und industrielle Sweet & Sour-Mixe gnadenlos verunstaltet und seiner Seele beraubt wird. Nicht selten wird der sich über die Minze definierende Drink durch Beeren, klebrig-süße Sirups oder geflavourte Rumsorten zu einem unkreativen, geschmacklichen Einheitsbrei verarbeitet.

„Das muss nicht sein!“, dachte sich Hubert. „Ein guter Freund von mir stellt seinen eigenen Bärwurz her. Eines Tages brachte er mir die Flasche mit den Worten: ‚Daraus wirst du keinen Drink zaubern können’. Ich probierte hin und her und feilte an der einen oder anderen Idee. Nichts wollte so richtig funktionieren. Irgendwann fiel mir dann der Mojito ein.“

Zunächst bedarf es hier einer Erklärung. Der Bärwurz ist tatsächlich – wie scheinbar alles im Blau-Weißen-Land – Teil des Kulturerbes. Er ist ein aus einer im Bayerischen Wald beheimaten Pflanze gleichen Namens destillierter Schnaps mit einem Alkoholgehalt von mindestens 38% Vol. und in seiner Verwendung eher als Digestivum denn als Mix-Spirituose gedacht. In seiner trockenen Form entfaltet die charakteristische Pflanze Anklänge von Petersilie, Sellerie und Liebstöckel und ist mit einem aromatisch-scharfen aber durchaus auch süßlichem Geschmack bedacht worden.

Der Clou an Scheungrabers Abwandlung des Mojitos ist seine freche Simplizität. Im Grunde ist sie nämlich nichts als dem klassischen Mojito-Rezept nachempfunden. Lediglich der Rum wird durch Bärwurz ersetzt, das Süß-Säure-Verhältnis leicht auf die aromatischen Eigenschaften der Spirituose abgestimmt.

Provinzieller Protagonist?

Das wirklich Schöne am Twist ist die Tatsache, dass er mehr Fragen aufwirft als dass er Antworten gibt. Wer oder was macht den Mojito charakteristisch? Darf man so ein heiliges, kubanisches Erbe auf diese Art überhaupt „verhunageln“ und inwieweit haben wir das Getränk möglicherweise immer falsch verstanden?

Beim ersten Sip liegt der Space Mojito direkt auf einem anderen aromatischen Level als der Klassiker, dennoch beginnt sein Geschmack zunächst ähnlich zu wirken. Nach kurzer Zeit erreichen einen schließlich die breiten, leicht schärferen Noten, die dem Drink eine weitere Ebene zuschreiben. Diese lässt einen regelrecht verdutzt zurück. So begann der Drink wie der Klassiker und offenbarte im Nachgeschmack sein wahres Gesicht.

Der Space Mojito und die Macht der Minze

Vor allem spiegelt diese gustatorische Erkenntnis aber auch wider, inwiefern der heimliche Star des Space Mojito die in jedem Moment omnipräsente Minze ist. Diese ist mit ihrem Aroma voller frischeverheißendem Menthol der eigentliche Protagonist des Klassikers, der immer wie ein roter Faden durch den Drink streift, den Rum letztlich in eine undankbare Nebenrolle drängt. Natürlich – dies sei an dieser Stelle gar nicht bestritten – ist ein Mojito ohne kräftigen Rum nur immer halb so gut. Die Minze ist jedoch der eigentliche Trigger und Konnektor aller Faktoren, die den Drink so stimmig werden lassen. Und das eben auch mit einem regionalen Schnaps. Dem Bärwurz.

Entstanden ist ein wahrhaftig spannender Drink, der den Klassiker nicht unbedingt in den Schatten stellt, ihn jedoch frech kontert. Großes Schauspiel.

Credits

Foto: Foto via Tim Klöcker.

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