Verpackungsdesign: Top-Fünf der Filler Made in GSA
Der Markt der Filler ist heiß umkämpft, längst ist die Frage der richtigen Flasche die Frage des richtigen Designs. MIXOLOGY ONLINE wirft einen Blick auf das Verpackungsdesign der Filler aus Deutschland, Österreich und der Schweiz – und kürt seine Top-Fünf.
Eine Rose ist eine Rose, Dienst ist Dienst und Filler sind „Mixer“, „Softdrinks“, „Limonaden“, „Erfrischungs-“, „Bitter-“ oder „Teegetränke“. Zumindest deklarieren ihre Rückenetiketten sie als solche. Angesichts ausufernder Experimentierfreude vor, hinter und fernab des Tresens, sind die Grenzen zwischen Bargetränken und Alltagsdurstlöschern aber seit kurzem fließend. Entsprechend schwer fällt eine Definition des Begriffs „Filler“ für den Rahmen dieses Artikels.
Vorsichtig formuliert: Im Folgenden soll das Verpackungsdesign all jener Getränke untersucht werden, die in der gehobenen Gastronomie Spirituosen verlängern und veredeln können, mit Ausnahme von Säften, Saftschorlen und Alkoholika; aus Deutschland, Österreich und der Schweiz natürlich; und in einer tresentauglichen Gebindegröße.
Genug der Barspalterei
Filler made in GSA werden zumeist in weiße Longneckflaschen mit Kronkorkenverschluss und einer Nennfüllmenge von 200 oder 330ml abgefüllt. Schraubverschlüsse, andere Glasfarben oder Dosen finden sich eher selten. Eigens kreierte Gebinde kommen vor allem bei den Großen der Zunft zum Einsatz: markant bei Afri Cola und Goldberg & Sons, dezent bei Thomas Henry und fritz-kola. Nebst Individualflasche eint die Letzteren auch das monochrome Keyvisual aus dem Vektorprogramm-Schnupperkurs: Der Filler-Vorreiter zeigt das Konterfei seines Namensgebers, der Lifestyle-Limo-Leader die Grinse-Grimassen seiner Gründerväter.
Rein visuell zeigt sich der Filler-Markt davon weitestgehend unbeeindruckt und ist so verschieden wie seine Geschmäcker. Die gestalterische Vorbildfunktion der Branchenkrösusse ist vor allem verbaler Natur. So gesellen sich zu Thomas und Fritz unter anderem Dr. Filler, Doctor Polidori und Tom’s Tonic Water. Andere Wettbewerber geben sich Tiernamen wie piranja und Lobsters oder geografische Bezeichnungen wie Eizbach und Herbal Moscow. Betont wohlklingende Wortmarken wie Weisswange und Glam Cola oder wortspielerische Kreationen wie Qcumber und N8CAP sind ebenfalls vertreten.
Neben Markenprägnanz und Storytelling zählen aber auch Sortencodierung, Innovationsgehalt, Haptik und Wertigkeit zu den ausschlaggebenden Kriterien für das nachfolgende Ranking. Et voilà, die prickelndsten Packagings aus Deutschland, Österreich und der Schweiz.
Platz 5: Gents
It’s raining men! Hallelujah! It’s raining … Moment mal! Dem Zürcher Startup Gents kommt die Kurzform von „Gentlemen“ als Assoziation sicher nicht ungelegen. Eigentlich geht die Wortmarke aber auf die wissenschaftliche Bezeichnung des Gelben Enzians zurück. Die Zugabe von „Gentiana Lutea“ ist nämlich das geschmackliche Alleinstellungsmerkmal des Swiss Roots Tonic Water. Das UFO am Himmel wirft weitere Fragen auf. Was aussieht wie der von DJ Düse besungene „Hub-Hub-Hubschraubereinsatz“, ist in Wahrheit eine von Léon Bennett entliehene Luftschiff-Illustration aus Jules Vernes Roman „Der Herr der Welt“. Die Verbindung von Holzschnitt und Sonderfarbe ist dabei so abenteuerlich wie das Buch selbst. Auch der Schriftmix aus typisch schweizerischer Grotesk und klassizistischer Antiqua sorgt für reichlich Spannung. Die Farben der konsistenten Etiketten für die Sorten Tonic Water, Bitter Lemon und Ginger Ale sind dabei gekonnt aufeinander und auf den jeweiligen Inhalt abgestimmt. Die Haptik des metallisch schimmernden Papiers ist hingegen zumindest gewöhnungsbedürftig. Einzig die überflüssigen Schmuckelemente und der Used-Look sind wirklich zu bemängeln. Wie beim Jeanskauf. Platz Fünf für die Himmelfahrtskollabo.
Design: Beling Thoenen Design
Foto: Gents
Platz 4: Doctor Polidori
Bitte Mund auf und aaah! Die Tonic-Linie Doctor Polidori aus dem Saarbrückener Hause Capulet & Montague erzählt die Geschichte eines Mixologen der alten Schule. “The Legendary Doctor John William Polidori” war Mediziner, Literat, Reisebegleiter des Dichters Lord Byron und stets auf der Suche. Sowohl im Kleinen als auch im Großen, wie Mikroskop und Kompass als feine Kupferstichillustration auf Hals- und Bauchetikett bezeugen. Als Schriftsteller wird Polidori die erste literarische Vampirerzählung zugeschrieben. Wie gern er selbst Blut trank, ist nicht überliefert – sein Favorit war das Tonikum. Für die perfekte Mixtur suchte er auf seinen Abenteuern stets nach Kräutern, Beeren, Früchten und Blüten, deren Kompositionen heute das erzählerische Etikett säumen wie damals seine Reiserouten.
Unkraut als Zierwerk inklusive. Onkel Doktor Polidoris Erdverbundenheit vermittelt auch das starke Naturpapier, auf dem der Markenname in einer für einen Arzt untypisch leserlichen Handschrift geschrieben steht. Es geht doch! Unter der Nicht-Sauklaue stellt eine sachliche Grotesk das Rezept auf einem wuchtigen Spruchband aus: Dry Tonic Water bzw. Cucumber Tonic. Trotz zusätzlicher Gurken-Abbildung bei letzterem sind die beiden natürlichen Schönheiten fernab von OP-Licht leider kaum auseinanderzuhalten. Oder ist die Rot-Grün-Blindheit nur noch nicht diagnostiziert? Hilfe, wir brauchen hier einen Arzt!
Design, Foto: Capulet & Montague
Platz 3: Cucumis
Hier könnte Ihre Werbung stehen. Die Hamburger Hersteller von Cucumis – lateinisch für Gurke – bringen ihre Produkte als stilisierte Litfaßsäulen in Umlauf. Das bestimmende Bauchetikett im Isometriepapier-Look wird hierfür gefünfteilt. Teilfläche oben: Marke und Sorte. Teilfläche mittig-links: Nennfüllmenge. Teilfläche mittig-rechts: Produktbeschreibung. Teilfläche unten-links: Illustration der Gründer im Halbtonraster. Teilfläche unten-rechts: Farbfotografie der Sorten bestimmenden Zutat vor vektorisierter Siegelgrafik. Eklektik par excellence! Ganz im Sinne der Mixologie werden hier die unterschiedlichsten Stile zu einer Einheit geformt, die bei weitem mehr ist als die Summe ihrer Teile. Die gesperrte Wortmarke samt schmückender Inline und das typografische Gesamtkonzept mit schmaler, konstruierter Grotesk im Block- und Versalsatz leisten dabei ganze Arbeit. Heißt für Laien: Schrift is’ supi! Hinzu kommt, dass die Pastellfarben des Inhalts und der Etiketten von The Sophisticated Cucumber und The Sophisticated Lavender ebenfalls wie aus einem Guss erscheinen. Das Gurkenwasser und die Lavendellösung stehen damit ganz in Tradion des Art déco der Goldenen Zwanziger. Passend dazu sollen die Abbildungen der beiden Cucumisters schon bald durch wechselnde Künstlerarbeiten ersetzt werden. Ernsthaft: Hier könnten Ihre Werke stehen.
Design: Lennard Niemann, Mutabor Hamburg
Foto: Cucumis
Platz 2: Lemonaid
Trinkst du noch oder hilfst du schon? Auf den ersten Blick könnte Lemonaid aus Hamburg glatt als IKEA-Eigenmarke durchgehen. Tatsächlich stammt die Gestaltung aber von einem Designstudio aus Schweden, das zwar bereits für besagten Einrichtungskonzern gestaltete, aber, aber … es ist wirklich nicht das, wonach es aussieht! Obwohl. Eigentlich doch. Aber anders: Lemonaid sieht gut aus und tut Gutes. Pro verkaufter Flasche fließen fünf Cent in gemeinnützige Projekte. An dieser Stelle wird allerdings nur die einfache wie geniale Montageanleitung gewürdigt: unübliche Standardflasche + zukunftsträchtiger Schraubverschluss + naturgetreue Farbcodierung + weißer Direktsiebdruck + reduzierte Typografie + klare Symbolik. Auf dieser Basis bauen die Bessertrinker mühelos 2,5 Designlinien auf.
Per geometrischer Groteskschrift und Helferkreuz schnürt die Lemonaid-Linie mit den Sorten Limette, Maracuja und Blutorange ein Rundum-Sorglos-Paket um das Gebinde. Die ChariTea-Linie in den Geschmacksrichtungen green, red und black ist hingegen in klassizistischer Antiqua gesetzt und entfaltet ihr stilisiertes Teeblatt nur zur Glasfront. Die Mate wiederum entdeckt die Möglichkeiten beider Designlinien und vermischt deren Schrift- und Layoutkonzept souverän. Bei Lemonaid sind die verschiedenen Systeme nämlich miteinander kombinierbar. Alter Schwede, habt ihr’s schön hier!
Design: BVD
Foto: Lemonaid
Platz 1: Aqua Monaco
Ob dieses Entlein wohl jemals hässlich war? Aqua Monaco hat sich jedenfalls ganz schön gemacht – eigenhändig und allumfassend. Vom 230ml-Individualgebinde aus Braunglas über den All-Over-Print auf den Kronkorken bis hin zur Inszenierung der Nährwertangaben und Inhaltsstoffe auf dem Bauchetikett: Der schöne Schwan aus München hat Packaging neu gedacht und bricht erfolgreich mit Konventionen. Ebenfalls mutig verknüpft das „Monaco” in der Wortmarke – die italienische Bezeichnung für München – den Ruf der „nördlichsten Stadt Italiens“ mit dem vorherrschenden Schickeria-Klischee.
Zusammen mit den Begriffen Tonic, Lemon, Soda, Ginger, Golden, Hot, Black und Green formt der Namensbestandteil zudem die Sortenbezeichnungen. Die Filler-Linie ist auch ansonsten vorbildlich codiert und nutzt die reduzierte Zweifarbigkeit und das an sich strenge Gestaltungsraster optimal aus. Das Baukastensystem aus Dreiecken, Märchenkönig-Schwänen und Typografie-Elementen in der unternehmenseigenen Groteskschrift variiert seine Zusammensetzung dabei von Sorte zu Sorte. Ein zeitgemäßes und durch und durch innovatives Erscheinungsbild mit hohem Wiedererkennungswert. Mein lieber Schwan, Gratulation!
Design: Aqua Monaco
Foto: Aqua Monaco
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Gemischte MIxer
Kompliment in die Runde! Die Top Fünf der Filler-Designs aus Deutschland, Österreich und der Schweiz sind höchst individuelle Verpackungen, und auch im Verfolgerfeld ist die Anzahl der gestalterischen Me-Too-Produkte erstaunlich gering. Es sind nur Nuancen, die den Vorsprung zu Marken wie N8CAP oder Thomas Henry ausmachen, und auch die umfangreichen Sortimente von Eizbach und piranja sind allemal in Reichweite. Die Konzepte von 1337 Mate und pHenomenal Drinks wissen ebenfalls zu überzeugen. Während Erstere durch Kooperationen mit Künstlern ein munteres Bäumchen wechsel dich auf ihrer neongrün-schwarzen Flaschenfront spielen, kommen Ginger- und Tonic-Sirup letzterer im stilvollen Breaking-Bad-Baukasten. Das Design der Matrjoschka-Dose von Herbal Moscow und der Pin-up-Flaschen von Soul Soda ist zwar noch nicht auf Augenhöhe, bringt aber enormes Kult- und Entwicklungspotential mit sich. Man darf also gespannt sein.
Das gilt auch im Allgemeinen. Der Filler-Markt hat sich in den letzten Jahren nachhaltig verändert und wird in Zukunft weitere inhaltlich wie gestalterisch innovative Produkte hervorbringen, die manch Großem der Branche auch ohne Alkohol Kopfschmerzen bereiten werden. Die besondere Herausforderung der Filler-Packagings ist dabei die richtige Balance zwischen der Abgrenzung zu den Wettbewerbern im Supermarktregal und dem Eindruck neben dem Drink in der gehobenen Gastronomie. Ob letzterer dann ein Longdrink, ein Highball oder doch ein Cocktail ist, dürfen aber gerne andere definieren.
Credits
Foto: Foto via Tim Klöcker.