Sweating the Cask: Domenigs Whiskey Studie
Format-Entwickler aufgepasst! Der Austro-Berliner Thomas Domenig hat ein Buch über die US-Whiskeys und ihre Fässer geschrieben und geht damit auf „Road Show“. Denn neben der Buchvorstellung werden auch acht Whiskeys verkostet, um die es in „Sweating the Cask“ geht.
Linz, Wien, Hamburg, Bremen, Zürich, Stuttgart, Essen, Berlin – was wie der Tourneeplan einer Rockband klingt, stellt die Stopps der Thomas Domenig-Show dar. Die besteht aus einem Buch, einem freundlichen Herrn mit adrett gestutzten Koteletten sowie einer Batterie von US-Whiskeys.
Vom Schreibtisch zum Fass
So professionell und selbstironisch sich der gebürtige Kärntner mittels Buch-Website vermarktet, der Ursprung seines Opus‘ liegt in der Studierstube. Der Untertitel des 88-Seiten-Werkes verweist noch auf den Ursprung in der akademischen Sphäre: „Eine spezifische Betrachtung von American Whiskey in besonderer Bezugnahme auf den weltumspannenden Sekundärhandel mit Ex-Bourbon-Fässern“.
Für Josef „Pepi“ Schuller, Österreichs erster Master of Wine und Leiter der Weinakademie, die aber auch das Spirits-Diplom auf dem Lehrplan hat, war es zu viel Material, das Domenig da für seine Abschlussarbeit gesammelt hatte. Ergo wurde eine selbständige Publikation daraus, so der spätberufene Bartender. „Bis zu meinem 23. Lebensjahr habe ich praktisch keine Cocktails getrunken“, erinnert sich der in Berlin tätige Österreicher an die Anfänge.
Mit Hartnäckigkeit ins Löwen-Team
Die technische Ausbildung, erst in Villach, dann im Software-Park Hagenberg, führte zunächst immer weiter weg von den Wurzeln der Familie, die in der Gastronomie liegen. Der heute 29-Jährige ist spät, dafür aber gleich auf hohem Anspruchsniveau dem familiären Pfad gefolgt. Nach einer Ausbildung an den Barschulen von München und Rostock sowie der Weinakademie in Rust, folgte ein erster Bar-Job am Wörthersee. Im Anschluss blieb Domenig so lange hartnäckig, bis die Stelle als Commis, die im Le Lion in Hamburg vakant war, an ihn vergeben wurde.
Mit Herzblut und an der Bar geschrieben
„An allen Stationen“ werkte der Kärntner in den vergangenen vier Jahren im „Löwen“. Die Liebe zum Bourbon, die ihm Spirituosenfachmann Jürgen Deibel eingepflanzt hatte, führte letztendlich zum Sprung in die Selbständigkeit: Bar-Consulting, Buchprojekte und Lehraufträge nehmen seither seine Zeit in Anspruch. Aber jetzt ist er einmal hier in Wien, bei Kan Zuo in der Sign Lounge. Der zweite Lese-Tour-Stop des frisch gebackenen Autors ist zugleich eine Art Heimkehr: „Bei Kan habe ich meinen ersten Drink genommen – wir diskutieren bis heute, ob es ein Lychee Colada oder ein Swimming Pool war“.
Am Tresen der mit dem MIXOLOGY BAR AWARD 2015 ausgezeichneten Bar skizziert Domenig aber nicht nur seinen Weg von Weissensee zu Jörg Meyer ins Le Lion, wo „das Buch praktisch vor der Schicht an der Bar entstand“. Er wirbt im Kreise von Marken-Repräsentanten und Barkollegen auch für den Einsatz von Bourbon: „Hier hat der Gast nicht den Wissensvorsprung wie beim Single Malt, wo manche Gäste schon in jedem Winkel der Destillerie herumgekrochen sind“.
Kein Buch für den Neuling
Womit wir beim Buch wären, das sich in drei Teile gliedert und „bewusst nicht an komplette Anfänger richtet“, wie Domenig die Idee von „Sweating the Cask“ erklärt. Auf die eigentliche Darstellung der Bourbon-Geschichte bis zum aktuellen Boom der Rye-lastigen pre-prohibition-Rezepte folgt der Abschnitt zu den Fässern. Den Abschluss bildet eine recht markenlastige Darstellung des Verfahrens hinter Jim Beams „Devil’s Cut“. Dieser Innovation – dass sie nur im Maßstab neu ist, nicht in der Methodik selbst, schildert das Buch gut – verdankt der Band schließlich seinen Namen. Das Anspruchsniveau passt durchaus, mitunter überspringt man eben Basics zur Destilliertechnik oder ähnliche Details, die man bereits kennt.
Zahlen-Flut und extreme Lockerheit
Im Gegenteil: Die Faktenfülle macht das Büchlein auch dort noch wertvoll, wo man ein wenig mit dem Stil hadert. Wessen Ex-Bourbon-Fässer bei welchen schottischen Destillerien im Einsatz sind, erfährt man immer gerne, auch weil es guten Stoff für Bar-Small Talk darstellt. Und die immer wieder eingestreuten Zahlen selbst sind ebenfalls nicht zu verachten. Zumal Domenig auch ein bekennender Fan des kritischen, aber stets kenntnisreichen Bourbon-Bloggers Charles K. Cowdery ist. Fast die Hälfte des 15-seitigen Literaturverzeichnisses machen dessen Blog-Einträge aus. Allerdings kommt die eine oder andere Spitze ins Buch, die in Blogs angehen mag, im wissenschaftlich verbrämten, fußnoten-satten Printprodukt aber eigen wirkt. Etwa, wenn eine Aversion gegen Diageo gleich auf mehreren Seiten durchbricht: „So ähnlich würde sich wohl eine von Diageo idealisierte Drink-Vita lesen: angefüttert, gefangen und fortlaufend gemolken.“ Na ja.
Die Stil-Feile darf noch angesetzt werden
Es mag dem Erstlingswerk gegenüber gönnerhaft wirken, aber mit etwas Schreiberfahrung darf man sich doch wundern, wie flapsig es zwischendurch wird: „Als es den Bourbonen in Frankreich nämlich bereits mehr als nur sprichwörtlich an den Kragen ging“, startet gleich die Einleitungsseite. Um nicht falsch verstanden zu werden: Mankos wie die erwähnten verstellen leider etwas den Blick auf die Recherche-Arbeit, die sich Thomas Domenig angetan hat.
Als Darstellung des Bourbons liegen die netto 65 Seiten absolut auf der Höhe der Zeit und sind – wie Kan Zuo anmerkte – im Umfang ideale Lektüre für einen kurzen Urlaub, die einen umfassenden Blick ins Segment verspricht. Denn auch US-Trends, die bei uns noch nicht zur Gänze angekommen sind, wie etwa die recht obskuren flavoured Whiskeys, behandelt das Buch.
Spätestens beim nächsten Werk – als Thema schwebt Domenig der ebenfalls wieder aufstrebende irische Whiskey vor – lassen sich derlei Unebenheiten ja vermeiden. Damit auch die literarischen Cocktails des Kärntners die volle Balance erhalten.
Sweating the Cask
Preis: 18 €
Autor: Thomas Domenig
Verlag: Eigenverlag, ISBN 978-3-00-046610-6
Credits
Foto: Thomas Domenig via Roland Graf
Thomas Domenig
Danke euch für den netten Artikel!
Ich möchte nur noch erwähnt wissen, dass ich keineswegs eine generelle “Aversion” gegen den Getränkegroßkonzern Diageo hege. Ihre hinterfragenswerten Methoden in der Geschichtsschreibung von Bulleit Bourbon, der Orphan Barrel Collection oder neuerdings im Streit um die neue Gesetzgebung von Tennessee Whiskey sollten in einem Buch, das sich daran anschickt, die aktuelle Faktenlage rund um American Whiskey widerzugeben, allerdings nicht unerwähnt bleiben: auch wenn’s an manchen Stellen für einen “erfahrenen Schreiber” wie Herrn Graf mitunter zu flapsig wird ;-).
Besten Gruß, Thomas Domenig.
Robert Schröter
Ich habe das Buch gleich nach dieser Rezension bei Herrn Domenig bestellt und innerhalb weniger Tage in mich aufgesaugt. Ich bin dankbar für diese Empfehlung und das großartige Werk des Autors!
Dieses Buch kann jedem Bartender nur empfohlen werden aufgrund seiner präzisen, knappen und doch leichtfüßig geschriebenen Art. Ich habe noch Einiges dazu lernen können.