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Der Trident Cocktail ist ein Twist auf den Negroni von Robert Hess

Der Trident Test: Wie ein Cocktail zu einem Qualitätssiegel wurde

Robert Hess hat nicht nur einer ganzen Generation klassische Cocktails beigebracht, sondern auch selbst neue Klassiker geschaffen. Oder vielmehr: Anti-Klassiker. Einer davon ist der Trident Cocktail, ein Twist auf den Negroni mit Sherry, an dessen Anfang der Fee Brothers Peach Bitters stand.

Wir schreiben das Jahr 2000. Die Jahrtausendwende ist nicht nur Auslöser für Verschwörungstheorien oder Computerfehler. Es ist auch die Zeit, in der das Internet anfängt, interessant zu werden, und sich erste Bar-Blogger etablieren: Die Bartender der neuen Generation erster Stunde, wenn man so will. Dazu gehört neben den allgegenwärtigen Dale DeGroff und Paul Harrington zweifelsohne auch Robert Hess.

Der zurückhaltende US-Amerikaner kämpfte mit seiner Website DrinkBoy seit 1998 an vorderster Front wider den Sour Mix und für klassische Cocktails mit guten Spirituosen und frischen Zutaten. Der spätere Mitbegründer des Museum of the American Cocktail (und spätere Ehemann von Audrey Sanders) gab sich dabei niemals Star-Allüren hin, sondern stellte stets die Vermittlung von geschmacklich sinnvollen und historisch korrekten Cocktails und anderen Mischgetränken in den Vordergrund. Er las in alten Cocktail-Büchern von Peach Bitters, Orgeat und Arrack, und sah sich in einer Ära von Blue Curaçao oder zwei Jahre lang haltbarem Ananassaft mit der Problematik konfrontiert, wie diese zu beschaffen seien.

Trident

Zutaten

3 cl leicht gelagerter Aquavit
3 cl Cynar
3 cl trockener Sherry (Fino)
2 Dashes Fee Brothers Peach Bitters

Rien ne va gar nix mehr

Während heute kaum ein neuer Gin ohne die zeitgleiche Lancierung einer „fein abgestimmten“ und doch eher aus eingekauften Aromastoffen bestehenden Bitters-Linie auskommt, war im Jahr 2000 die Erscheinung der Fee Brothers Peach Bitters eine kleine Sensation. Diese waren es, die Robert Hess zum Experimentieren bewegten, und daraus entstand eine Variation des Negroni, die nie hätte berühmt werden sollen.

Fee Brothers war damals der einzige Hersteller von Peach Bitters und somit schwierig zu beschaffen. Statt diesen Umstand jedoch mit leichter zugänglichen Zutaten zu kompensieren, entschied sich Mr. Hess dazu, ihn zum Thema seiner Kreation zu machen. So wurde jede Zutat des klassischen Negronis durch den am schwierigsten zu findenden Cousin ausgetauscht, um einen Cocktail zu schaffen, für den keine Bar gerüstet sei. Aus dem Gin wurde Aquavit, aus dem Campari wurde Cynar und aus dem Wermut wurde ein trockener Sherry; dazu gesellten sich die zuvor genannten Peach Bitters.

Der Trident Test

Mit einem solchen Rezept gerüstet, war es zu jener Zeit also nicht leicht, eine Bar zu finden, in der auch nur eine dieser Zutaten verfügbar war; oder auch einen Barmann bzw. Barfrau, dem auch nur einer dieser Bestandteile geläufig war. Inzwischen gilt der Trident jedoch als eine Art Prüfstein, ob ein Haus und seine Mitarbeiter die wahnsinnige Drinks-Entwicklung der letzten 15 Jahre mitgemacht haben: der Trident Test!

Dabei sagt Robert Hess selbst, dass der Trident eigentlich ein „anti-classic“ sei, und erzählt, wie es damals in Seattle genau eine Bar gab, welche den Trident Test bestand: Das Zig Zag Café, wo man sich sofort in das Rezept verliebte. Hess vermutet, dass es die vielen Köche waren, welche das Zig Zag Café besuchten, die besonderen Gefallen am Trident fanden und ihm so zu seiner Beliebtheit verhalfen. Denn beliebt wurde der Trident – so sehr, dass sogar der damalige Vertreiber von Cynar darauf aufmerksam wurde. Allein wegen des Tridents wurde im Zig Zag Café damals mehr Cynar gebraucht als in allen anderen Bars im gesamten Bundesstaat Washington zusammen!

Ready for Take Off

Trotzdem hält Hess daran fest, dass der Trident immer noch kein Klassiker sei. Was ein Klassiker sei oder nicht, sei nicht die Entscheidung eines einzelnen, sondern ein organischer Prozess. Es reiche nicht aus, dass ein Getränk lecker sei und unter Bartender:innen bekannt, sondern es müsse auch von Gästen bestellt werden. Wenn dereinst ein Trident an der Flughafen-Bar bestellt werde, gleichsam einem Cosmopolitan, dann könne man über das Prädikat „Modern Classic“ reden.

Bis dahin aber ist es einfach ein interessanter Drink, den es sich lohnt, bekannt zu machen.

Dieser Beitrag erschien erstmals im Juni 2016 auf MIXOLOGY Online. Für diese Wiederveröffentlichung wurde er inhaltlich minimal adaptiert und mit einem neuen Foto verstehen. 

Credits

Foto: Sarah Swantje Fischer

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