Kommentar zu den Spirited Awards 2015
Vor einer Woche wurden in den USA die Spirited Awards verliehen. Was viele als eine Art Oscar der Bar wahrnehmen, birgt bei genauerer Betrachtung einige Tücken. Zeit für einen kritischen Kommentar zu einem der wichtigsten Events im globalen Bar-Kalender.
Preisverleihungen pflegen die Gemeinde zu spalten und die Gemüter zu erhitzen. Ganz egal wo. Wer wüsste das besser als wir bei MIXOLOGY? Alljährlich sind unsere MIXOLOGY BAR AWARDS, von der ersten Bekanntgabe der Nominierten bis hin zu den Siegern, innerhalb der Bar-Community Gegenstand wildester und nicht unbedingt ausschließlich sachlicher Debatten.
Vom Missverständnis der Auszeichnung
Das Kuriosum bei Auszeichnungen ist — der Autor dieser Zeilen hat das schon mehrfach zur Sprache gebracht — dass die Auszeichnung eines Einzelnen von vielen Menschen implizit als Herabstufung aller anderen gewertet wird. Ein fataler Irrtum! Und außerdem ein unfaires Verhalten gegenüber dem jeweiligen Sieger. Man darf bei Auszeichnungen in der Barbranche, seien es klassische Awards, Bestenlisten oder Platzierungen bei Cocktailwettbewerben, eines nie vergessen: So renommiert und kompetent die Juroren auch sein mögen, so breit deren Wissen und neutral die Einstellung auch sein mag, so bleibt jedes Verdikt immer auch zu einem Teil menschlich und subjektiv. Das ist auch nicht schlimm, denn schließlich ist das Thema, um das es sich dabei dreht — ein Drink, Bars, das Leben der Nacht — ein zutiefst humanes und gefühlsbetontes.
Gleiches gilt natürlich auch für die Spirited Awards, die jedes Jahr anlässlich der Tales of the Cocktail in New Orleans vergeben werden. Und im Gegensatz zu jener anderen global beachteten Auszeichnung, den World’s 50 Best Bars, kennen die Spirited Awards keinen Zweit- oder Drittplatzierten, keine Top Ten, sondern nur einen Sieger. Für viele Menschen aus der flüssigen Welt gelten sie als Oscars unserer Branche.
And the Oscar goes to…!
Und mit genau jenen Oscars, dem heiligen Auszeichnungs-Gral der Filmwelt, haben die in „Nola“ verliehenen Preise einen wichtigen Punkt gemeinsam: sie trennen zwischen den USA (bzw. „Nordamerika“) und dem Rest der Welt. Man mag darüber verwundert sein oder sich boshaft äußern. Weshalb jene Zweiteilung? Hat sich nicht die globale Barkultur in den letzten knapp 20 Jahren enorm entwickelt und dabei auch frühere Vormachtstellungen nivelliert? Lassen sich heutige Spitzenbars in verschiedenen Ländern und Kontinenten nicht vielmehr durch ihren Stil als durch ihre technisch greifbare Klasse unterscheiden? Oder setzt man, wie bei den Oscars darauf, den „Heimatmarkt“ noch einmal gesondert abbilden zu wollen oder zu können?
Der Neuseeländer Jacob Briars, hauptamtlich Global Brand Advocacy für den Bacardi-Konzern und gleichzeitig einer der federführenden Köpfe bei den Tales sowie den Spirited Awards, begründet die Unterscheidung folgendermaßen: „Zunächst sind die Spirited Awards ein Amerikanischer Preis, was wir auch dadurch ausdrücken, dass wir explizit Amerikanische Kategorien entwickelt haben. Gleichzeitig wollen wir aber als globales Festivals auch die weltweite Szene würdigen und auszeichnen.“ Briars führt an, dass die US-Branche dabei aber immer noch als eigenes Segment mit einer Diversifikation und vielfältigen Ausprägung agiert, die eine Zweiteilungnaus der Sicht der Veranstalter erforderlich macht. „Außerdem ist es definitiv der Fall, dass sogar jene Personen, die extrem viel reisen, nicht in beiden Bereichen genügend Kontakt zu allen Bars und Akteuren haben. Wir haben uns daher dafür entschieden, zwei verschiedene Gremien zu befragen, die sich gezielt aus Personen mit dem jeweiligen Arbeitsschwerpunkt zusammensetzen“, fährt er fort.
Briars’ Aussage mag nachvollziehbar sein. Doch stellt sie auch zufrieden? Denn bei genauerer Betrachtung fällt ein anderer Umstand im Vergabeverfahren auf, der durchaus Skepsis aufkommen lassen darf. Genauso, wie die Awards in identischen Kategorie je einmal für „America“ und „International“ vergeben werden, zeichnen also zwei komplett unterschiedliche „Committees“, also Jury-Gremien, für die Wahl verantwortlich. In jener Gruppe für „International“ findet sich so etwas wie eine Liste der größten Namen aus dem globalen (freilich dem nicht-amerikanischen) Business. Berühmte Bartender, Markenbotschafter und Journalisten geben sich darin ein Stelldichein, aus Deutschland beispielsweise Jörg Meyer.
Das Problem der Intransparenz
Von den in diesem Jahr vergebenen acht Awards gehen fünf nach London. Bedenkt man, dass mit „International Brand Ambassador of the Year“ ein Award nicht ortsbezogen ist, sind es sogar fünf von sieben, die in die britische Hauptstadt gehen. Ungeachtet der Tatsache, dass die Londoner Barszene in Bezug auf das Tempo und die Masse an Innovationen wahrscheinlich Europas Nummer eins ist, stimmt diese Auszeichnungswucht doch kritisch, wenn man bedenkt, dass allein 20% der Jury-Mitglieder in London leben. Bei vielen weiteren, die z.T. ebenfalls ihren Lebensmittelpunkt an der Themse haben (wie etwa Ian Burrell oder St Germain-Botschafterin Camille Vidal, die erst kürzlich aus London weggezogen ist), hat man als Herkunft nur salopp „global“ angegeben.
Ebenso stimmt es mit Recht kritisch, wenn sich viele der prämierten Personen oder Angehörige prämierter Bars in der Jury finden. Denn auch, wenn die Regularien klar besagen, dass keine Stimmen an die eigene Bar oder für die eigene Person abgegeben werden dürfen, ist das Bild, das durch so vergebene Preise entworfen wird, reichlich nebelverhangen: Alex Kratena (Artesian Bar, London), Zdenek Kastanek (28 Hong Kong Street, Singapur) und Claire Smith Warner (Belvedere Vodka) gehören gleichzeitig zur Jury und den Preisträgern. Und auch der slowakisch-londonerische Bar-Star Erik Lorincz muss noch nicht einmal das Savoy Hotel verlassen, wenn er für seine „American Bar“ aus der nun prämierten, im selben Hotel befindlichen „Beaufort Bar“ bei seinem Kollegen Chris Moore eine Flasche Likör borgen muss.
Wohin bewegen sich die Spirited Awards?
Damit eins klargestellt wird: es liegt dem Autor fern, jenen Fehler zu begehen, der uns bei unseren eigenen Awards so oft unbedacht entgegenschlägt, und hier „Betrug! Verrat! Schiebung!“ zu rufen. Dennoch erhalten an sich gut und edel gemeinte Auszeichnungen auf diese Weise einen mehr als faden Beigeschmack von Vetternwirtschaft, Klüngel und gesteuerter, willkürlicher Elitenbildung, die als eine gewisse, nicht von der Hand zu weisende Form von Selbstbeweihräucherung verstanden werden kann. Warum nicht jenen Schritt weiter gehen und klar sagen, dass man sich als wichtige Persönlichkeit entscheiden muss? In diesem Falle dann eben darüber, ob man als Anwärter auf einen Preis weitermachen, oder aber die Ehre einer Jury-Mitgliedschaft erfahren möchte. Eine Preisvergabe mit zwei klar definierten Seiten.
In der Weise, in der die Spirited Awards derzeit verliehen werden, laufen sie Gefahr, sich selbst zu diffamieren. Sie zeichnen herausragende, prägende Protagonisten der Bar- und Cocktailkultur aus, bergen aber in ihrer Architektur die Gefahr der Irrelevanz, weil böse Gemüter — und von denen gibt es eine ganze Menge — sich über ihre Struktur ereifern könnten. Und genau dann werden auch wieder die Unkenrufe laut, dass die Preise eigentlich doch bitteschön an andere Empfänger hätten gehen müssen. Nur wären jene Mahner dann plötzlich ohne eigenes Zutun nachvollziehbar. Das kann eigentlich niemand wollen. Am wenigsten die Veranstalter und Juroren. Und noch weniger die Preisträger.
Credits
Foto: Spirited Awards 2015 via J. Mitchell