Der Collins & seine Anverwandten, Teil 4: der Stone Fence
Der Stone Fence, wörtlich übersetzt „Steinzaun“, ist vermutlich eines der ersten Mischgetränke aus einer Spirituose und einem kohlensäurehaltigen Getränk, einem Highball nicht unähnlich. Wir finden ihn bereits bei Jerry Thomas in seinem 1862 erschienenen Buch. Dieser bereitet ihn mit Bourbon Whiskey zu. Doch hierzu gab es verschiedene Auffassungen, denn das 1864 erschienene „The English and Australian Cookery Book“ schreibt, man könne den Stone Fence, den man auch als Stone Wall bezeichne, mit jeder Spirituose zubereiten. Doch darauf kommen wir später noch zurück.
4 cl Applejack, Calvados oder Bourbon Whiksey
8 cl Cider
Zubereitung: Im Highballglas auf Eiswürfeln bauen
Legenden um den Stone Fence Cocktail
Bereits für Jerry Thomas war der Stone Fence ein altes Getränk, denn man trank es bereits in den Zeiten der Amerikanischen Revolution. Einer Legende zufolge soll man sich vor der Schlacht von Ticonderoga im Jahr 1775 damit Mut angetrunken haben. In dieser Schlacht wurde das im Bundesstaat New York gelegene Fort Ticonderoga von einer kleinen Truppe Amerikaner im Handstreich besetzt, während die zwei Offiziere und die 64 Mann umfassende Besatzung der Briten schliefen. Die Eroberer erbeuteten große Vorräte an Schießpulver und Munition, die dann für die Belagerung von Boston eingesetzt wurden. Man soll damals unter einem Stone Fence eine Mischung aus Cider und New England Rum verstanden haben.
Eine andere Legende besagt, dieses Mischgetränk hätte bezugnehmend auf den konföderierten General Thomas Jonathan Jackson den Namen Stonewall erhalten, denn während der ersten Schlacht am Bull Run am 21. Juli 1861 hätte es geheißen: „Seht euch Jacksons Brigade an! Sie steht da wie eine Steinmauer!“ Sowohl Thomas Jackson als auch seine Brigade erhielten daraufhin den Beinamen „Stonewall“. Doch diese Erklärung ist nur eine Legende und läßt sich nicht belegen. Vergleicht man nämlich die überlieferten Rezepte, so zeigt sich, dass Stone Wall und Stone Fence zwei verschiedene Mischgetränke sind.
Der Name
Es gibt verschiedene Herleitungen für die Bezeichnung Stone Fence. Eine besagt, sie stamme aus der Kolonialisierungszeit Amerikas. A. Neirath berichtet in seinem 1934 erschienenen Buch „Rund um die Bar“: „Die Indianer pflegten ihr Vieh frei herumlaufen zu lassen und dies gab den Anlaß dazu, dass die Siedler Tiere, die sich in ihrem Besitz verliefen, einfingen und behielten. Vor dem Richter fanden die Indianer nie Recht, wenn sie nicht beweisen konnten, dass ihr Besitz mit einem Zaun umgeben war. Das war natürlich niemals der Fall und wahrscheinlich werden viele Siedler auf diese Weise ihren Viehbestand „vergrößert“ haben. Ein solcher „Zuwachs wurde bei einem Getränk gefeiert, dem man mit verständnisvollen Hintergedanken den Namen „Stone-Fence“ gegeben hatte.“
Eine andere Geschichte berichtet, dass der Stone Fence eine Erfindung der in New York lebenden Holländer sei, die ihn aber als Stein-Gesicht, als „Stone Face“, bezeichnet hätten. So berichtet es jedenfalls der gerne fabulierende Stanley Clisby Arthur in seinem 1943 erschienenen Buch „Famous New Orleans Drinks and how to mix ‘em“. Dieser Herleitung sollte man jedoch nicht zu viel Glauben schenken. Andere vermuten, der Stone Fence sei nach einer Person benannt worden, die mit geraubten Diamanten handle, ohne aber genauer auf den Zusammenhang und die Quellen hierfür einzugehen.
Die Geschichte des Applejack
Stanley Clisby Arthur berichtet auch, der Stone Fence sei ursprünglich mit Applejack zubereitet worden. Dies läßt sich zwar nicht überprüfen – und die Statistiken zeigen etwas anderes –, aber diese Annahme ist plausibel, denn dort, wo man Cider herstellt, läßt sich auch Applejack produzieren.
Früher war er in den britischen Kolonien Nordamerikas populär, insbesondere im Nordosten und im nördlichen Mittleren Westen. In diesen Gegenden waren Apfelbäume sehr verbreitet. Damals stellte man Applejack her, indem man ihn entweder aus Cider brannte, oder, was häufiger geschah, indem man den Cider im Winter gefrieren ließ. Das entstandene, gefrorene Wasser entfernte man – und der Alkoholgehalt der Restflüssigkeit erhöhte sich. Dieses Verfahren nennt man „Freeze Distillation“ oder „Jacking“, was die Bezeichnung Applejack erklärt. Der so produzierte Applejack hatte jedoch eine stark unterschiedliche Qualität, denn mit diesem Verfahren werden nicht nur Ethanol, sondern auch unerwünschte Begleitstoffe wie beispielsweise Methanol und Fuselstoffe konzentriert. Deshalb hatte Applejack den Ruf, schlecht zu schmecken und ungesund zu sein.
Mit dem Aufkommen von Brennblasen waren in Amerika professionellere Methoden zur Spirituosenherstellung verfügbar, und in Folge dessen verlor Applejack und Cider, insbesondere ab der Mitte des 19. Jahrhunderts, an Bedeutung, denn er war in der Herstellung teurer als Whiskey.
Zuvor war Applejack jedoch ein bedeutendes Produkt. Wein, Hopfen und Gerste ließen sich nicht anbauen, importierte Weine und Weinbrände waren für den durchschnittlichen Kolonisten unerschwinglich. So sann man auf Abhilfe und verwendete die vorhandenen Äpfel. Jede Farm hatte einen Obstgarten mit Apfelbäumen, und aus den geernteten Äpfeln ließ sich Cider herstellen, den man im Winter in Applejack umwandeln konnte. So liegt es nahe, beide Produkte miteinander zu kombinieren. Der Stone Fence ließ sich praktisch auf jedem Hof ohne Probleme zubereiten.
Insbesondere in New Jersey wurde Applejack erstmals in großen Mengen hergestellt, und die dort ansässige Firma Laird & Company, die im Jahr 1780 offiziell die Brennlizenz Nummer 1 erhielt, produziert bis heute Applejack. Man sagt, dass sie damit bereits 1698 angefangen haben.
Die Zutaten des Stonce Fence Cocktail
Doch kommen wir nun noch einmal auf den Stone Fence und den Stone Wall zu sprechen. Was unterscheidet sie, und wie sollten sie zubereitet werden?
Interessant ist beim Stone Fence die Wahl der Basisspirituose. Ursprünglich dürfte es aus den genannten Gründen Applejack gewesen sein. Da dieser jedoch durch Whiskey verdrängt wurde, wundert es nicht, dass rund 85% der Rezepte des 19. Jahrhunderts stattdessen Whiskey verwenden. Es wurde nicht immer spezifiziert, ob Rye oder Bourbon, doch Bourbon war anscheinend als Zutat beliebter. Man verwendete jedoch auch in geringem Maße Applejack, oder einfach nur „eine Spirituose“. Im 20. Jahrhundert spielte Applejack weiterhin nur eine geringe Rolle. Ab 1960 wird er gar nicht mehr als Zutat angegeben, zuvor war es nur in rund 15% der Fälle so. Manche verwenden auch einen irischen der schottischen Whisky, oder sogar Gin. Was soll man nun davon halten? Original ist sicherlich die Verwendung von Applejack, doch wer möchte, kann auch einen Whiskey nach Wahl verwenden, bevorzugterweise einen amerikanischen.
Überwiegend wird die gewählte Spirituose mit Cider vermischt. Doch je jünger die Rezepturen werden, desto unklarer wird auch dies. Ab 1960 tat man dies nur noch in rund einem Drittel der Rezepte, das andere Drittel bestand aus Sodawasser, das restliche Drittel entweder aus Ginger Ale oder gar Apfelsaft. Bei den übrigen Zutaten sieht es ähnlich aus. Die klare Definition eines Stone Fence wurde ungenau. Man verwendete zusätzlich auch mal Bitter, Noyeau, Zucker, Zitronensaft, Zitronenzeste oder Ananassirup, insbesondere ab 1960. Doch auch darauf sollte man verzichten.
Interessant ist die Frage, ob man einen Stone Fence mit oder ohne Eis zubereiten sollte. Um 1775 wird man vermutlich im Sommer kein Eis verfügbar gehabt haben. Doch rund 90% der Autoren sind sich über alle Zeiten hinweg einig: Man muss einen Stone Fence Cocktail mit Eis servieren. Doch auch hier gibt es kuriose Ansichten. Manche meinten, einen Stone Fence sogar als Heißgetränk zubereiten zu müssen.
Der Stone Wall
Wie sieht es nun im Vergleich bei einem Stone Wall aus? Ist er identisch mit einem Stone Fence, so wie es manchmal behauptet wird? Die Statistik besagt, dass bis 1881 ein Stone Wall immer mit Cognac und nicht mit Whiskey zubereitet wurde. Im Laufe der Zeit wird Cognac jedoch immer häufiger durch Whiskey ersetzt, gelegentlich auch durch Applejack. Nach 1960 wird der Stone Wall in Rezeptbüchern praktisch nicht mehr erwähnt. Vor 1881 nahm man in rund einem Drittel der Fälle einen Cider als Filler, ansonsten Sodawasser. Danach überwog immer Sodawasser.
Fassen wir also zusammen: Ein Stone Fence wird mit Applejack und Cider zubereitet, alternativ kann man einen amerikanischen Whiskey verwenden. Ein Stone Wall hingegen ist zumeist nichts anderes als eine Mischung aus Cognac und Sodawasser, also ein Brandy & Soda. Eine wichtige Weiterentwicklung war die Verwendung von Sodawasser als Punch-Zutat. Erstmals geschah dies in einem Gin Punch. Grund genug, sich im nächsten Teil der Serie mit dessen Geschichte zu beschäftigen.
Die Geschichte des Collins & seiner Anverwandten
Teil 1: Sodawasser & Bäderkultur
Teil 2: Künstliches Sodawaser & Limonade
Credits
Foto: Sarah Swantje Fischer
Natascha
Hört sich auf jedenfall gut an.
Kommt auf die Liste für den nächsten Cocktail Abend.
Jetzt brauch ich nur noch einen mit Schnaps.
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