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Purble Room Stuttgart

Dino let the dogs out: Im „The Purple Room” in Stuttgart

Kleine Brötchen bäckt ab sofort die Stuttgarter Bar-Persönlichkeit Dino Zippe in seinem The Purple Room. In diese kommen schwäbische Wurst und Schwarzwälder Schinken-Chips, dazu gibt es Highballs. Fertig! Damit zelebriert der Vollprofi die neue Leichtigkeit der Bar in Perfektion.

Verzweifelt klingt es durch das Ein-Raum-Lokal: „Wie soll ich das jetzt essen“? Denn Besteck gibt es zu den vier verschiedenen Hot Dogs keines. „Wie ein guter Burger muss ja auch der Hot Dog ein bisschen suppen“, lacht Dino Zippe hinterm Tresen. 
Denn einer der größten Späße im „The Purple Room“, das lässt sich jetzt schon sagen, ist das gemischte Publikum. Extrem gemischt. Vor allem für die schwäbische Hauptstadt, wo man gerne schon vorm Ausgehen fragt, ob dort eh „d’rächde Leit“ sind. Hungrige Nachtschwärmer spült die „Theo“ (für Nicht-Schwaben: Theodor Heuss Straße, die lokale Version der Kölner Ringe) minütlich durch die Glastür, die Dino Zippe selbst beklebt hat. Irgendwann in grauer Vorzeit, lang vor O.T.-Bar, Weltreisen im Zeichen des Affen und der Schwarz-Weiss-Bar, hat er das mal gelernt. 

Fünf Zutaten für einen Highball-Hit

So treffen sich ein Triceratops-Saurier und Vintage Cars wie aus dem Blaxploitation-Film an Tür und Wänden – als wären sie ein Sinnbild für die zwischen Undercut und Ondulierung, Adidas-Jacke und Hermes-Schal oszillierende Gästeschar. Stuttgarts prominente Lokal-Besitzer schauen sich den Neuzugang pärchenweise an und lassen „beim Dino“  fünf G&T (acht Euro) grade sein, während am Nebentisch nur noch per Fingerzeig bestellt wird. Offenbar „scho arg gleeded“, raunen die distinguierteren Hot-Dog-Novizen.
Hinter der Bar stehen auf alle Fälle „d’rächde Leit“: Das zeigt der erste Schluck vom „Cristal Poppin Mojito“ (um acht Euro), der von Beginn weg „ein Renner“ sei, so Zippe. Bergamotte, Soda und selbstgemachte Säure statt Zitrussäften lassen den Klassiker wasserklar funkeln. Dazu wummert satt der Old School-Hip Hop aus den Boxen. So viel Street Credibility muss sein an der Club-Meile; selbst ein DJ-Pult hat man dem kleinen Raum abgetrotzt.

Vorne Edel-Imbiss, hinten Gläserkühlung 

Die Soundkulisse zu Highballs und Hot Dogs kommt an. „I grew up with that stuff“, lobt ein gebürtiger New Yorker, der für Daimler arbeitet. Sein bevorzugtes Getränk ist dementsprechend der Kakao-satte „Puff Daddy on a Bike“, aber auch den „Gravel Coconut Pit“ (zehn Euro) mit Zippes alter Liebe Monkey 47, Rose, Koriandersamen und Kokosnuss kann er empfehlen. Und ihm entgeht im Gegensatz zu den eingehängt in die Küchenecke lugenden „Bruders“ auch das technische Herzstück der kleinen Bar nicht: Der Gläserkühler sorgt dafür, dass selbst die simplen Zweiteiler hier Klasse haben. 
Doppelt gefrostetes Eis ist ohnehin selbstverständlich im purpurnen Cocktail-Imbiss. PR in eigener Sache machen zudem die mit dem Bar-Kürzel „P.R.“ gekennzeichneten Zutaten der 12 Highballs. Falernum wird ebenso selbst gemacht wie Wermut, „jeden Dienstag ist Kochtag“, so Zippe. Denn auch wenn es schnell gehen soll im 23 Sitzplätze fassenden „Purple Room“, will man nicht am Anspruch sparen. Selbst die Shots, angelehnt an einen „Mexikaner“, nur eben mit Del Maguey’s „Vida“, sitzen hier.

Nahversorger für die Nachtschwärmer

Beim Essen hat man ohnehin lange getüftelt, Brötchen aus Sindelfingen und lokale Wurst (gegen Aufpreis von einem Euro kann vom „Italian Stallion“ bis zum „Schwaben Dog“ jede Variante mit Rinderwurst gepimpt werden) stehen zu Buche. Die lokalpatriotische Variante zu 5,80 Euro kommt mit Kartoffelsalat und gerösteten Schwarzwälder Schinken-Krümeln frisch aus der purpurnen „Bastelecke“ – denn auch BBQ-Rotkraut, Senf und zweierlei Zwiebel wollen darauf noch aufgetürmt sein. 
Warum schließlich soll man spätabends nur auf die Reste beim Döner-Laden hoffen müssen? Insofern hat sich schnell ein Lieferservice zu den Nachbarn – das Jigger & Spoon etwa befindet sich nur zwei Ecken weiter – entwickelt. Auch Catering, vielleicht irgendwann mit einem Food Truck, schwebt dem Halter der „heißen Hunde“ vor.
Doch zurück zur Flüssignahrung in der Heuss-Straße 34, die als Konglomerat aus „Candelaria“ (Paris), „Fat Dog“ (Amsterdam) und Jörg Meyers „Boilerman“-Geniestreich angelegt ist. Zippes spaßige Küche reiht sich damit in die neue Leichtigkeit der Bar ein. Edelzutaten, architektonischer Aufwand und immer schwerer zu findende Mixologen machen die Margen vielfach eng, das wirtschaftliche Standbein wackelig. Da verlässt man sich hier lieber auf das Spielbein: Niedrigschwellig, aber tadellos, und mit Preisen, „bei denen man vielleicht eher mal einen Drink ausprobiert, der interessant scheint.“ Das Ganze immer mit einem Augenzwinkern serviert – für das etwa der Cheesecake-Vodka-Mix „The Next Episode“ (8,50 Euro) steht. 

 

Und dann mal eben einfach ein Bier …

Gewechselt werden diese Signature Drinks allerdings wie in den großen Bars alle drei Monate, „schließlich sollen sich Stammgäste nicht langweilen“. Aus der erwähnten Gästesicht kommt das erfrischend rüber wie der Besuch der Studentenkneipe zwanzig Jahre nach dem Studienabschluss. Man hat viel gesehen, will nicht nur mit Netflix im Designer-Home versauern, fühlt sich gleichzeitig aber zu jung für Diskussionen über den Abgang des 2008er Montrachets in Endlos-Schleife. 
Wein gibt es im Purple Room auch, aber eben nur einen Roten und einen Weißen (Chardonnay von Kessler). Die ebenfalls singuläre Position Bier wurde mit dem Cluss-Kellerpils von Dinkelacker gut und ebenfalls regional besetzt. Einmal mehr erweist sich Dino Zippe hier als Vollprofi: „Ab und zu muss es zum Hot Dog ja auch ein Bier sein“!

Credits

Foto: Wolfgang Simm

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