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Design zählt: Die Top Fünf deutschen Craft Beer-Designs

Auch beim Craft Beer zählt nicht nur der Inhalt. Die Abgrenzung von tradierten und langweiligen Fernsehbieren gelingt vielen jungen Firmen ebenso über ein erfrischend gestaltetes optisches Image und den Namen.

Design-Experte Iven Sohmann nimmt für uns seine Top Fünf der Design-Meisterstücke junger deutscher Braukunst unter die Lupe.

Einigkeit und Recht und Reinheitsgebot. Das klassische deutsche Bieretikett ist der letzte visuelle Rückzugsort politisch unbedenklicher Heimatliebe. Oder warum sonst sind Folklore, Frakturschrift und Hoheitszeichen derart häufig auf dem Gebrauten der Nation zu finden? Nebst der Symbolik ist auch der Aufbau der etikettgewordenen Postkartenmotive schnell erklärt: oben Wappen und Gründungsjahr, mittig Marke und Sorte, unten Medaillen und Parole und drumherum reichlich Gold und Hopfen-Malz-Dekor.

Jenseits von Frakturschrift und Wappen

So weit, so stereotyp. Natürlich ist die naheliegende Heimatthematik ein vollkommen legitimer Aufhänger für Bierverpackungen. In ihrer Festgefahrenheit gilt sie jedoch als symptomatisch für den Einheitsgeschmack der Großbrauereien und den einstigen Stillstand des hiesigen Marktes. „Nicht mein Bier!” denkt sich die auf Krawall gebraute Craft Beer-Bewegung und verlässt oft schon bei der Namensgebung die heimischen Gefilde. Brewcifer, Flying Turtle und Ale-Mania beispielsweise sind Produkte deutscher Startups, deren kreativer Herstellungsprozess auch in adäquates Verpackungsdesign überführt wurde. Ihre spannendsten Vertreter mit einem Sortiment von mindestens 3 Flaschenbieren werden im Folgenden vorgestellt. Der Rangfolge liegt dabei eine Bewertung hinsichtlich Markenprägnanz, Sortencodierung, Storytelling, Innovation und Wertigkeit zugrunde.

Platz 5: Von Freude

Ist das Bier oder kann das weg? Von Freude sorgt für Verwirrung. Und außerdem für gute Laune. Seine spielerische Sudoku-Schreibweise in kindgerechter Farbgebung passt zur Wortmarke der Hamburger Craft-Brauer wie der Flausch auf’s Auge. Die Perle des Ganzen ist das schaumkronenartige O, das sich als gekonntes Keyvisual mit der jeweiligen Sorte wandelt. Ansonsten ist die Differenzierung der Produktpalette zwar deutlich aber wenig prickelnd. Obwohl ihnen die klare Groteskschrift der Marke alle Freiheiten lässt, mangelt es den findigen Sortenbezeichnungen an typografischem Feingefühl. Auch die zu detaillierte Trägerform des Alkoholgehalts und der mehr als entbehrliche Grungelook schaden dem an sich edlen Etikett. Insgesamt überzeugt Von Freude aber dennoch  – nicht zuletzt durch seine Unbierigkeit. Ja, auch das ist Bier und das muss bleiben!

Design: Wasserzeichen Markenagentur

Platz 4: Buddelship

Beim Neptun! Wie kommt das Schiff in die Flasche? Durch viel handwerkliches Geschick. Für eine hanseatische Kreativbrauerei ist Buddelship ein Naming par excellence. Das vielfältige Biersortiment der Hamburger besteht aus vier heimischen und vier internationalen Braustilen, die durch die kartoffeldruckartige Logotype und eine vergilbte Schmutzoptik geeint werden. Den Unterschied machen die Motive. Während sich in der Heimathafen-Reihe die Schiffstypen und Hafensilhouetten je nach Sorte wandeln, codiert sich die Auf See-Reihe lediglich über Typografie und Farbe. Der Darstellungsstil der wechselnden Motive ist dabei nicht immer konsistent, das wiederkehrende Frachter-Wappen hingegen jedoch stimmig und einprägsam. Beide Designlinien sind mit ihrem verspielten Seefahrercharme aber definitiv zu schade, um damit nur Schiffe zu taufen.

Design: Nina Lockemann

Platz 3: Kuehn Kunz Rosen

Zwinker, zwinker, kühner Star. Die drei Bierikonen von Kuehn Kunz Rosen haben den Schalk im Nacken. Eine davon packt ihn sogar am Kragen und steht symbolisch für die in Bild und Wort stets mutige Marke. Die Illustrationen samt Antiquaschrift auf chamoisfarbenen Fond verleihen den Mainzer Kreativbieren hohen Wiedererkennungswert. Überhaupt wirkt das Etikett aus Naturpapier sehr wertig, da es der traditionellen Verpackungsgestaltung von Wein nicht unähnlich ist. Unterstützt von wolkigen Farbklecksen differenzieren die zwei Alphamädchen und die One-and-a-half-men die Produktpalette vorbildlich. Rätselhaft bleibt nur das zickzackige Sanduhren-Signet. Schließlich machen die kecken Subkulturtypen den Anschein, als könne man endlos mit ihnen um die Häuser ziehen.

Design: Meisterwerk / Leonie Flöttmann

Platz 2: Brlo

Was klingt wie der Rufname eines weißrussischen Liberos, bezeichnet ein Bier für warmherzige Liebhaber. Brlo steckt voller Gegensätze. Trotz konventionellem Wappentier und Rohstoffzierwerk trifft das Berliner Craft Beer den Zeitgeist der Startup-Kultur. Das Naming à la Scrabblebeutelgriff steht mit seiner kantig-markanten Typografie im Kontrast zu den weichen Formen der Piktogramme und der klaren Farbcodierung der Sorten. Das gerippte Naturpapier und der geprägte Markenschriftzug betonen die Handwerklichkeit des Produktes und veredeln es im wahrsten Sinne des Wortes. Mit viel Liebe zum Detail gelingt es Brlo, Kitsch und Chic zu ehelichen – man beachte nur die Herzen im Gerstenpiktogramm! Ähre, wem Ähre gebührt.

Design: Lutz Herrmann Design

Platz 1: Crew Republic

Authenzität. Authenzitität. Authentizität. Wer sie hat, muss es nicht schreiben. Die Münchener Crew AleWerkstatt beerdigt den Bierernst mit feuchtfröhlichem Storytelling. Per Hopfengranate und Handlettering schlägt das überwiegend typografische Bauchetikett im Bierregal ein. Die einprägsame Sortencodierung schwankt zwischen dezentem und opulentem Farbeinsatz und wird von den sinnstiftenden Piktogrammen der Halsetiketten bestimmt. Irgendwo zwischen Comic und Holzschnitt erzählen diese von abenteuerlicher Gewalt, gewaltigen Abenteuern und anderen Experimenten. Für diesen forschen Forschungsdrang in handwerklicher Perfektion gebührt der Bier gewordenen Schnapsidee Crew Republic der Prost zum Siege!

Design: DOJO Werbeagentur

Neue Regeln für neues Bier: auch visuell!

Hop hop hooray! Die Top 5 der Packagingdesigns deutscher Craftbiere ist ein heterogener Haufen, der den nach Abwechslung dürstenden Kehlen des Reinheitsgebotslandes auch visuell gerecht wird. Und das trotz einheitlicher 330ml-Longneckflasche und formal ähnlichem Bauchetikett. Jede einzelne Verpackung setzt die klassischen Regeln des Bierdesigns gekonnt „außer Craft” und meidet das immergleiche Premium-Palaver um Tradition, Genuss und Heimat. Die Neuinterpretation dessen wird mit guten Geschichten angereichert, die thematisch wie gestalterisch auch auf den zweiten Schluck überzeugen.

Generell gilt für Craft Beer: auf einmal ist da Inhalt, wo sonst nur Inhaltsstoffe waren – und selbst diese werden von den Kreativbrauern meist minutiös und somit vorbildlich ausgewiesen. Da verzeiht man das eine oder andere stiefväterlich misshandelte Etikett gerne. Was nicht heißen soll, dass hinter den im Ranking gelisteten Vertretern aus Berlin, Hamburg, Mainz und München nur gestalterische Problembiere ihr Unwesen treiben. Viele Brauereien wie Tilmans, Braukollektiv oder Onkel Bier kamen schlicht aufgrund ihres noch spärlichen Sortiments nicht für eine vergleichende Analyse infrage, beweisen aber dennoch Geschmack in jeder Hinsicht. Letztere braut sogar nach dem „Freiheitsgebot”. Darauf sollte man trinken!

Credits

Foto: Titel: Zeichner & Bierflasche via Shutterstock; Postproduktion: Tim Klöcker. Produktfotografien: Crew AleWerkstatt, Brlo, Felix Matthies (Von Freude), Meisterwerk (Kuehn Kunz Rosen), Nina Lockemann (Buddelship)

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