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The Foundry ist ein modernes Bar-Restaurant in München

Marco Beier gießt mit dem „The Foundry“ dem Münchener Glockenbachviertel ordentlich ein

Die einen kennen Marco Beier als MIXOLOGY-Autoren, die anderen als Betreiber des „Patolli“ in München. Wer ihn noch nicht kennt, sollte ihn spätestens jetzt kennen lernen: Mit „The Foundry“ setzt er ein modernes Bar-Restaurant-Konzept ins Münchener Glockenbachviertel, in dem sogar Enten im Cocktailglas für Entschleunigung sorgen dürfen. Roland Graf mit einem Lokalaugenschein.

Ein kleiner Spaziergang trennt die beiden Wirkungsstätten von Marco Beier. Seine Kaffee-Bar „Patolli“ bildet aktuell einen schmalen, kommerzfreien Raum zwischen den beiden Christkindlmarkt-Meilen, die ihre nach Lebkuchen duftenden und von Punsch klebrigen Tentakel vom Sendlinger Tor und dem Marienplatz her ausstrecken.

Die wenigen Schritte ins Glockenbachviertel fühlen sich daher im Dezember wie der direkte Weg in die Gegenkultur an. Auch wenn der historische Müllerstraßen-Kiez nur mehr in Rudimenten erhalten ist. Doch beim Fetisch-Laden gegenüber von „The Foundry“ bekommt mancher Passant auch trotz Pelzmütze noch rote Ohren.

Im The Foundry wird edel eingegossen, aber Heiterkeit gepflegt
Im The Foundry wird edel eingegossen, aber Heiterkeit gepflegt
Die Cocktailkarte setzt sich zusammen aus zeitgenössischen Eigenkreationen und „Trash-ures“
Die Cocktailkarte setzt sich zusammen aus zeitgenössischen Eigenkreationen und „Trash-ures“
Optisch wird auf die Gießerei-Vergangenheit des Viertels eingegangen
Ein Hauch Neo Rauch: optisch wird auf die Gießerei-Vergangenheit des Viertels eingegangen

Die Metamorphose am rechten Ort

Mittlerweile hat sich hier aber eine fußläufig erreichbare Sammlung von Bars – Auroom, Loretta und Trisoux sind nahe – ergeben. Die nun auch das neue The Foundry bereichert, die Beier und seinen drei Mitstreitern hier etabliert hat. Was herauskommt, wenn zwei Ärzte, ein Auto-Manager und Gastrokenner Beier die Köpfe zusammenstecken, läßt sich am besten im hinteren Teil der L-förmigen Location ablesen. Der Logenplatz unter den 55 Plätzen des The Foundry gehört dem Formenschatz des Restaurants an. Nur, dass unter dem Wandgemälde von Daniela Viveros kein Chef’s Table-Menü zelebriert wird. Sondern eher die entschleunigte Heiterkeit modern verlängert wird, die hier schon seit Jahren auf Nummer 51 zuhause ist.

Denn es ist langjähriges Gastroterritorium, das mit dem Foundry neu abgesteckt wurde: In der Müllerstraße 51 gab es anfangs den Salzburger Grill, später dann die unter Bartendern nicht nur sonntags recht beliebte Bar Corso und final den Drunken Dragon. Nun also nach dem Patolli der nächste Schritt von Marco Beier. Das bedeutet beim Kaffee natürlich herausragende Qualität, doch der Fokus liegt eindeutig auf der Cocktailkarte. Mit 15 Euro für den teuersten Drink – dann bereits mit Champagner aufgegossen – bewegt man sich abseits der Innenstadt-Preise und wagt auch gleich zu Beginn ein paar Ansagen.

The Foundry

The Foundry

Müllerstraße 51
80469 München

Mi - So ab 18 Uhr

Pisco und Schampus im Quartett

Die kommen als Quartett auf dem Drinks-Menu daher, etwa der Pisco-Vierer, der nicht nur mit dem berühmten „Sour“ (geshaked, nicht aus dem Blender) aufwartet. „Das hat sich von der Ceviche aus ergeben“, erklärt Beier, der unbedingt die peruanische Fischspezialität anbieten wollte. Als es um ein Pairing dazu ging, stand schnell Pisco fest.
Und er verkauft sich auch. Das liegt zum einen an Vollprofi Florian Geschka, der auch seine Weinkompetenz in die Kartengestaltung einbrachte. Zum anderen ist das Publikum im Glockenbachviertel alles andere als bayrisch-konservativ.

Außerdem baut man ähnlich wie bei der Namensgebung eine geschickte Brücke zum „oiden Minga“. „Im Glockenbach wurden früher die Waren der Gießereien gekühlt, die noch vor dem Toren der Stadt lagen“, gibt Beier den Cicerone von der Isar. „Die Gießerei“ als Barname ergab sich dann in der Diskussion der Betreiber. Und (ein)gegossen wird auch reichlich.

The Foundry ist eine Frage des Netzwerkes

Wobei selbst der mit allen Eiswürfel-Wassern (außer solchen in Coupetten!) gewaschene Beier in den Wochen seit der Eröffnung seine Überraschungen erlebte. „Champagner geht weit mehr als erwartet“, braucht man im Glockenbackviertel heute offenbar andere (Durst)Löschflüssigkeiten als Anno Dazumal. Sie liefert die Münchener Spezialistin Nicola Neumann (Champagne Characters). Marco Beier mag diese Lokalheroen, was sich etwa auch bei den Spirituosen von „Barrel Brother“ Hans de Lang zeigt. Und von seinen langjährigen Freunden der Spreewood Distillers darf selbst der Rye Rosé mit Soda ins Longdrink-Glas (11 Euro).

The Foundry präsentiert sich als toller Neuzugang für München
The Foundry präsentiert sich als gelungener Neuzugang für München

Rehab-Klinik für Sex on the beach

Restlos ist es um die Barfliege älteren Semesters geschehen, wenn man auf der Karte auf das Quartett der „Trash-ures“ stößt. Es ist die Rehab-Klink zu Unrecht übel beleumundeter Cocktails. „….oder man macht was Schönes draus“, steht als Anspruch von Marco Beier über dieser flüssigen Ehrenrettung. Sex on the beach wird ebenso dekonstruiert wie der Grashopper (13 Euro), dem mit Joghurt die penetrante Süße ausgetrieben wird. Und vor allem: An einer Münchener Neuinterpretation von Charles Schumanns Swimming Pool kann man gar nicht vorbei. Zumal man ihn zum 40. Jubiläum des Drinks vor zwei Jahren im Schumann’s selbst entstaubt, recte: entfettet, hat.

Auch Marco Beier verschlankt den berühmt-berüchtigten Blau-Drink (14 Euro). Der Rum-Blend zum Vodka lässt dann tatsächlich noch etwas Getreide-Geschmack durchschimmern im Milk Punch. Die neckische Schwimmente gibt es als Gimmick für den Gast dazu. Denn auch wenn strengere Formalelemente wie die Spiegeldecke – „unter der wird nicht sabriert!“ – in Gold Dinner-Gästen die Schwellenangst nehmen, kommt der Schalk nicht zu kurz. Zu eingespielten Dschungel-Sounds schreitet man je nach (binärem) Geschlecht entweder umgeben von Flamingos oder Tukanen zur Miktion. Diese Innenarchitektur verdankt einige ihrer Anregungen Alexander Kaufmann vom JAMS Hotel.

Dschungel-Sound und „Sexy Blumenkohl“

Den Wohlfühlcharakter merkt man nicht nur den Sesseln an, die langes Verweilen im The Foundry ermöglichen. Auch die Küche, für die Maximilian Käufl (davor: Spezlwirtschaft) verantwortlich zeichnet, reicht vom Snack „Sexy Blumenkohl“ (neun Euro) bis zum Entrecôte (26 Euro). Selbst für Nostalgiker, die Phantomschmerzen nach dem „Popcorn Chicken“ des Vorgängerlokals plagen, hat man mit den Wachtel-Wings (12 Euro) weiter Geflügel als Unterlage zum Bier – Giesinger vom Fass! – auf Lager.

Zarte asiatische Elemente erlaubt sich auch die Bar, wenn aus den Zesten einer Schicht mittels Oleo Saccharum und Szechuanpfeffer die Basis für den Electric Mule (12,50 Euro) gelegt wird. Der erwies sich schnell als Bestseller und generell sind es eher die frischen, mit Gewürzen und Kräutern verfeinerten Cocktails, die auf der Eröffnungskarte dominieren. Etwa auch der Nameless Panda (13 Euro) mit hausgemachtem Ginger Beer oder dem aus Kopenhagen „importierten“ Kardamom-satten Eleven O Five (13,50 Euro), bei dem anstelle des originalen Gins der erfrischende Picso Mosto Verde 1615 zum Einsatz kommt.

Doch auch der feine Champagner-Drink The Vineyard (15 Euro) darf gießereitaugliches Feuer im Glas versprühen. Geschmacklich beginnt dieser Cocktail wie ein Weingummi, ehe sich aus Traubengeschmack und Säure heraus der im Duft so präsente Thymian wieder herausschält.

Es wird also auch hier mit elaborierten Mitteln tiefgestapelt. Oder: edel (ein)gegossen.

Credits

Foto: Christoph Grothgar

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