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Zwischen Bar-Vielfalt und rigiden Vorschriften: Deutsche Bartender in Australien  

Das neue Kapitel aus der Serie Traveling Bartender führt uns auf den fünften Kontinent: Wie arbeitet es sich in Australien?Wir haben mit vier deutschen Bartendern gesprochen, die zwischen überschwänglichen Eindrücken und kritischen Einsichten in Down Under hin- und herschwenken.

Es gibt diese Länder, deren Hauptstadt man grundsätzlich falsch rät. Früher im Erdkunde-Unterricht etwa meldete sich alleinig die Streberfraktion, als nach der Hauptstadt von den Niederlanden, Kanada oder etwa jener von Australien gefragt wurde.

Sie meinen: Den Haag, Toronto, Sydney? Ich sage: Amsterdam, Ottawa, Canberra. Und da Unwissen häufig nur das Produkt von unzureichender Informationsbeschaffung ist, begeben wir uns doch mal auf die Reise in eines dieser Länder. Genauer gesagt, nach Australien.

Ein Land, ein ganzer Kontinent, der auf eine Vielzahl von Jung-Abiturienten eine gewisse Magie ausübt, dort ihr Work & Travel-Semester durchzuführen. Es locken nicht nur günstige Visa-Bedingungen, sondern ebenfalls traumhafte Strände, eine unberührte Natur, eine Mentalität der Gelassenheit, Tauchkurse und last but not least: das schnelle Geld.

Remaining Flight Distance: 14.500 km

All diese Argumente lockten auch deutsche Bartender nach Australien. Sie wollten sich an diesem neuen Ort, ihrem neuen Lebensmittelpunkt, ihrer Passion mit Haut und Haar widmen.

Simon Kistenfeger ist ein alter Bekannter in unserer Reihe. Den Bartender verschlug es im ersten Teil unserer Reportage in den hohen und kalten Norden. Auch in Australien war er jedoch bereits am Brett. „Zum einen wollte ich unbedingt in ein englischsprachiges Land, um meine Sprachkenntnisse zu verbessern, zum anderen bin ich fasziniert von anderen Kulturen und deren Auffassung von Gastfreundschaft“, so der deutsche Bartender, der nach Melbourne gegangen war. Im Vergleich zu anderen Städten Australiens beschreibt er das Niveau und Level der Barszene Melbournes als deutlich höher und merkt an, dass er dort viel über Molekular-Mixologie und der Alchemie hinter Drink-Kompositionen gelernt habe.

„Nicht nur das fand ich toll. Ich bin auch ein großer Kaffee-Enthusiast, und die Kaffee-Szene Melbournes zählt zu einer der besten der Welt. Das hat mir auch viele Einblicke abseits der Bartender-Kultur gewährt, die ich heute nicht missen möchte“, so Kistenfeger.

Viele Freunde habe er sehr schnell kennenlernen und an vielen Workshops teilnehmen dürfen. Als größten Unterschied im Vergleich zur deutschen Barszene macht er die deutsche Gartenzaunmentalität aus. Australier seien deutlich relaxter und Barteams zumeist sehr international besetzt. „Ich durfte zu meinen Kollegen Menschen aus allen Kontinenten zählen, wir haben uns professionell und privat ausgetauscht, und nun habe ich Freunde auf der ganzen Welt“, so Kistenfeger begeistert. Kritisch betrachtet er darüber hinaus allerdings die Ausschankgesetze.

Die gute alte Sperrstunde…

Die Hamburgerin Nele Stubben pflichtet Kistenfeger bei. Auf der einen Seite lobt sie Australien für seine einfache und überaus zuträgliche Bürokratie, die es einem jeden Bartender aufs Schnellste ermögliche, durchzustarten.

„Als ich in Melbourne angekommen bin, durfte ich zunächst 14 Tage bei einem Freund auf der Couch schlafen. Innerhalb dieser zwei Wochen hatte ich ein Handy, ein Bankkonto, einen RSA (abgelegte Prüfung für Barpersonal zur Ausübung der Arbeit an Bars, Anm.), ein WG-Zimmer, eine erste Wohnung und mein erstes Gehalt auf dem Konto.“

Auf der anderen Seite aber berichtet sie von strikten Gesetzen der Alkoholkontrolle. „Die Ladenschlussgesetze sind deutlich strenger in Australien, so wird über die Lizenz der Bar nicht nur geregelt, wie viele Menschen sich maximal in deiner Bar aufhalten dürfen, der Lizenz-Preis ist auch daran gekoppelt, wie lange du bewirten möchtest. Wer länger als ein Uhr nachts bewirten möchte, muss kräftig draufzahlen, und Lizenzen, die länger als bis drei Uhr morgens gehen, sind schwer zu bekommen. 24-Stunden-Lizenzen werden eigentlich nicht mehr ausgestellt, die einzigen Bars, die solche Lizenzen haben, verfügen über diese seit Jahren. Die Situation in Sydney ist noch deutlich prekärer, dort darf in weiten Teilen des Stadtgebiets kein Schnaps mehr nach 24 Uhr ausgeschenkt werden, und einen Single Malt Scotch bekommt man nur noch, wenn man sich einen Mixer draufkippen lässt. Nach 23 Uhr darf man meines Wissens nach dort die Lokalität nicht mehr wechseln – und wenn die Bar keinen Raucherbereich hat, heißt das im Zweifelsfall, dass der Abend für dich gelaufen ist, wenn du zum Rauchen vor die Tür gehst. Die Regelungen sind relativ kompliziert, und ich möchte nicht mit gefährlichem Halbwissen um mich werfen, aber es ist schon extrem, was da gesetzlich läuft und wie wenig auf den Protest der Bevölkerung eingegangen wird. Melbourne hat sogar Werbeanzeigen am Flughafen von Sydney geschaltet: ‘If your major won’t let you spend your money on the weekend, how about you spend your weekend elsewhere…’. Interessanterweise trinken die Australier deutlich mehr tagsüber, so ist es ganz normal, Gruppen von Anzugträgern in ihrer Mittagspause zu beobachten, wie sie sich drei bis vier CC and Dry (Canadian Club mit Ginger Ale) genehmigen und anschließend zurück ins Büro gehen.“

Ein positiver Nebeneffekt dieser strengen Reglementierung sei laut Stubben die sich daraus ergebende Symbiose aus Bar und Restaurant. Zahlreiche Bars sind demnach direkt mit Food-Aspekt gekoppelt, was auch das kreative Arbeiten eines Bartenders mit unterschiedlichen Ingredienzien aus der Küche und das Zurückgreifen auf die Expertise der Köche erleichtere und fördere.

Auch den Australier als Gast beschreibt sie als deutlich anders als die deutsche Fraktion. „Ein bisschen Small-Talk und Geplänkel mit dem Bartender gehört einfach dazu. Die ersten Wochen war ich häufig etwas überfordert, als Gäste mich nach meinem Tag oder meinen Plänen fragten. Nach einiger Zeit habe ich schließlich begriffen, dass das hier einfach dazugehört“, so die gebürtige Hamburgerin. Die Zeit in Australien habe sie so sehr geprägt, dass sie Ende des Jahres wieder – dieses Mal dauerhaft – zurückgehe, so Stubben, die momentan noch im The Chug Club am Brett steht.

Bartender und ihr One-Way-Ticket

Eine ähnliche Entscheidung traf vor fünf Jahren auch der Bartender Kevin Hubatschek, dessen Intention zum Tapetenwechsel im Ausweiten seiner Gastgeberqualitäten und der Verbesserung seiner Englischkenntnisse lag. Für Melbourne entschied er sich, weil die Barkultur im Staat Victoria jener von New South Wales zum damaligen Zeitpunkt deutlich voraus gewesen sei.

„Man darf generell nicht vergessen, dass die Barkultur in Australien sich hauptsächlich auf die Großstädte begrenzt. Die Szene lebt stark vom Einfluss aus Amerika. Melbourne im speziellen war eine Goldgräberstadt, in der sich Menschen aus Asien und Europa niedergelassen haben. Diese kulturelle Bandbreite zeichnet sich noch heute an der Qualität der gastronomischen Konzepte ab“, so Hubatschek.

Hubatschek, der mittlerweile fest integriert in der australischen Barszene ist, sah vor fünf Jahren die deutlich bessere Bezahlung im Service-Bereich als einen essentiellen Unterschied hin zur deutschen Barszene, gibt aber zu, dass sich in seiner Abwesenheit in Deutschland auch vieles verändert haben möge. Den typischen australischen Gast würde er mit den Worten „laid-back, equal und passionate“ beschreiben.

„Australien hat sehr liberale Strukturen, die sich durchaus auch in der Barindustrie widerspiegeln. Wenn man von einem Projekt überzeugt ist und es durchzieht, bekommt man starke Unterstützung von vielen unterschiedlichen Seiten“, so der Wahl-Australier.

Auch für Bartender gilt: Wo die Liebe hinfliegt…

Nicht alle Bartender kommen jedoch direkt wegen der Barkultur nach Australien. „Ich habe mich in einen Australier verliebt und bin für ihn nach Townsville, Queensland, Australien gezogen. Ich weiß, ziemlich kitschig aber hey, it all worked out“, so Julia Brandes.

Sie bestätigt Kevin Hubatscheks Aussage der Zentralisierung der Barkultur auf Großstädte und fügt an, dass die Barszene in Townsville lediglich rudimentär vorhanden sei und sich der Import so mancher Spirituose teils sehr schwierig gestalte. Auch die bereits angesprochene strenge Regulierung des Ausschanks sieht sie als einen der größten Unterschiede und erachtet diese „Bevormundung“ als durchaus „anstrengend für Bartender und Gast“.

Als Wahl-Australierin stellt sie noch einmal die unterschiedlichen Lebensformen des Dahin-Reisens und des Dort-Lebens gegenüber; so ist sie sich sicher, dass der Reisende im Gegensatz zum Zugezogenen meist nur stiller und temporärer Beobachter bliebe, nicht aber aktiv mitgestalte, allerhöchstens ein paar gute Einblicke bekäme.

Where to go now?!

Vom Ende der Welt berichteten uns also vier Bartender über ihre Zeit in einem dem Deutschen im Allgemeinen doch recht unbekannten Land. Doch wohin nun? Ist unsere Reise zu Ende? Mitnichten. Zwar ist es ganz offensichtlich, dass Bartender zumeist in große Metropolen mit Cocktail-historischer Vergangenheit reisen, um sich dort fortzubilden oder die Entwicklung aktiv mitzugestalten, es gibt jedoch auch diejenigen, die sich auf unbekanntes Terrain wagen und dorthin gehen, wo die Barkultur noch in den Kinderschuhen steckt.

Nicht nur aus Afrika werden wir berichten, auch auf den Mutterkontinent der Barkultur werden wir uns wagen und unsere Reise auch auf einem Kreuzfahrtschiff fortführen. Nächstes mal, wenn es wieder heißt: Vorhang auf für die Traveling Bartender.

Credits

Foto: Foto via Shutterstock.

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