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Back to Basics Teil 1. Rohstoff & Region.

In der Serie Back to Basics geht MIXOLOGY zurück zu den Grundlagen und verfolgt den Pfad der glorreichen sieben Spirituosen vom Acker zum Backboard. Der erste von sechs Teilen der Serie erschien in MIXOLOGY Issue 1/2013 und beschäftigt sich mit den Spirituosenrohstoffen und ihrer Herkunft.

Die Sonne geht bald unter, die Türen gehen auf und ein vibrierender Abend steht der Cocktailbar auch an diesem Wochenende bevor. Die Finger fliegen für die letzten Handgriffe, bevor die Luft so richtig brennt. Barhocker ausgerichtet, Eis aufgefüllt, frische Säfte gepresst, Barjacken sauber, Mise en place steht und Gläser sind poliert.

Der junge Barkellner, wir nennen ihn Tim, poliert gerade die Tische und blickt zufrieden auf die glänzenden Oberflächen, als sein Barmanager mit nachdenklichem Blick vor ihm steht und ihn mustert. „Was stimmt nun wieder nicht?“, denkt Tim sorgenvoll und geht seine Aufgabenliste und sein Erscheinungsbild im Geiste durch. Krawatte schmutzig und schief? Minze vergessen? Heilige Chartreuse verschüttet? Nein, ihm fällt kein Frevel ein, den er begangen haben könnte.

Ernst senkt der Barmanager die Stimme, um die Nachwuchskraft ins Vertrauen zu ziehen: „Wir haben ein Problem. Zwei Telefonate, zwei Hiobsbotschaften, zwei Bartender fallen heute Abend aus. Ich brauche einen Ersatzmann am Brett und das bist DU!“ Bedrohlich deutet ein Zeigefinger in Tims Richtung. Ein Blick nach links, ein Schielen nach rechts. Da steht sonst keiner. Tatsächlich, er selbst ist gemeint.

„Leg´ die Schürze ab und schwing dich in eine Barjacke. Du hast heute Premiere hinter dem Tresen.“ Tim spürt ein Kribbeln. Genau dahin wollte er sich Schritt für Schritt heranarbeiten. Mit dem Jigger geht er ja schon recht geschickt um und für die Rezepturen kann er Spickzettel vorbereiten. Was aber, wenn der Gast etwas zu den Spirituosen wissen möchte? Zur Warenkunde beginnt er doch gerade erst, sich einzulesen. Der Barmanager scheint, Tims Gedanken zu lesen: „Beeil dich und komm an die Arbeitsstation. Du musst wissen, was du im Speed-Rack hast und daher erhältst du einen Schnellkurs in Sachen Basisspirituosen von mir. Wir gehen die sieben Basics gemeinsam durch, und zwar vom Acker zum Backboard. Los geht´s im Schnelldurchlauf: Back to Basics!“

1. Vodka

Ob nun das „Wässerchen“ erstmals in Polen oder in Russland das Licht der Welt erblickte, bleibt wohl auf ewig ein unerbittlicher Zwist zwischen den selbstbewussten Vodka-Nationen. Obwohl der Europäische Gerichtshof den Vodka mittlerweile Russland zuschreibt, verweist Polen trotzig auf die älteste offizielle Urkunde aus dem Jahre 1405.

Der sogenannte Vodka-Gürtel erstreckt sich Tausende Kilometer von Skandinavien bis Kamtschatka. Als Rohstoff für den jeweiligen Vodka verwenden die Hersteller den Rohstoff, der in ihrer Region am günstigsten gedeiht. Roggen, Weizen, Gerste, Mais oder Kartoffeln kommen in Betracht. Eine Klage Polens und weiterer Länder, ausschließlich Getreide und Kartoffeln zur Vodkaproduktion zu erlauben, scheiterte 2007. Somit darf Vodka auch aus Trauben oder sogar Melasse gebrannt sein. Dass Vodka eine derart globale Spirituose mit zahllosen Anbaugebieten wurde, liegt teilweise an Vodkaverboten in Russland durch den Zaren, durch die Bolschewisten und durch Michail Gorbatschow. Immer wieder emigrierten Vodkamacher nach Deutschland, Frankreich und Nordamerika und wandten ihre Rezepturen auf die verfügbaren Rohstoffe vor Ort an.

2. Gin

Traditionelle Hochburg der Gin Herstellung bleibt England, auch wenn die Wurzeln des Produktes zum niederländischen Genever reichen, dessen Grundidee eines mit Wacholder aromatisierten Branntweins britische Soldaten auf ihre Heimatinsel trugen. Stil prägende Regionalbegriffe, wie London Gin oder Plymouth Gin traten ihren Siegeszug rings um den Erdball an. Für die Hersteller beginnt die Fertigung ihres Produkts zumeist anders, als bei den meisten Spirituosen, da Ginmarken ihren grundlegenden Alkohol nicht selber brennen, sondern einen hochprozentigen neutralen Agraralkohol mit 96 % vol. Alc. ankaufen. Viele namhafte Produzenten betonen jedoch, dass sie Getreidedestillate bevorzugen, beispielsweise im Gegensatz zu solchen aus Melasse.

Ein qualitativ hochwertiges Wasser dient nun der Verdünnung der hochprozentigen Basis auf ca. 60 % vol. Alc. Für Gin in London bedeuteten die Quellen im Vorort Finsbury lange Zeit einen hohen Qualitätsfaktor durch das klare und kalkarme Wasser.

Die dritte wichtige Rohstoffgattung besteht aus einer individuellen Mischung aus Kräutern und Aromapflanzen, den sogenannten ´Botanicals´. Neben Wacholder kommen beispielsweise Orangenschalen, Angelikawurzel, Lakritz, Kardamom, Fenchel, Anis und viele weitere Aromen zum Einsatz. Insgesamt finden ca. 120 verschiedene Würzzutaten Verwendung. Jeden Gin prägt eine andere Zusammensetzung.

3. Rum

Als eine der ältesten Kulturpflanzen gelangte Zuckerrohr von Neuguinea nach Europa und schließlich auf den Schiffen des Christopher Kolumbus in die Karibik. Das Bedürfnis nach Süße und das ideale mittelamerikanische Klima brachten den Erfolg des Projekts und die Versorgung Europas mit dem daraus gewonnen Zucker. Die Süßgraspflanze entwickelt Halme, die eine Höhe von bis zu sieben Metern erreichen. Der Zuckersaft wird aus dem Rohr gepresst.

Rum entsteht aus einem Abfallprodukt der Rohrzuckererzeugung. Aus 100 Tonnen Zuckerrohr gewinnen Zuckerfabriken ca. 10 Tonnen Zucker. Übrig bleiben 5 Tonnen Melasse, ein zähflüssiger braun-schwarzer Sirup mit hohem Zuckergehalt, der aber nicht mehr in Zuckerkristalle umgewandelt werden kann. Die Grundlage für Rum.

Insbesondere aus früheren französischen Kolonien stammt der Rhum Agricole, bei dem nicht Melasse, sondern frischer Zuckerrohrsaft den Ausgangsrohstoff für das Destillat bildet.

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