Analog und Digital: Die Squarebar in Düsseldorf
David Rippen betreibt in seiner Düsseldorfer Squarebar konsequente Entschleunigung. Handgeschriebene Karten und ein zeitloser Stilmix entführen in eine Trotzburg der Nostalgie. Das Moderne? Die Getränke.
Jenseits des sagenumwobenen Rheins bekriegen sich seit Jahren Bataillonen bareifriger Cocktailkrieger um die Gunst des geschätzten Gastes. Sind die Fronten zwischen diesen beiden Hochburgen Köln und Düsseldorf auch noch so verhärtetet und verklärt, die Gräben vor den Cocktailfestungen auf beiden Seiten mit noch so viel Hindernissen gespickt, erhält der Kölner Hochadel doch zumeist das Privileg der Vorherrschaft. Sind die Kölner Barritter tapferer und siegesverwöhnter, und wie sieht es auf der anderen Seite des Grenzflusses zwischen Feind und Freund aus?
So ironisch und voller Reminiszenzen an mittelalterliche Klischees diese Einleitung auch gewesen sein mag, die Realität spiegelt er dennoch einigermaßen wider. Reden wir über Barkultur und hervorragende Bars in NRW, so fällt die Wahl eher auf ausgewählte Etablissements in Köln als auf Trinkstätten in der nur unweit entfernten Rheinmetropole und Landeshauptstadt Düsseldorf. Dabei sind dort mit der Beuys Bar, der LiQ BAR, dem Breidenbacher Hof und dem Ellington (um nur einige zu nennen) ebenfalls Bars von hohem Rang anzutreffen. Eine dieser, versteckt unter der vermeintlichen Schirmherrschaft der anderen Bars, ist die Squarebar von David Rippen.
Vom Niederrhein zum Rhein
Rippen, der seine Ausbildung zum Hotelfachmann 2002 in Brüderich bei Neuss begann, fesselte die Arbeit hinter Bar vom ersten Moment an. „Auch wenn ich in meiner Ausbildungsstätte nicht wirklich Barerfahrung im heutigen Sinn habe sammeln können, so habe ich doch sofort Blut geleckt“. Im Düsseldorfer Innside-Hotel fasste er zunächst als Commis de Bar, später dann als Demi-Chef Fuß und übernahm die Position des Barchefs im neueröffneten Hotel der Kette. Nach dreijährigem Aufenthalt zog es ihn in die LiQ BAR, in der er ebenfalls als Barchef tätig wurde. Irgendwann stand dann der Traum der Selbstverwirklichung auf dem Zettel, wie Rippen rückblickend erklärt. „Ich habe schon immer in Derendorf gelebt und mein Fußweg zu meinem Arbeitsplatz im Hotel führte vorbei an dem ehemaligen Café Ottello, dem Ort, der heute meine Bar ist. Ich habe mir immer gewünscht, genau so eine Location später einmal zu haben, es war mein Traum und jetzt stehe ich hier!“
Sein Traum und ganzer Stolz ist eben diese kleine und romantische Bastion in Derendorf, die Geschichte zu erzählen weiß und selbst viel Geschichte erfahren hat. Gebaut im frühen 20. Jahrhundert, war das Gebäude einst ein Rheinbahnhäuschen, in dem man statt Drinks Fahrkarten verkaufte. Nachdem man sich entschied, die Bahn stadteinwärts zu legen, beherbergte das Gebäude zunächst ein Eiscafé, eine Metzgerei und ab 1980 das Café Ottello. Diese Reise durch unterschiedliche Epochen findet sich auch heute noch im Interieur der Bar. Fliesenspiegel aus den 1950-er Jahren, Steinboden von 1912, die einstige Marquise der Eisdiele aus den 1960er-Jahren und Blumentöpfe aus den Eighties zieren das Dekor.
Zeichnet sich der Duft der verflossenen Zeit nicht nur durch getränkespezifische Präferenz aus, steht sie, die Vergangenheit, heute vor allem oft als Sinnbild einer klassisch-behüteten Epoche ohne Smartphones und elektronischen Medien. Genau auf dieser wünschenswerten Idee und dem utopischen Ideal von damals beruht das Prinzip der Squarebar. „Mit der Bar wollte ich Düsseldorf ein wenig entschleunigen, auch ein wenig ‘entschicken’. Heutzutage muss viel Nobles und Althergebrachtes von wahnsinniger Schönheit viel zu häufig neuen Dingen weichen. Mir ging es darum, eine Trotzburg zu haben, die all dem entgegenwirkt. Wo man dem Besucher zeigt, wie es damals war.“
Klassik und Moderne – geht das?
Doch bedient sich Rippen hier geschickt eines stilvoll gesetzten Kontrasts. Bei all der Nostalgie, die seine Bar versprüht, geht es dem Barbesitzer doch vor allem darum, mit modernsten Techniken alten, teils verstaubten Klassikern mit einem Twist ein neues Gewand zu verleihen. „Hightech wäre für das Objekt einfach inkompatibel gewesen. Der Laden war ganz einfach nicht auf die Moderne auszulegen. Es entspricht auch gar nicht mir und meinem Stil, den ich leben kann. Trotzdem und gerade um einen Gegenpol zu setzen, bedienen wir uns modernen Techniken. Vielleicht auch mal verrückte Zutaten miteinander zu vereinen“, definiert es Rippen. Letzteres greifen er und sein Team vor allem durch die Verwendung von teils untypischen, regionalen und saisonalen Kräutern und Gewürzen auf. „Warum nicht mal zum Spitzwegerich greifen, warum nicht mal zu Honigklee, Mädesüßkraut oder Waldmeister? Spannende Geschichten halt“, fragt der Wahl-Düsseldorfer keck.
Diese Liebe zum Detail und die Hingabe zum Handwerk macht sich auch bei der Gestaltung der Getränkekarte bemerkbar – die David Rippen übrigens per Hand schreibt. Ein wenig verschroben und wenig zeitgemäß mag es erscheinen, ein Poesiealbum in die Hand gedrückt zu bekommen, doch steht dieses handverfasste Manifest in all seiner Authentizität und Schönheit Pate für Ehrlichkeit, für das Analoge in einer digitalen Welt, und macht die Bar zu einer Festung und idealem Rückzugsort vor den Gefahren der Brave New World.
„Cocktails werden so als Charakter beschrieben. Back to basics. Warum alles modernisieren, warum alles abtippen? Warum heute alles heruntergeschrieben und feinsäuberlich? Warum nicht mit einer schönen Handschrift einfach in der Karte verankern? Es ist handfest und hat eine gewisse Romantik und was Vertrautes“, so der Barchef, von Werten träumend, die um ihn herum verloren gegangen zu scheinen.
Werbung? Nö!
Doch ist die Squarebar nicht nur aufgrund ihres Konzepts gegen den treibenden Zeitgeist eine mutige Entscheidung von Rippen. Anstatt wie viele andere Bars aktiv den Weg über soziale Medien zur Bewerbung seiner Bar zu gehen, verweilt der Barchef viel lieber im Stillen und im Hintergrund. „Wir wollen gar nicht im Vordergrund stehen, sondern viel lieber als Geheimtipp gelten. Außerdem gibt es in Düsseldorf ja auch ein gut funktionierendes Barnetzwerk. Gäste werden von der einen Bar in die nächste Bar geschickt. Das streut sich schon automatisch, ich will da gar nichts überstürzen, sondern mit den Gästen wachsen“, so Rippen bescheiden.
Wohl ist dies eine weise Entscheidung, hat die Bar doch gerade wegen ihrer Verbundenheit zur Vergangenheit auch mit deren Widrigkeiten zu kämpfen. Der wenige Platz macht dem Team am meisten zu schaffen. Zwar hat man mit elf Positionen eine übersichtliche, aber auch beratungsintensive Barkarte, die viel Zeit pro Gast abverlangt. So unterschiedlich seine Gäste auch sein mögen, verbinden und verbrüdern tun sie sich in der Harmonie des Getränks. „Das Wesentliche, das unterschiedliche Menschen zusammenführt“, resümiert der Barbesitzer.
Auf die ewige Fehde mit den Kölner Barrittern angesprochen, reagiert er teils mit Verständnis, beäugt jedoch ebenfalls mit kritischem Auge die Zentralisierung der Spirituosenhersteller und der Industrie auf Köln. „Die Düsseldorfer sind aber auch schläfriger. Kölner sind aktiver in ihrer Präsenz bei Wettbewerben und in ihrer Entwicklung. Noch kann man Köln und Düsseldorf nicht miteinander vergleichen. Der Fokus auf Köln ist schon nachvollziehbar, aber auch frustrierend. Die Community hier muss sich halt erst einmal herauskristallisieren“.
In fröhlich petrol-scheinenden Farben glänzt das Dekor, David sitzt vor mir. Auf die Frage, wie er seine Karte am besten beschreibt, antwortet er mit „durchgeknallt, mit Herz und ehrlich. Ich habe mir meine Burg um mich gebaut, und meine Burg hat sich um mich gebaut“, sagt er und grinst. Eine Burg ohne Graben, sondern mit Brücke für Abtrünnige, Zeitlose und Romantiker der alten Zeit. Keine Festung – viel eher das Refugium eines tollen Gastgebers.
Benny
Interessante neue Bar, sicherlich eine weitere Bereicherung für Düsseldorf.
Eurer Aufzählung am Anfang Stimme ich ebenfalls soweit zu. Am besten gefiel mir bei meinem letzten Besuch in Düsseldorf die Hotelbar im Breidenbacher Hof, mit D statt T. Auch der Link führt nach Hürth bei Köln, nicht nach Düsseldorf. Richtig müsste es so lauten: http://www.capellahotels.com/dusseldorf/de/dining/dusseldorf-bars-lounges/
Eine erstklassige Bar mit extravaganten Eigenkreationen (Liebstöckelinfusion!) und schickem Ambiente.
Der Link kam mir gleich etwas spanisch vor, ich glaube der Breitenbacher Hof kann hier nicht ganz mithalten mit dem Breidenbacher Hof an der KÖ.
Redaktion
Moin Benny,
vielen Dank für Deinen natürlich zutreffenden Hinweis: Da hat sich nicht nur ein ärgerlicher Tippfehler eingeschlichen, sondern auch gleich noch die entsprechende falsche Verlinkung nach sich gezogen – natürlich meinen wir die Capella Bar im Breidenbacher Hof. Ist korrigiert.
Herzliche Grüße
// Nils Wrage, MIXOLOGY