TOP
Till Deininger

Till Deininger: So jung expandieren wir nicht mehr zusammen

Mit dem Dude, dem Schluckspecht und dem Kawenzmann ist Till Deininger so etwas wie der Großunternehmer der Barszene in Bamberg. Auf dem Karriere-Zettel hatte das der Politikstudent nicht unbedingt. Jetzt hat er aber umso mehr Lust darauf, wie er im MIXOLOGY ONLINE-Porträt verrät.
Viel haben wir in den letzten Wochen über Bamberg berichtet und uns mit einzelnen Akteuren der dortigen Barszene beschäftigt. So haben wir Mehmet Imrak in seinem Freiraum interviewt und den amtierenden, deutschen World Class Bartender Sven Goller im Das Schwarze Schaf besucht. Als Abschluss dieser kleinen Reihe (und wir kommen mit Sicherheit wieder, handelt es sich um eine äußerst vitale Szene) haben wir uns auf ein Gespräch mit Till Deininger in seiner neuesten Bar getroffen: hohe Decken, ein lang gezogener Tresen aus Holz, Palmentapete, Masken. Willkommen im Neo-Tiki-Paradies namens Kawenzmann.

Am Anfang stand das Milchpulver

„Das war eine schwere Geburt“, sagt Till Deininger und meint damit die Namensfindung, dessen Ursprung in der Seemannssprache liegt und eine große Welle beschreibt. „Die Seefahrt passt gut zur Tiki-Kultur – auf ins Unbekannte!“ Und eine Tiki-Bar wollten Till Deininger und sein Geschäftspartner Lars Baldes unbedingt machen, „denn so etwas gab es in Bamberg bis dato noch nicht.“ Unterstützung bekommen die beiden von Linda Le, die wiederum als Managerin im Kawenzmann arbeitet und auch im Dude tätig ist, dem ersten Laden, den Deininger und Baldes 2012 eröffneten. „Das waren ja noch ganz andere Zeiten“, sagt der Anfang 30-Jährige. „Damals fragte mich Lars, ob ich nicht Lust hätte, mich zu beteiligen, er wolle eine Bar aufmachen. Mit Highend-Drinks hatte das allerdings nichts zu tun.“
Im Gegenteil, setzten die beiden ganz auf White Russians, die sie teilweise mit Milchpulver anrührten. „Wir hatten wirklich keine Ahnung und haben uns das erst nach und nach angeeignet. Kaum vorzustellen.“ Doch der Laden wurde schnell zum Anlaufpunkt vieler Studierender, vielleicht auch deshalb, weil Till Deininger und Lars Baldes selbst noch am Studieren waren und einfach wussten, was gut ankommt.

Gestatten: Till Deininger, Politikstudent

Dass er eines Tages Besitzer mehrerer Bars sein würde und das auch noch in Bamberg, hätte sich der gebürtige Stuttgarter früher nie erträumt, kam er ursprünglich eben wegen seines Politikstudiums in die Stadt. „Mit BWL hatte ich eigentlich nie viel am Hut und musste mir dementsprechend viel selbst beibringen.“
Seinem Geschäftspartner ging es ähnlich: Als Student der Literaturwissenschaften lag die Welt der Zahlen und ökonomischen Prozesse nicht in unmittelbarer Nähe, doch dank professioneller Unterstützung unter anderem in Form eines Unternehmensberaters eigneten sich beide im Laufe der Zeit viel Knowhow an. Sein Studium hat Till Deininger dennoch beendet, für den Fall, dass es mit der Selbstständigkeit nicht klappen sollte – eine Angst, die er mittlerweile nicht mehr hat.

So jung expandieren wir nicht mehr zusammen

Das ist auch gut so, haben das Team Baldes/ Deininger innerhalb der letzten sechs Jahres einiges auf die Beine gestellt: Der Dude – in Anlehnung an The Big Lebowski – ist aus der Bamberger Kneipen- und Barszene nicht wegzudenken, im Retrostil der 1970er Jahr lädt er zu hochwertigen White Russians sowie einer feinen Bier- und Cocktailauswahl ein.
2014 eröffneten die beiden den Zapfhahn, ein Restaurant mit dem Fokus auf Burger und fränkischen Bieren. Teil dieses Gebäudekomplexes ist ein kleiner Raum, den sie zunächst für geschlossene Gesellschaften nutzten, bis ihnen auffiel, dass sie damit eigentlich Potential verschwendeten. Kurzerhand funktionierten sie ihn zur Bar um, genauer gesagt zur Vintagebar Schluckspecht. Mit einer feinen Auswahl an Highballs, klassischen Drinks und verschiedenen Whiskys und Rums, ist sie eine echte Bereicherung für die Bamberger Gastroszene.
„Unser Prinzip ist: Schnell expandieren, so lange wir noch jung sind. Hier ist auf jeden Fall noch einiges möglich und wir haben darauf Lust“, erklärt Till Deininger die Herangehensweise sowie Motivation, und bisher geben alle ihre Projekte ihnen Recht.

Bamberg bleibt Bamberg

Unterstützung bekommt Till Deininger auch von seiner Familie; dass er sich selbstständig gemacht hat, finden sie gut. „Nur manchmal werde ich nach einer Altersvorsorge gefragt“, gibt er lachend zu. Weg aus Bamberg kommt für ihn nicht in Frage, auch weil das Klima zwischen den verschiedenen Bars gut ist. „Wir unterstützen uns gegenseitig. Ich habe bei Sven im Das Schwarze Schaf quasi die Cocktailkunst kennengelernt und verbringe nach wie vor gerne Zeit bei ihm. Ich möchte behaupten, dass es ohne ihn diese Szene auch gar nicht gäbe.“
Es ist eben diese Kollegialität, die die Bamberger Barbetreiber und Mixologen auszeichnet; anstatt zu konkurrieren ziehen sie den Austausch und die gemeinsame Weiterentwicklung vor. Dies auch über die Grenzen der fränkischen Kleinstadt hinaus: Zusammen mit ihren Regensburger Kollegen und Kolleginnen veranstalten sie seit 2016 ein Mal jährlich das Baraid – ein Bartenderaustausch-Charity-Event, bei dem die Bamberger Barkeeper nach Regensburg und umgekehrt fahren und sich einander beim Mixen unterstützen. Zehn Prozent der Einnahmen an diesem Abend kommen einem wohltätigen Zweck zu Gute – ganz zu schweigen davon, dass sie auf ihren Stundenlohn verzichten.

Bamberger All-Stars mit Besuchsfreude

Sogar einen Verein haben einige der Bamberger Bartender gegründet, als „Regnitz Allstars – Bamberger Rührsportverein“ verstehen sie sich als Kollektiv für experimentelle Cocktailkunst und mixen für einander – was für gut befunden wird, schafft es auf die Karte. „Ich bin Gründungsmitglied und habe das Logo entworfen“, sagt Till Deininger und das zu Recht mit Stolz, denn was diese Barszene innerhalb kürzester Zeit auf die Beine gestellt hat, ist beeindruckend.
Hört man sich die vielen lobenden Worte an, die sie übereinander sagen, ist es auch schwer vorzustellen, dass sich trotz des Erfolges und der steigenden Popularität Grundlegendes in näherer Zukunft ändern wird. Zu wünschen wäre es auf jeden Fall, denn als Gast fühlt man sich gleich doppelt wohl, wenn nicht nur die Drinks schmecken, sondern auch die Atmosphäre familiär und vertraut ist – wie eben in Bamberg, wo die Barkeeper auch mal in Allstar T-Shirts mixen und sich an freien Abenden gegenseitig in ihren Bars besuchen.

Credits

Foto: www.kontender.de

Kommentieren